Dieses Forum nutzt Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies, um deine Login-Informationen zu speichern, wenn du registriert bist, und deinen letzten Besuch, wenn du es nicht bist. Cookies sind kleine Textdokumente, die auf deinem Computer gespeichert sind; Die von diesem Forum gesetzten Cookies düfen nur auf dieser Website verwendet werden und stellen kein Sicherheitsrisiko dar. Cookies auf diesem Forum speichern auch die spezifischen Themen, die du gelesen hast und wann du zum letzten Mal gelesen hast. Bitte bestätige, ob du diese Cookies akzeptierst oder ablehnst.

Ein Cookie wird in deinem Browser unabhängig von der Wahl gespeichert, um zu verhindern, dass dir diese Frage erneut gestellt wird. Du kannst deine Cookie-Einstellungen jederzeit über den Link in der Fußzeile ändern.


And you will try to do what you did before
Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Feb 2016
#4
Er hoffte inständig, das Skadi ihn nicht allzu lange mit ihrer Entscheidung auf die Folter spannte - wie auch immer sie ausfallen würde. Die Zeit, bis ein verdächtiges Zucken ihre Mundwinkel in Bewegung brachte, kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Und die Schwere, dass nichts in seiner Hand lag, hatte unangenehm auf seinen Lungen gelastet, während sein Herzschlag noch immer in seinem gesamten Körper pulsierte. Augenblicklich spiegelte sich ihr Grinsen auf seinen Zügen wieder, kaum dass ihn die Anspannung mit einem freieren Atemzug entwich. Sein Daumen strich ihr flüchtig über die Wange, ehe er die die Hände langsam über ihre Schultern sinken ließ. „Ich freu‘ mich drauf.“ Der Höhenflug hinterließ eine seltsame Leichtigkeit in seinem Körper. Euphorie, die er bis dato so nicht gekannt hatte. Seine Finger fanden sich schließlich auf ihrer Hüfte ein, drückten ihren schmalen Körper an sich, der noch immer ausgemergelt wirkte. Ein Umstand, der Liam gar nicht so bewusst auffiel wie manch anderem an Board. „Wir -“, begann er, wurde allerdings jäh von einem Geräusch unterbrochen, der vom Gefühl her nicht von seinem Magen gekommen war. „Hast du Hunger?“, fragte er und spähte überrascht von oben zu ihr herab. „Bist du eigentlich nur hier, weil sich in meiner Gegenwart meist was Essbares finden lässt?“ Skeptisch schob sich eine Augenbraue in die Höhe, sein neckender Tonfall allerdings sprach Bände.
Der Regen setzte ein. Im selben Moment, als Liam zu grinsen begann und Skadi für einen kleinen Moment nicht wusste, ob sie nicht geradewegs einen Fehler begangen hatte. Sie würde diesen Menschen immer wieder von den Füßen reißen - weil sie so grundverschieden wie ähnlich waren. Sicherlich. Der Lockenkopf hatte sich bewusst dafür entschieden und wirkte bei allen Göttern nicht, als wüsste er nicht bereits, dass es schwer mit ihr sein konnte. Doch war es wirklich richtig ihm das im vollen Bewusstsein anzutun, nur weil sie es wollte? Wie viel Egoismus konnte sie sich leisten, bevor es wie ein Rückstoß auf sie zurück fiel? Ihr Magengrollen riss sie jäh aus den Gedanken. Perlte wie die feinen Regentropfen an ihrem Körper hinab und ließ sie halb blind vom Wasser auf den Wimpern blinzeln. „Du… was Essbares?“ Sie schnaubte amüsiert. Wenn sie wirklich etwas brauchte, dann wären Shanaya und Rayon ihre Anlaufstellen. Die Unersättliche und der Smutje. Aber nicht der Luftikus Liam, der mit Musik und Unterhaltung aufwartete. „Nimm es mir nicht übel… aber deine Spezialitäten liegen eher im Trinken und Spaß haben.“ Ein verschmitzter Ausdruck schlich sie auf ihre Züge. Sie wusste, dass Spaß haben durchaus dehnbar zu verstehen war - eben wie sie es auch meinte. “Aber gegen etwas Dörrfleisch würde ich nichts sagen.“ Oder ein Spanferkel frisch vom Feuer. Nein. Zwei. Inklusive Kartoffeln und einer Portion Beeren.
