10.02.2022, 00:01
und andere Problemchen...
Talin & Lucien
05. Juni 1822 | nachts – unmittelbar nach „We're going down to the Bottom of our Glass“ | Wirtshaus von Silvestre
Als sich ein weiterer kleiner Schwung der Crew verabschiedete, um zum Bordell zurückzukehren, nutzte der junge Captain die Aufbruchsstimmung, um sich ebenfalls zu erheben. Der Abend war bereits weit fortgeschritten, der Alkohol dabei in rauen Mengen geflossen und Lucien hatte sichtlich Schwierigkeiten, sein Gleichgewicht zu halten. Für einen Augenblick hielt er sich an der Lehne seines Stuhls fest, bis der inzwischen leerer gewordene Schankraum wieder in die Waagerechte kippte und verabschiedete sich schließlich bei den wenigen Übrigen aus der Crew mit den Worten, einmal nach Zairym zu sehen. Mit drei kurzen Klopfern auf die hölzerne Tischplatte ließ er unter anderem Soula und Alex zurück und bahnte sich einen Weg zum Tresen, wo er Rym vermutete und schließlich auch entdeckte.
Der Söldner hatte sich Minuten zuvor aufgemacht, ihnen noch eine Spezialität seiner Heimat vorzuführen und war seit dem nicht zum Tisch zurückgekehrt. Und als Lucien nahe genug war, um das Gespräch zwischen ihm und dem Wirt mitzubekommen, verstand er auch, warum. So, wie sich das anhörte, fehlten entweder ein paar entscheidende Zutaten, oder aber der Mann hinter der Bar war nicht gewillt, sie nach Ryms Anweisungen zusammenzupanschen.
Der junge Captain schmunzelte, trat neben dem Söldner an den Tresen und versetzte ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, bevor er sich gegen das massive Holz lehnte. „Lass gut sein. Ich vermute, so fortgeschritten, wie der Abend ist, wären deine heimischen Spezialitäten an uns nur noch verschwendet. Versuchen wir das nochmal, wenn wir wieder nüchtern sind.“
„Ich meine doch nur, dass du einmal eine Ausnahme machen könntest“, versuchte Rym den störrischen Wirt zu überzeugen. Egal mit was für Engelszungen er auf den Mann einredete, er schien sich nicht erweichen, zu lassen. Warum der Wirt sich allerdings weigerte, den kleinen Schnaps herzustellen, um den Rym gebeten hatte, verstand dieser nicht. Wieso fiel es dem Mann denn so schwer, den Absinth mit Bier zu mischen. Klang eklig, war es auch, aber so feuchtfröhlich, wie die Runde gerade war, konnte das nur lustig werden.
Ein Klaps auf den Rücken lenkte Rym von seinen Gedanken – die doch schon träger liefen, als er zugeben wollte – und dem Gespräch mit dem Wirt ab. Er blickte zur Seite und brauchte einen Moment, um die Stimme des Mannes Lucien zuzuordnen. Es brauchte viel Kraft, um keine Schippe zu ziehen. „Aber wenn man nüchtern ist, dann schmeckt das nicht.“ Ein Schnauben hinter der Bar lenkte ihn ab. „Das Zeug schmeckt nie.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Bestellt was anders oder geht auch.“ Das ließ sich Rym nicht zweimal sagen, da der Alkohol seine Zunge soweit gelockert hatte, dass er sehr wohl noch eine Weile reden wollte. „Dann nehmen wir noch zwei Bier. Machst du mit, Commodore?“
Glücklicherweise hatte Lucien nicht mitbekommen, was genau Zairym ihnen hatte vorführen wollen – andernfalls hätte er dem Wirt ohne lange nachzudenken zugestimmt. Und vielleicht wäre ihm bei dem Gedanken daran auch noch übel geworden. In seinem jetzigen Zustand interessierte ihn das ‚was‘ allerdings nicht genug, um nachzuhaken. Das einzige, was bei ihm wirklich hängen blieb, war die Idee, sich noch eine Runde zu gönnen. „Mach zwei Whisky draus, dann bin ich dabei.“
Ehrlich, von Bier hatte er inzwischen genug. Davon bekam er lange nicht so viel runter, wie es gebraucht hätte und er musste permanent nach draußen, um sich zu erleichtern. Wenn man alle zehn Minuten aufstand und ging, konnte das jedes noch so unterhaltsame Gespräch ruinieren.
Während der Wirt zwei Gläser vor ihnen auf den Tresen stellte und sich nach einer Flasche unter der Theke bückte, wandte Lucien sich halb dem Schankraum zu, ließ die tiefgrünen Augen zum nun überwiegend leeren Tisch zurück wandern, an dem die Crew bis vor einer Weile noch zusammengesessen hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde legte sich ein geradezu nachdenklicher Schatten über seine Züge, dann drehte er den Kopf wieder herum und sah dem Wirt dabei zu, wie er die beiden Gefäße etwa zur Hälfte mit klarer, rotgoldener Flüssigkeit füllte. Luciens Hand lag schon am Glas, noch bevor er damit überhaupt fertig war und kaum zog sich der Mann zurück, wandte der junge Captain sich dem Söldner zu, um ihm zuzuprosten. „Also dann. Auf all die Dinge, auf die wir fern der Heimat verzichten müssen.“ Er verzog die Lippen zu einem zynischen Lächeln. Wie verdammt tiefsinnig.
