12.02.2022, 16:05
It's like a shadow we can't see
Abend des 17. Juni 1822 Shanaya Árashi & Talin Dravean
Sie hasste es. Dieses verdammte Versprechen. Und jetzt musste sie schon wieder auf dem Trockenen sitzen. Mit dieser Schulter würde jemand sie sicher nicht einmal an das Steuer lassen. Schon wieder! Sie spürte Luciens vorwurfsvollen Blick fast schon auf sich ruhen, selbst wenn ein Arm völlig gesund war. Ganz automatisch hob Shanaya den Arm, der in einer Schlinge lag, etwas an. Die Folge war ein leises, zischendes Geräusch. Nein, gut, das tat wirklich zu weh. Und je mehr sie sich jetzt schonen würde, desto schneller konnte sie wieder ihre Aufgaben übernehmen. Immerhin war es dieses Mal nicht ihr Bein und sie konnte frei herum laufen. Ohne, dass Fieber ihren gesamten Körper schwächte.
Trotzdem hatte sie nicht viel von dem fremden Schiff gesehen. Die Gefahr der Vögel und der Nebel lagen hinter ihnen, Ruhe kehrte auf der Sphinx ein. Stand noch jemand am Steuer? Shanaya wollte eigentlich nicht darüber nachdenken. Statt dessen folgte sie ihrem Weg, auch wenn dieser sie an keinen besonderen Ort bringen sollte. Sie war müde, hatte Schmerzen und das Trockenfleisch, auf dem sie gerade herum kaute, stillte auch nicht den Hunger, den sie nun eine ganze Weile für ein Abenteuer unterdrückt hatte. Ein Abenteuer, das dann größtenteils an ihr vorbei gegangen war. Nach ihrer ‚Behandlung‘ war sie zwar an Deck gegangen, wirklich viel war jedoch nicht mehr passiert. Und weil sie sonst nur in Versuchung gekommen wäre, irgendetwas zu tun und dann unter Deck getreten zu werden, hatte sie sich selbst lieber dorthin bewegt.
Sie wusste, dass zwei (oder drei? War ja auch egal) zu ihnen auf die Sphinx gekommen waren, noch interessierte sie sich jedoch nicht unbedingt dafür. Ihre Gedanken waren zu aufgewühlt, ihr Kopf überall und nirgendwo. Trotz der Müdigkeit hatte sie zu viel Energie – wusste dafür nicht, wie sie diese loswerden sollte.
Schließlich fasste die Schwarzhaarige einen Entschluss, hielt kurz in ihrem steten Herumwandern inne und atmete einmal tief durch. Ihre Schulter dankte ihr mit einem scharfen Stechen, bei dem sich die Schwarzhaarige sofort etwas verkrampfte. Wie lange dauerte es wohl, bis dieses Stechen nachließ? Mit der gesunden Hand fuhr die junge Frau sich durch die Haare, schüttelte kurz den Kopf und setzte sich dann wieder in Bewegung. Direkt auf die Treppe zu, die sie an Deck führen würde, in einen Sonnenuntergang oder in eine Dunkelheit, die die Sphinx bereits umgab.
Es waren nur wenige Schritte, als sie abrupt wieder zum Stehen kam, sogar einen Schritt zurück wich, erschrocken aufblickte. Talin stand direkt vor ihr, auf der letzten Stufe der Treppe, die Shanaya gerade erklimmen wollte.
„Himmel, musst du dich so anschleichen?“
Ein schnaufendes Lachen drang Shanaya über die Lippen, trotzdem galt der Blonden ein sanftes, wenn auch etwas gehetzt wirkendes, Lächeln.