Unscheinbar war das Lächeln auf seinen Zügen. Wie das eines braven Jungen, der insgeheim die größten Abenteuer erlebte, ohne es jedem unter die Nase binden zu müssen. Diese Einschätzung passte nicht nur buchstäblich zu ihm, sondern scheinbar auch metaphorisch. Er zuckte beiläufig mit den Schultern, als wäre er ganz zufrieden mit Skadis Vermutung, selbst wenn sie seinem Empfinden nach nicht ganz zutraf. Ein „Hm.“ begleitete seine Geste, während seine Augen ein offenes Geheimnis daraus machten, dass er diesbezüglich wohl etwas zu verbergen hatte. Etwas, woraus er eigentlich kein Geheimnis machte – nur eben auch keine große Sache. „Nur, weil ich es nicht immer an die große Glocke hänge.“ Der Regen fiel ihm im Grunde erst auf, als er die ersten Strähnen an Skadis Stirn klebte und die Dunkelhaarige unangenehm in den Regen hinaufblinzelte. Er mochte das Gefühl von Regen, von Regennächten ganz besonders. Im Grunde hatte er hier oben ja nur darauf gewartet, dass die Front sie erreichte. „Ohne eine gute Grundlage mach Trinken nämlich nur halb so viel Spaß.“ Kostete vermutlich auch nur die Hälfte, weil man den Pegel schneller erreicht hatte, aber für was sollte man sein Gold sonst ausgeben, wenn man nichts mitnehmen konnte? „Dann lass uns runtergehen und sehen, was wir finden.“ Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie sah nicht ganz so glücklich mit dem Wetter aus. „Für ein paar Minuten kommt die Sphinx auch ohne Wachposten aus.“ Auch, wenn sich das Wetter dazu anbot, sich heimlich an jemanden heranzuschleichen, aber sie hatten seit sie auf See waren, kein Schiff mehr gesehen. Die Wetterfront machte das Meer heimlich und heimtückisch zugleich.
Alkohol und seine berauschende Wirkungen genoss man eigentlich nur in guter Gesellschaft. Mit Menschen, denen man weit genug über den Weg traute, um am nächsten Tag nicht als Fischfutter zu enden. Denn gegenteilige Auswirkungen hatten sie vor einer Weile deutlich zu spüren bekommen. “Ich halte das zwar für eine schlechte Idee…“ Aber andernfalls hatte der Lockenkopf Recht. Sie hockten seit einer Ewigkeit an Deck. Den Blick aufs offene Meer gerichtet und hatten bisher keine fremden Schiffe oder seltsame Vorkommnisse beobachtet. Allerdings gab es Theater, wenn sie sich zu lang dort unten aufhielten. Besser sie nahmen alsbald die Füße in die Hände. “Ich frage mich allerdings wieso du heimlich Essen versteckst.“ Um immer etwas zur Besänftigung der Gemüter an Board zu haben? Vielleicht sollte sie ihm vorschlagen eine Sonderportion Kaffe mitzuführen, damit Talin nicht öfter als ihnen lieb war mit schlechter Laune durch den Tag schritt. Federleicht wandte sich die Nordskov auf den Zehenspitzen herum. Umfasste in der Drehung Liams freie Hand mit ihrer eigenen und wartete einen knappen Herzschlag, bis er sich in Bewegung setzte.