Ein Grinsen huschte über Ryms Gesicht und er deutete auf den jungen Mann, als hätte er das Schlauste an diesem Abend gesagt. Whisky war so viel besser als Bier, auch wenn ein noch recht nüchterner Teil von Rym darauf hoffte, dass Lucien die Absicht hatte, das Getränk zu bezahlen. Oder vielleicht verschwanden sie einfach nachher still und heimlich in der Nacht, um die Zeche zu umgehen. Um also gar nicht in die Verlegenheit zu kommen, Münzen gegen das Getränk auszutauschen, schnappte der Dunkelhaarige – ebenso wie der Captain – das Glas unter der Hand des Wirtes weg, gerade nachdem es genügen aufgefüllt war. Er wandte sich dem Jüngeren zu und schnaubte bei dessen Trinkspruch nur. Fern der Heimat musste er noch nie auf irgendetwas verzichten. Aber Heimat war auch etwas für ihn, auf das er ungern trinken wollte. Und bei Luciens Haltung vermutete Rym das auch irgendwie. Stattdessen hob er also sein Glas und gab einen eigenen Spruch zum Besten. „Auf all die schlechten Beziehungen, die wir fern der Heimat eingehen.“ Er grinste vielsagend, legte das Glas an die Lippen und den Kopf in den Nacken. Mit einem Schluck floss der Alkohol seine Kehle hinunter und er wusste, dass er heute würde gut benebelt schlafen können, wenn er sich auch morgen dafür verfluchen wollte. Er stellte das Glas ab und bedeutete den Wirt die beiden Gläser noch einmal vollzumachen, bevor er mit einem schiefen Grinsen wieder Lucien ansah. „Und, Commodore, haben du und deine Kratzbürste euch wieder vertragen?“ Er dachte an das Verhalten von Shanaya und Lucien während ihres kleinen Gelages, konnte aber nicht sagen, ob sie sich nach ihrem Ausflug zur Schneiderin und wieder ins Bordell, vertragen hatten.
Gerade in dem Moment, in dem Lucien das Glas an die Lippen setzte, warf Rym einen eigenen Trinkspruch ein, der den jungen Captain für einen Moment zum Innehalten brachte. Für ein paar Sekundenbruchteile dachte er mit leicht in die Höhe gezogenen Brauen darüber nach, entschied dann, dass auch schlecht gewählte Beziehungen es wert waren, auf sie zu trinken, brummte zustimmend und kippte sich den Whisky kurzerhand im Ganzen hinunter.
Sein Mund war längst taub von zahllosen Kurzen, um die Schärfe im Alkohol noch großartig wahrzunehmen. Stattdessen breitete sich der ganze, volle Torfgeschmack auf seiner Zunge aus und floss schließlich genussvoll seine Kehle hinab. Trotzdem holte Lucien gleich darauf tief Luft, stellte das Glas zurück auf den Tresen und bekam nicht einmal wirklich mit, wie der Söldner ihnen Nachschub bestellte. In seinem Magen breitete sich erneut ein wohlig warmes Gefühl aus, das ihm versicherte, seine Gedanken weiterhin in angenehmer Trübheit verschwimmen zu lassen, solange er nicht aufhörte zu trinken und wie durch Nebel drangen schließlich auch Ryms Worte zu ihm durch.
Er hob den Blick, ein leiser Anflug von Belustigung in den grünen Augen, wobei er nicht ganz sicher war, ob ihn die ‚Kratzbürste‘ eher amüsierte, oder die Tatsache, dass sein Gegenüber ausgerechnet dieses Thema anschnitt. „Hm, ja. Das ist geklärt“, versicherte er. „Ich hoffe allerdings, du hast mit deinem Trinkspruch gerade nicht mich und Shanaya gemeint, sondern deine eher schlecht gewählten Geschäftsbeziehungen in letzter Zeit?“
Wieder aufgefüllt hatte Rym das Glas auch schon in der Hand, doch diesmal kippte er es nicht sofort hinter, sondern lachte lauthals über die Worte des Jüngeren. Kurz sah er auf die Honigfarbene Flüssigkeit in seinem Glas hinunter, bevor er wieder mit einem Grinsen Lucien antwortete. „Ich treffe keine schlechten Geschäftsentscheidungen. Ich folge dem, der mir am meisten bietet und wenn nicht das, dann zumindest dem, der mir mein überleben sichert. Meistens sogar in dieser Reihenfolge. Wie tragisch!“ Auf diesen erkenntnisreichen Schrecken musste er den Whisky doch erst einmal trinken. Der Alkohol lockerte noch mehr seine Zunge, wenn das überhaupt möglich war. „Ich meine wirklisch deine Beziehung mit der Kleinen. Nimms mir nicht übel, aber...das war heftig. Ich habe schon viele Sturköpfe erlebt, aber bei euch?“ Er ließ seine zu Fäusten geballten Hände aufeinander zufliegen und kurz bevor sie sich trafen, öffnete er sie, wobei ihm das leere Glas auf die Theke fiel. „Sehr explosiv und nicht besonders gesund, denk ich zumindest. Aber wenn du deine Beziehungen so magst, dann sollte ich dir da wohl nicht rein reden. Auch wenn ich’s trotzdem tu. Wieso schnappst du dir nicht eine von den anderen an Board? Außer das Kätzchen mit den Waffen. Die weiß, wie man sich prügelt. Da bin ich dran interessiert.“
Lucien hatte das volle Glas schneller wieder in der Hand, als er denken konnte und hob es bereits, um es wieder an seine Lippen zu führen. Doch die Antwort seines Gegenübers ließ ihn auf halber Strecke innehalten und grinsen. „Ich habe ja schon mal gesagt, dass ich deine Ehrlichkeit in dieser Angelegenheit sehr zu schätzen weiß... aber ob das wirklich so gesund ist?“ In den grünen Augen blitzte unstet der Schalk auf. Klang für ihn nach wie vor nicht nach einer gesunden Geschäftsbeziehung, wie man es auch drehte und wendete.
