12.02.2022, 16:23
Wandering through Shadows
Nacht des 26. Juni 1822 Shanaya Árashi & Skadi Nordskov
Dunkelheit umschloss Shanaya, aber sie genoss das Gefühl der Kühle, des Alleinseins. Genau das hatte sie jetzt nach diesem Tag gebraucht. Nach ihrem ersten Tag auf Ritu. Ruhe, keine Menschenseele um sie herum. Irgendwo hörte sie Stimmen, Schritte. Aber niemand schien sich um die junge Frau zu kümmern, die mit angewinkelten Beinen in einer Gasse auf einer Kiste saß. Den Rücken an die kühle Steinwand gelehnt, der helle Blick zum Himmel gewandt. Mit Hereinbrechen der Nacht hatte die Schwarzhaarige sich von der Sphinx entfernt, ohne ein genaues Ziel. Der Markt lag längst still da, jetzt erwachten nur die Tavernen der Stadt, das Nachtleben und damit die teils finsteren Gestalten auf den Straßen. Männer und Frauen huschten an ihr vorbei, teils aneinander klebend, während ihre Füße scheinbar wie von selbst ihren Weg suchten. Shanaya selbst widmete diesen Menschen nicht mehr als einen kurzen Blick, um sicher zu gehen, dass sie ungestört blieb. Aber es wurde immer dunkler und sie war von der größeren Straße aus vermutlich nicht einmal mehr zu sehen. Müdigkeit kroch inzwischen durch jeden Knochen der jungen Frau, alles in ihr zog sie zurück zum Schiff, zu ihrer Hängematte. Dorthin, wo sie in den letzten Nächsten oft genug gelegen hatte, ohne erholsamen Schlaf. Also trieb sie sich lieber in dieser Stadt herum, hing ihren Gedanken nach, ohne sie all zu lang festzuhalten.
Shanaya wusste nicht, wie lang sie dort gesessen hatte, wie oft sie ihre Beine ausgestreckt hatte, um das nervige Kribbeln eingeschlafener Füße zu verjagen. Irgendwann schob sie sich jedoch von dem Holz, trat einige Male von einem auf den anderen Fuß, um ihn aufzuwecken. Dann zupfte sie ihre Bluse ein wenig zurecht, hob die blauen Augen noch einmal zum dunklen Himmel, ehe sie sich wieder in Bewegung setzte. Nach wie vor kein Ziel, tiefer in die dunklen Gassen. Ihre Schritte wirkten federleicht, beinahe tänzelnd. Ihr Mittel gegen die Schwere, die sie auf ihrem Gemüt spürte. Nur das leise Singen blieb aus, so wie kein Lächeln auf ihren Lippen lag.