Wie bezeichnend dafür, dass sie aus verschiedenen Welten kamen. Für Liam war nichts dabei, den Posten kurz zu verlassen, um nach etwas Essbarem zu sehen. Nicht, weil er die Aufgabe nicht ernst nahm – viel mehr, weil er der kurzen Zeit keine sonderlich große Bedeutung zumaß. Wie viel Pech musste man haben, wenn ein feindliches Schiff genau den Moment abgepasst bekam, in dem die Sphinx lichtlos und unbewacht auf den Wellen schaukelte? Man sah ihn nicht – ob er hier war oder kurz in der Vorratskammer. Skadi hingegen war verantwortungsbewusster und nicht ganz so optimistisch auf ihr Glück zu sprechen nach alledem, was passiert war. „Es sind nur ein paar Minuten.“, versicherte er ihr im festen Glauben daran und schmunzelte, als sie ihm unterstellte, wie ein Eichhörnchen Essen zu verstecken. „Ich verstecke kein Essen. Mich fragt nur niemand, weil alle bei Shanaya ihr Glück versuchen.“ Er zuckte mit der Schulter. Es musste ja Vorteile haben, wenn man mit dem Smutje befreundet war. Trotz ihrer Bedenken wandte sich die Nordskov bereitwillig zum Abstieg. Er folgte ihr – nicht zuletzt, weil sie seine Hand mit sich nahm. Eine Geste, die ihm zwar nicht neu war, aber trotzdem irgendwie mit einer anderen Bedeutung daherkam. Bevor sie sich zur Treppe wandten, hielt er inne und griff nach der kleinen Kerze, die ihr Licht im Regen mittlerweile verwirkt hatte.
Als sie durch die Tür ins Trockene traten, ließ er sie hinter ihnen leise zurück ins Schloss fallen. Ein paar Streichhölzer hatte er tatsächlich noch in der Tasche. Er reichte den Kerzenständer Skadi und entzündete eines der Hölzer, damit sie sich nicht völlig blind die Treppe hinuntertasten mussten. „Welcher Tag ist heute eigentlich?“ Ihm war gerade in den Sinn gekommen, dass er am Morgen daran denken musste, den Tag in seinem provisorischen Kalender abzustreichen. Vielleicht konnte Skadi ihm helfen, sicherzustellen, dass er sich nicht verrechnet hatte. Im Normalfall war ihm das Datum nämlich relativ egal.
Sie wandte sich herum. Hörte die atmenden und schnarchenden Schemen mehr, als dass sie sie im ersten Moment in der plötzlich eintretenden Dunkelheit sah. Eine befremdliche Stille, die gefüllt war mit gleichmäßigen Klängen schwer oder schwach atmender, dafür leise wispernder Leiber. Sie vermutete nur wenige Meter weiter vor sich Trevors aufgeregtes Flüstern. Ein Wirrwarr zusammenhangsloser Worte, die kaum zu verstehen waren.. Wie in jeder Nacht, in der der Mond gleißend hell am Himmel stand und Skadi selbst jeglichen Schlaf raubte. Irgendwo in einer der hinteren Ecken hörte sie sogar Ceallagh, dessen Atemstöße einem verächtlich Schnaubenden gleich kamen und dieses Mal wohl nicht mit triefendem Sarkasmus an Alex gerichtet waren. Oder doch? Ein kurzes Schmunzeln ruhte auf ihren Lippen. Dann spürte sie Liams Hand an ihrem Oberarm und wandte sich, erst mit dem Kopf, dann dem Rest ihres Oberkörpers herum, um halb blind die Kerze entgegen zu nehmen. „Keine Ahnung.“, antwortete sie flüsternd und zuckte mit den Schultern. Auf diesem Schiff begann sie immer mehr ihr Zeitgefühl zu verlieren. Erst Recht wenn sie auf See waren und sie selbst nie wirklich wusste, wohin es sie verschlug. „Wieso?“ Ein Zischen durchfuhr die Stille. Gefolgt von gleißendem Licht, das sich knisternd auf dem noch feuchten Docht der Kerze zwischen ihren Fingern niederließ. Ob Liam ihr geantwortet hatte, wusste die Nordskov nicht mehr, als sie einen Herzschlag später noch immer seiner Silhouette folgte. An den Hängematten vorbei, die sie nur noch beiläufig aus dem Augenwinkeln wahrnahm. Darauf bedacht keinen Blickkontakt mit Alex zu haben, der mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit einem Raubtier gleich über den Rand seiner Hängematte lugte.