Doch seine Züge wurden ernster, als der Söldner – gewiss vom Alkohol motiviert – wieder das Wort ergriff. Unwillkürlich wanderte die Braue des jungen Captains in die Höhe. Seine Stimmung schlug um, schwankte zwischen ernsthaft belustigt, vertrauensselig
und wachsam gleichermaßen hin und her. Wobei er längst nicht mehr hätte sagen können, was sich worauf begründete. Er setzte das Glas wieder an die Lippen, ließ den Bärtigen einfach weiter reden, bis dessen letzte Worte ihm unvermittelt den Whisky in den falschen Hals trieben. Lucien verschluckte sich, spuckte die goldene Flüssigkeit hustend wieder ins Glas zurück, bevor er es auf die Theke zurückstellte, um nicht alles davon zu verschütten. Der Alkohol brannte sich durch seine Kehle und seine Nase, ließ ihn husten und schließlich lachen gleichermaßen. „Du und Skadi?!?“ Er hustete, lachte, wischte sich mit dem Ärmel sein Getränk von Mund und Nase und sah mit tränenden Augen zu Rym auf. „Alles klar“, stellte er fest und grinste so breit, wie ein Fünfzehnjähriger. „Keine Sorge, sie gehört ganz dir.“ Wenn er sie denn rum bekam – und daran hatte Lucien ernsthaft seine Zweifel. „Was soll ich sagen? Ich mag Frauen mit Charakter. Und so viel Auswahl haben wir auf dem Schiff nunmal nicht.“ Er griff wieder nach seinem Whisky und genehmigte sich einen großzügigen Schluck. „Skadi ist eine gute Freundin, aber nicht mein Typ. Genauso wenig wie Isala. Mal abgesehen davon würde Tarón mich sicherlich häuten, wenn ich sie nur falsch anschaue“, ergänzte er mit einem kleinen Lachen in der Stimme.
Er wusste gar nicht, dass er so erheiternd sein konnte. Rym hob halb besorgt, halb belustigt - wobei letzteres überwog – einen Arm und schlug dem Jüngeren kraftvoll auf den Rücken. „Was für eine Verschwendung“, nuschelte er dabei vor sich hin. Aber immerhin verstand er dann auch, warum Lucien so heftig hatte lachen müssen. Rym schnaubte und zuckte mit den Schultern. „Ich spüre da nun mal ein Knistern zwischen uns. Klar, sie ist viel zu ehrlich und verabscheut mich, aber ich will sie ja nicht heiraten. Man wird ja wohl noch von ein bisschen körperlicher Wärme träumen dürfen.“ Nochmals zuckte er die Schultern und nickte wissend, während Lucien die Damen des Schiffes aufzählte, wobei er nicht einmal etwas mit den Namen anfangen konnte. Aber in etwa konnte er es zuordnen, weshalb ihm auffiel, dass eine dabei fehlte. Wenn man einmal vom Blondschopf absah. „Und die andere? Die andere kleine mit den langen Haaren, die ihr hier aufgegabelt habt? Würdest du sie nicht wollen?“ Er wollte Lucien noch fast unterstellen schüchtern zu sein, aber das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. „Ich mach dir ja nur nen paar Vorschläge. Nicht das wir uns am Ende alle um die gleiche Ziege prügeln, weil unsere Hände es nicht mehr bringen.“ Er bedeutete dem Wirt noch einmal nachzuschenken. „Das ist einer der Gründe, warum ich die Seefahrt so dämlich finde. Keine Frauen weit und breit, immer selbst Hand anlegen oder eben anders aushelfen. Fürchterlich.“
Es fehlte nicht viel und Lucien wäre erneut in ein herzhaftes Gelächter ausgebrochen. Er spürte also ein Knistern? Bei allen Welten. Sollte er dem armen Irren gegenüber vielleicht erwähnen, dass Skadi ihr Knistern schon längst bei einem anderen gefunden hatte? Ob nun mit oder ohne tiefere Gefühle sei dahin gestellt, doch zumindest ließ sich soetwas auf einem Schiff nicht leicht verbergen. Genauso wenig wie das zwischen ihm und Shanaya, da machte sich der Dunkelhaarige nichts vor.
Er beschloss allerdings, Rym seine Hoffnungen auf einen warmen weiblichen Körper an seiner Seite nicht zu nehmen, schwieg sich aus und kippte den letzten Rest Whisky hinunter, damit der Wirt ihn auf einen Wink hin nachfüllen konnte. Einen Herzschlag später hatte er das Glas bereits wieder in der Hand, machte aber keine Anstalten, weiter zu trinken, sondern warf dem Söldner nur einen kurzen, fragenden Blick zu. Bis der Groschen schließlich fiel. „Oh, du meinst Soula?“ Er schmunzelte schon wieder und genehmigte sich einen moderateren Schluck. „Ich kann nicht behaupten, dass sie mir nicht gefällt. Aber ob sie die Art von Frau ist, die mich auch längerfristig interessiert, muss sich erst noch zeigen.“ Er zuckte nur mit den Schultern und der Schalk kehrte in seine Augen zurück. „Und was deine Probleme mit der Seefahrt angeht: Es hat durchaus seine Gründe, weshalb mein erster Gang an Land in der Regel in ein Bordell führt, mein Freund. Wobei ich mich über längere Zeit auf See inzwischen wirklich nicht mehr beschweren kann“, meinte er – wohlwissend, dass er damit unter Seemännern geradezu priveligiert war. „Und Hände weg von den Schafen“, wies er Rym im gleichen Zuge zurecht und hob mit mahnend ausgestrecktem Finger die Hand mit dem Whiskyglas, bevor er wieder breit grinste.
Er machte sich nicht die Mühe, sich den Namen des Mädchens zu merken, mit dem Lockenkopf Nummer eins – oder war es zwei? – vorhin getanzt hatte. Das lag einfach an seinem mangelndem Interesse, aber wenn die Kleine interessant wurde, dann konnte er sich vielleicht doch einmal anstrengen, sich einen Namen einzuprägen. So lange versuchte er einfach sein Glück bei der Kampfkatze. Denn wenn sie schon von Interesse sprachen, dann sollte er sich vielleicht an die Messerschwingende Schönheit halten.
Als der Jüngere ihm drohend den Finger unter die Nase hielt, verzog Rym nur verächtlich das Gesicht. „Eher kastrier ich mich, als das ich es mit einer Ziege oder einem Schaf treibe. Die überlass ich ganz dir, wenn du deine priviligierte, schlechte Beziehung beendet hast. Oder liebst du die kleine Königin? Das wäre was anderes. Aber wenn du ins Bordell gehst – sehr löblich mein Freund, denn der Beruf muss unterstützt werden – nehme ich an, dass sie nicht die eine wahre Liebe deines Lebens ist, oder?“ Er hob sein Glas für diese clevere Schlussfolgerung in die Höhe und trank es dann in einem Zug wieder aus. Für seinen Geschmack war das viel zu logisch gedacht.
So verächtlich Ryms Züge bei den Gedanken an ein Stelldichein mit den Schafen unten im Frachtraum – so heiter zugleich das stumme Gelächter in den tiefgrünen Augen des jungen Captains. Er wäre sicherlich nicht der erste Mann auf See, der seiner Not auf diese Weise Abhilfe schaffte, auch wenn Lucien seine mahnenden Worte in diesem Fall tatsächlich nicht ernst gemeint hatte. Einfach, weil er dem Söldner eine so verzweifelte Tat doch nicht zutraute. Schlussendlich grinste er nur, zog die ausgestreckte Hand mit dem Glas zurück und genehmigte sich einen weiteren Schluck Whisky.
Der Alkohol drehte inzwischen kräftig. Solange er sich nicht zu viel bewegte, mochte es gehen. Allerdings fragte er sich wirklich, wie lange er bei dem Tempo noch aufrecht würde stehen können. Sei es drum. Sein Verstand war längst zu träge, um ihn zu warnen und selbst wenn, wäre es ihm ohnehin egal. Es war lange genug her, dass er sich die Kante gegeben hatte. Warum nicht gleich jetzt? Bevor sich dieses Gespräch in eine Richtung entwickelte, die ihm nicht gefiel. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal, ob ich nicht auch in ein Bordell gehen würde, wenn sie die Liebe meines Lebens wäre“, antwortete er ernsthaft nachdenklich gestimmt. Würde er? Würde er nicht? Jedenfalls prostete er Rym kurz zu, da sie sich beide einig waren, dass Kurtisanen unterstützt werden sollten, trank seinen Whisky wieder leer und stellte das Glas ab, ohne loszulassen. „Jedenfalls – nein, ist sie nicht. Trotzdem immer noch keine schlechte Beziehung, nur weil sie dich und die halbe Mannschaft völlig überfordert“, widersprach er amüsiert.
Der Alkohol bahnte sich gerade noch einen Weg seine Kehle runter, als sein Blick wieder auf den jungen Mann neben sich fiel, der nachdenklich vor sich hin zu sinnieren schien. Rym hatte jetzt keine Lebensfragen zum Anstoß geben wollen. Es interessierte ihn nur, ob Lucien sich mehr mit der Kratzbürste vorstellen konnte, ob er einer von diesen Kerlen war, die anständig wurden, wenn sie das Mädchen ihrer Träume fanden. Allerdings schien Rym sich umsonst sorgen gemacht zu haben. Ein Grinsen zupfte an seinen Mundwinkeln und schließlich ließ er es auch heraus, was am Ende zu einem herzhaften Lachen wurde. „Erfreulich, dass du dennoch die Kurtisanen der Inseln unterstützen willst! Ich stelle dir bei Gelegenheit mal ein paar nette Damen vor.“ Er gluckste amüsiert, bevor er kurz nachdenklich über sein behaartes Kinn strich. „Ich bin nicht von ihr überfordert, sondern eher beeindruckt. Sie ist stur, sie ist stolz und stark und sie denkt, zu wissen, was sie will.“ Er nickte, als würde er sich selbst zustimmen. „Alles bewundernswerte Eigenschaften, aber sie langweilt mich, weil sie denkt, die Welt dreht sich nur um sie und das kann leider nur auf einen im Raum zutreffen und zwar auf mich.“ Wieder grinste er. „Aber ich will dir nicht in deine Liebesgeschichten reinreden. Wenn du denkst, das was ihr macht, ist gesund, dann bitte, bitte. Ich stärke dir gegen ein paar Achter auch den Rücken, wenn es in einen Krieg endet.“
Lucien grinste vielsagend auf das Angebot des Bärtigen, während er dem Wirt dabei zusah, wie er erneut ihren Whisky auffüllte. Mit einem eleganten Schwung schwappte die Flüssigkeit am Glas entlang, kam zur Ruhe und der junge Captain wandte sich wieder seinem Gesprächspartner zu. In den tiefgrünen Augen glomm nun ein Ausdruck, der teils Zustimmung, teils unverhohlene Belustigung war. Es wunderte ihn nicht im Geringsten, dass er Ryms narzistische Äußerung auch noch sympathisch fand. Immerhin schien er Menschen mit einem derart ausgewachsenen Selbstbewusstsein geradezu um sich zu scharen. Was man an Shanaya unzweifelhaft erkennen konnte. Aber auch an Talin und an Ceallagh. Sie nahmen sich da alle nichts. Er gab ein Glucksen von sich. „Oh, sie denkt nicht nur, dass sie weiß, was sie will. Sie weiß wirklich, was sie will. Sie kennt nur noch nicht alles, was sie wollen könnte…“, verfeinerte er hochphilosophisch Ryms Einschätzung, grinste kurz und führte sein Whiskyglas zum Mund, um sich
einen Schluck zu genehmigen. „Aber eins interessiert mich nun wirklich“, fuhr er fort und setzte das Glas ein Stück weit ab, damit man ihn besser verstand. „Warum, zum Geier, glauben alle, das mit mir und Shanaya würde in einem Krieg enden? Ich meine... okay, ich kann ein Arschloch sein, wenn es um Frauen geht, die ich nicht gerade für ihre Gesellschaft bezahle. Aber wer sagt, dass es übel enden wird, mit ihr und mir? Es geht vielleicht nicht ewig... aber muss es deswegen ungesund sein?“ Alles klar. Nicht mehr lange und er erreichte den Punkt, an dem er über den Sinn des Daseins spekulierte. Sicher auch kein schlechtes Thema mit dem Söldner als Gesprächspartner. Das könnte zu spannenden Ergebnissen führen.
In Ryms Kopf drehte sich alles. Sei es durch den Alkohol oder durch Luciens sehr philosophische Antwort auf die Äußerung des Älteren, sei einmal dahin gestellt. Aber eines musste er dem Commodore doch lassen: Seine Worte waren ziemlich weise. Shanaya kannte noch nicht alles, was sie wollen könnte. Ja, vielleicht war das richtig? Aber das hieß nicht, dass sie Rym nicht trotzdem langweilen konnte. Aber er musste ja auch nicht mit ihr schlafen.
Mit einem Grinsen wollte er schon das Glas an seine Lippen heben, als er feststellte, dass es schon wieder leer war. Für einen Moment war er hin und her gerissen, ob er den Wirt noch einmal um Nachschub für sich und Lucien bat, aber der Gedanke, dass sie es dann wahrscheinlich nicht mehr auf ihren eigenen Füßen hier hinaus schafften, ließ ihn zögern. Doch bei Luciens nächster Frage, änderte sich das schon wieder. Scheiß drauf. Mit einem geübten Hundeblick wies er den Wirt an, ihnen nachzuschenken. Die gerunzelte Stirn des anderen Mannes, bekam Rym dabei nicht mit, da er sich wieder auf seinen Gesprächspartner konzentrierte. „Es interessiert mich nicht, ob ihr beide Gefühle für einander habt oder nicht, das ist eure Sache.“ Er betrachtete die beiden gefüllten Gläser und schob sie nebeneinander. „Ihr könnt gut funktionieren, wenn ihr beide auf einer Wellenlänge seid, da bin ich mir sicher. Aber...“ Er hob sein Glas und trank es in einem Zug leer, um es wieder neben das andere zu stellen. „Wenn sich bei einem von euch etwas ändert, dann sehe in die Probleme. Was ich die letzten Wochen bei euch beobachten konnte war, dass ihr beide starke Charaktere seid. Vor allem starrsinnig. Sagen wir, Shanaya entwickelt Gefühle für dich, dann wird sie diese ausleben oder nicht? Und wenn du nichts fühlst, wirst du weiter mit ihr schlafen? Habt ihr das schon? Hab ich schon wieder vergessen. Auf jeden Fall ist dann die Frage, wie lange wird sie das aushalten können, wenn du nicht das Gleiche empfindest? Was wird sie dann tun? Das ist der Grund, warum ich einen Krieg vorher sehe. Aber wahrscheinlich denk ich einfach zu weit voraus und ihr seid clever genug jede Art von Gefühl herauszulassen, hm?“
Zugegeben, ein bisschen übertrieb er. Rym war, genau genommen, lediglich der zweite – oder dritte? zweieinhalbte – der Probleme kommen sah, wenn sich zwischen ihm und der Schwarzhaarigen etwas änderte. Wenn einer von ihnen Gefühle für den anderen entwickelte. Und Lucien konnte kaum leugnen, dass er zumindest damit rechnete. Weil es immer irgendwann passierte. Immer dann, wenn er mit den Frauen, mit denen er schlief, länger zusammen war. Nur dass es ihm bisher wenig ausgemacht hatte, die Beziehung dann einfach zu beenden. Bei Shanaya machte ihm allein der Gedanke daran schon etwas aus. Weil er sie nicht verletzen wollte.
Mit einem nun deutlich frustrierte Brummen hob er die freie Hand, schloss für einen Moment die Augen und rieb sich mit einem Stirnrunzeln das Nasenbein, um die aufwallenden Kopfschmerzen zu verdrängen. ‚Wenn dich das erste Mal jemand Ochse nennt, hau ihm eine rein. Wenn dich das zweite Mal jemand Ochse nennt, hau ihm eine rein. Aber wenn dich das dritte Mal jemand Ochse nennt, wird’s wohl Zeit, sich nach ‘nem Stall umzusehen.‘ Die Stimme des alten Arri drängte sich in seine Gedanken. Er meinte sogar, den spöttischen Klapps auf die Schultern zu spüren, den er ihm darauf versetzte. Und nun blieb auch Lucien nicht viel mehr übrig, als Ryms Warnung ernstzunehmen. ‚Wie lange wird sie das aushalten können, wenn du nicht das Gleiche empfindest? Was wird sie dann tun?‘ Noch immer hielt sich hartnäckig der Glaube daran, dass Shanaya ihre kleine Liebelei für genauso unverbindlich hielt, wie er es tat. Dass sie anders war, als die anderen. Dass sie damit klar kam. Doch was, wenn nicht? Würde er trotzdem mit ihr schlafen?
Urplötzlich fiel ihm das Versprechen wieder ein, das er Talin vor knapp zwei Wochen gegeben hatte. Dass er mit der Schwarzhaarigen reden würde und wozu es bis jetzt noch nicht gekommen war. Vielleicht sollte er das die Tage mal tun. Bevor er sich nach einem verdammten Kuhstall umsah.
Wieder gab Lucien ein unwilliges Brummen von sich, hob die Hand mit dem inzwischen wieder vollen Whiskyglas an – wann war das eigentlich passiert? – und kippte dessen Inhalt mit einem Zug hinunter. „In Ordnung, weißt du was.“ Wieder wies er mit einem Finger auf den Bärtigen und in den grünen Augen blitzte unstet ein Anflug von Frust auf. „Ich krieg von diesem Thema Kopfschmerzen. Belassen wir es dabei, dass ich mich dieses Problems annehme, wenn es so weit kommen sollte. Was nach wie vor nicht sicher ist.“ Er stellte sein Glas wieder auf den Tresen und wieß den Wirt mit einem Nicken an, eine neue Runde auszugeben. Der verschränkte jedoch die Arme vor der Brust. „Wie wäre es, wenn ihr erst mal das bezahlt, was ihr schon getrunken habt?“, brummte er verärgert und Lucien stieß ein Seufzen aus, bevor er in den Beutel an seinem Gürtel griff und zwei Achter Zutage förderte, die er dem Rotbart auf die Theke legte. „Bitteschön. Einer für ihn, einer für mich. Das ist mehr, als das Gesöff wert ist.“
Rym bezweifelte in seinem eigenen, schon leicht benebelten Zustand, dass die Kopfschmerzen des anderen Mannes nur von dem Thema kamen. Aber er legte sich nur einen Finger auf die Lippen, als Zeichen, dass er den Wunsch des Captains für voll nahm und berücksichtigen würde. So lange, wie er sich eben noch daran erinnerte. Er wollte es ja nur angesprochen haben, weil er den Jüngeren auf ein eventuelles Problem aufmerksam machen wollte. Denn mal ehrlich: Wann war das letzte Mal gewesen, dass Rym so einfach auf einem Schiff aufgenommen wurde und so ziemlich alles machen durfte, was er wollte? Da hatte Lucien schon etwas gut bei ihm und sei es nur ein unerwünschter Ratschlag. Fast schloss er ihn noch mehr ins Herz, als der Commodore eine weitere Runde für sie bestellte und sogar die schon angefallenen Schulden beim Wirt bezahlte. „Ohhhhh“, gab Rym gerührt von sich und legte einen Arm um die Schultern des jungen Mannes. Da bezahlte immerhin jemand seine Rechnung. „Freut mich, dass du mich so sehr magst, Commodore!“ Umständlich kramte er in seiner Tasche und warf noch einen weiteren Achter auf die Holzplatte. Dabei fokussierte er den Wirt etwas umständlich. „Ignorier den Kommentar am besten einfach und lass die Flasche einfach hier, wenn du gehst. Dann bedienen wir uns selbst.“ Der Wirt zögerte einen Moment, unsicher, ob er sauer werden sollte oder das Geld einfach einstreichen sollte. Letztlich entschied er sich für Letzteres. Rym sah ihm mit einem Grinsen nach, ließ Lucien los und beugte sich vor, die Flasche zu nehmen. „Guter Mann“, nuschelte er und goss ihnen beiden nach. „Wenn wir also nicht mehr über das holde Geschlecht sprechen wollen, dann lass mich dir sagen, Commodore, dass ich sehr froh bin, dass du trinkfest bist! Als ich deinen Haufen von...hm...Piraten das erste Mal gesehen habe, hatte ich angst, ihr würdet nur Wasser trinken.“ Er hob sein Glas und prostete Lucien damit zu.
Ein bisschen war Lucien tatsächlich überfordert, als sich plötzlich ein Arm um seine Schultern legte, der bärtige Söldner für einen Moment auf Tuchfühlung kam und ohne, dass er wirklich gesehen hatte, wann, ein dritter Achter auf dem Tresen erschien. Er gab ein langgezogenes, wenig erfreutes Brummen von sich, das vielleicht Ryms Freundschaftsbekundungen meinte, oder vielleicht den Satz, mit dem er den Wirt nach der unterschwelligen Beleidung des jungen Captains zu beschwichtigen versuchte. Der war sich nämlich beinahe sicher, dass er bezüglich der Qualität des Whiskys im Recht war.
Doch der Wirt ließ sich angesichts der goldenen Münzen vor seiner Nase friedlich stimmen – zumindest für eine Weile noch – stellte die Flasche vor den beiden Piraten ab, strich das Gold ein und warf sich mit einem mürrischen Grunzen das schmuddelige Küchentuch über die Schulter, mit der er wohl Tische und Gläser abwischte. Dann wandte er sich von den beiden Männern ab und widmete sich irgendeiner anderen, ungemein wichtigen Aufgabe.
In diesem Moment ließ der Söldner Lucien los, brachte ihn damit für einen Moment aus dem Gleichgewicht, ehe er sich mit einem Griff an die Kante der Theke wieder stabilisieren konnte. Der Boden fühlte sich an, als wäre er nach Wochen auf See das erste Mal auf Landgang und der Gedanke brachte ihn tatsächlich zum Schmunzeln. Gut so.
Wie von selbst wanderte seine Hand zu dem inzwischen wieder vollen Glas und in den grünen Augen des jungen Captains blitzte der Schalk auf. „Wasser setzt zu schnell Algen an“, erklärte er damit seinen eigenen Hang zum Alkohol. Was es nicht erklärte, war der Eindruck, den Rym offensichtlich von seiner Crew gewonnen hatte. „Und hey, immerhin haben sie es fertig gebracht, einen Gefangenentransporter der Marine zu versenken und dich und deine unkoordinierte Kopfgeldjägertruppe auszustechen.“ Er setzte das Glas an die Lippen und warf dem Söldner darüber hinweg einen amüsierten Blick zu. „Und wenn wir ehrlich sind, wäre der ein oder andere betrunken ein Sicherheitsrisiko für uns alle“, ergänzte er und nahm einen Schluck Whisky, ohne zu spezifizieren, wen er damit wohl meinte.
Ohne lange zu zögern, nahm er sein Glas und stürzte es auch schon hinunter. Darüber war er im nächsten Augenblick auch mehr als froh, denn die Worte des Jüngeren ließen ihn nur ungläubig und frustriert aufstöhnen. Die Erinnerungen an die Zeit mit den Kopfgeldjägern war etwas, was er gern vergessen wollte. Nicht, dass sie schlecht bezahlt hätten, das würde ihm nicht einmal einfallen. Aber verdammt noch mal. Wie hatten sie nur so dämlich sein können? Er warf einen Blick zu Lucien und stieß noch einmal einen tiefen Seufzer aus, der alle Last seiner Überraschung mit sich trug. Während er ihnen beiden nachschenkte, schüttelte er nur den Kopf. „Ich finde manche von deinen Leuten sind auch so schon ein Sicherheitsrisiko.“ Die Hand mit der Flasche näherte sich seiner Schläfe und mit einem Finger deutete er einige Kreise an, als würde er dem ein oder anderen unterstellen, nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben. „Ich verstehe immer noch nicht, wie viel Glück ihr hattet, die Insel zu überleben. Wenn eure Aktionen immer so ablaufen wie da, dann wundert es mich nicht, dass dabei auch mal Marineschiffe in die Luft fliegen. Aber mal ehrlich, Commodore: Wenn ich mir den Großteil deiner Jungs ansehe, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass sie eine gute, ordentliche Schlägerei überstehen würden.“ Er stellte die Flasche wieder ab und griff erneut nach seinem Glas, als er auf einmal einen Stoß in seinem Rücken spürte. Der Alkohol schwappte auf die Holzplatte vor ihm und er spürte eine Mischung aus Ärger und Trauer in sich aufsteigen. Letztlich stellte er das Glas nur wieder ab und schenkte sich neu nach. „So etwas zum Beispiel. Mit mehr Alkohol wäre das schon ausgeartet. Wer von deinen Bübchen würde da am Ende noch stehen?“
„Da kann ich dir nur zustimmen.“ Wieder setzte Lucien das Glas an die Lippen, ohne sich daran erinnern zu können, wie es schon wieder so voll geworden war. Rym hatte beim Nachschenken offenbar ein ziemlich schnelles Händchen.
Jedenfalls dürfte klar sein, an wen Lucien in diesem Moment dachte. Wie wenig er von Trevor hielt, war auf der Sphinx kein großes Geheimnis – obgleich der chaotische Vollidiot ihn in letzter Zeit hin und wieder überrascht hatte. Wirklich warm würde er mit ihm allerdings trotzdem nicht werden. Er ging ihm schlicht und ergreifend viel zu sehr auf die Nerven. Und er war ein Sicherheitsrisiko.
„Was die Sache mit den Kopfgeldjägern angeht – stimmt schon, wir hatten echt unverschämtes Glück. War allerdings auch nicht unser Plan, uns überfallen zu lassen“, schnaubte er amüsiert und trank sein Glas in einem Zug leer, ehe er es wieder auf dem Tresen abstellte, ohne loszulassen. Und gerade setzte er dazu an, das Thema weiter auszuführen, als Rym mit einem undefinierbaren Laut nach vorne und damit auf ihn zu kippte und dabei den Inhalt seines Glases auf der Theke verteilte. Lucien wich überrascht blinzelnd ein Stück zurück, ehe er den Mann erkannte, der mit gröhlendem Lachen auf der anderen Seite des Söldners bedrohlich vor sich hin schwankte und dabei offenbar nicht bemerkte, dass hinter ihm noch jemand stand.
Für einen Augenblick schwieg der junge Captain sichtlich beeindruckt von Zairyms Gelassenheit. Ehrlich gesagt war er sich nicht sicher, ob er an seiner Stelle so unbeteiligt geblieben wäre. Jedenfalls nicht mit der Menge an Alkohol in seinen Adern. Dann gab er mit einem Mal ein entschlossenes „Hm!“ von sich. „Schön, ich gebe zu, ich weiß es nicht! Wahrscheinlich steckt in den meisten von ihnen mehr, als du vermutest. Nehmen wir Liam zum Beispiel...“ Er wedelte unwirsch mit der freien Hand vor Ryms Gesicht, weil der zu diesem Namen ohnehin kein passendes Gesicht im Kopf hatte und sich gar nicht erst bemühen sollte. „Mit dem kann man richtig gut einen trinken gehen. Und das sieht man ihm schon mal absolut nicht an.“
Er lachte auf, trat damit wahrscheinlich in Konkurrenz zu dem Mann, der ihn eben angerempelt hatte. Aber es war einfach zu komisch, dass Lucien in einem Moment davon ausging, dass Rym sich an die Namen der Leute an Bord erinnerte und nur eine Sekunde später es selbst wieder strich. Deshalb kicherte der Dunkelhaarige immer noch in sein Getränk, während er gleichzeitig versuchte, ein Gesicht zu dem Namen und der Handlung heraufzubeschwören. Jemand trinkfestes, dem man es auf den ersten Blick vielleicht nicht zutraute... Er stellte sein Glas ab und hob beide Hände, um bei sich eine Haarpracht anzudeuten. „Meinst du eines der Lockenköpfchen?“ Er nickte bestätigend. Ja, der eine von beiden hatte vorhin gut mit ihnen mitgemacht. Der andere...Ryms Erinnerung war ziemlich verschwommen, wenn er versuchte weiter, als bis zu seinem Drink zu denken. Nun, immerhin wusste er nun, mit wem er noch durch die Kneipen ziehen konnte. „Sei es drum, ob ich ihnen nun eine ordentliche Schlägerei zutraue oder nicht. Ich bin froh, dass ich immerhin in dir einen Saufkumpel habe. Frauen und Alkohol, sag mir – Commodore - was haben wir nicht gemein?“ Er grinste, während er ihnen beiden noch einmal nachschenkte.
Lucien hatte gerade das Glas an den Mund gesetzt, als Rym mit dem Rest seiner wahrscheinlich ebenso betrunkenen Kombinationsgabe auf einen der Lockenköpfe schloss. „Hmhmm“, machte der Dunkelhaarige hinter seinem Glas und drückte damit so viel wie Zustimmung aus. Sogar fast ein bisschen beeindruckt, dass der Söldner überhaupt auf irgendjemanden hatte schließen können.
Den Rest des Whiskys hinter kippend und das Glas schließlich auf dem Tresen abstellend nickte der junge Captain nochmal, wischte sich mit der freien Hand über den Mund und grinste dann. „Der, der vorhin tanzen war.“ Nur, um dem Bärtigen vielleicht noch ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. Auch, wenn es eigentlich irrelevant war. Ging ja schließlich eher ums Prinzip.
Zufrieden, wie schnell sich sein Glas wieder füllte, lächelte Lucien seelig, lauschte Ryms Worten dabei mit halbem Ohr und grinste schließlich. Die tiefgrünen Augen lösten sich von seinem Getränk, kehrten zu seinem Gegenüber zurück, bevor er die freie Hand hob und mit gespreizten Fingern ein undefinierbares, aber unmissverständliches Volumen am Kinn anzudeuten. „Der Bart“, formte er die Worte mehr mit den Lippen als mit der Stimme, bevor er leise lachend mit seinem Glas gegen das Ryms anstieß, um ihm zuzuprosten. „Also auf die Frauen und den Alkohol. Und sollte dir in Zukunft wieder der Sinn nach einer anständigen Sauferei stehen, sag Bescheid. Dann bin ich dein Mann.“ Und damit kippte er sich seinen Whisky wieder hinter.