Die nächtlichen Geräusche auf dem Schiff waren ihm mittlerweile so vertraut, dass er sie nur noch in ihrem vollen Umfang wahrnahm. Monotones Schnarchen, durchsetzt mit dem ein oder anderen Ausreißer oder einem tiefen Seufzen eines Schlaflosen, der das Pech gehabt hatte, nicht vor dem Aufbäumen des nächtlichen Orchesters eingeschlafen zu sein. Statt die Geräusche einem bestimmten Gesicht zuordnen zu wollen, war er Gedanklich bereits wo anders, ärgerte sich insgeheim darüber, es wieder vergessen zu haben und womöglich doch noch einmal Enrique fragen zu müssen, als Skadi ihm keine wirkliche Gedankenstütze liefern konnte. „Ach, nichts bestimmtes.“, log er mit einem unschuldigen Schmunzeln auf den Lippen und winkte mit einer beiläufigen Handbewegung ab. „Schaust du, was sich Essbares finden lässt, ohne Rayon zu wecken? Ich komm‘ gleich.“, fuhr er direkt fort, um sie vom Thema abzulenken und sich die kleine Überraschung für den richtigen Augenblick aufheben zu können. Unten angekommen wandte er sich statt in Richtung der Kombüse den Schlafplätzen zu und tastete sich vorsichtig durch die Dunkelheit. Irgendein Leib drehte sich mit einem Seufzen in seiner Hängematte, doch es blieb still. Liam versuchte, möglichst leise seine Truhe zu öffnen, bis er die Hand durch einen Spalt hineinschieben konnte. Er musste kurz kramen, zog dann aber ein unordentlich zusammengelegtes Stück Segelstoff aus der Unordnung. Leise fiel der Deckel der Truhe wieder zu und er kehrte möglichst ohne Berührung mit einer der übrigen Händematten zurück in den schwachen Schein der Kerze, die er Skadi überlassen hatte. Als ihr Licht reichte, um sich zu vergewissern, dass er das richtige aus seiner Truhe gezogen hatte, breitete er die Plane in seinen Händen unfertig aus und klemmte sie sich unter den Arm. Es war die Plane, die Alex und er oftmals nachts als Unterschlupf genutzt hatten, weil sie mäßigem Wind und Wetter standhielt. .
Liams Schmunzeln war kaum im schwachen Licht der Kerze auszumachen. Doch der Ton, der in seinen Worten mitschwang, machte deutlich was Skadi nicht sehen konnte: kindliche Vorfreude. Beinahe hätte sie in einem ersten Impuls tief ausgeatmet. Doch das Flackern der kleinen Flamme wenige Zentimeter unterhalb ihres Gesichts hielt sie davon ab. Jetzt im Dunkeln zu stehen mochte vielleicht schlimmer sein, als seine Geheimniskrämerei. „Renn du lieber nicht gegen irgendwelche Hinterteile.“ , gab sie ihm zurück und wandte sich bereits ab, kaum das Liam zwischen den Hängematten verschwand. Womöglich war es von Vorteil seit mehreren Monaten auf diesem Schiff umher zu geistern – zumindest umging die Nordskov einige Bohlen und Ecken des Raumes, in denen es für ihre Zehen oder den Schlaf der anderen gefährlich werden konnte. Erst Recht, da Rayon unmittelbar neben der Kajüte schlief und Skadi, wann immer sie Nachtdienst hatte, glaubte, dass der Smutje heimlich ein Auge auf alles richtete. Über den Rand seiner Decke hinweg und mindestens genauso lauernd wie Alex. Seufzend kehrte sie einen Augenblick später aus der Kammer heraus. Lediglich mit zwei winzigen Streifen Pökelfleisch in den Händen. Viel war nicht zu holen gewesen. Die Reparatur des Schiffes hatte deutlich an ihren Reserven gezehrt und die Rationen waren bis auf den letzten Krümel abgezählt. Und es sich mit dem hochgewachsenen Smutje zu verscherzen, der vielleicht augenscheinlich friedlich und besonnen wirkte, war etwas, dem Skadi gern entgegen wirkte, so sie denn konnte.
Noch bevor er wieder zum Aufgang aufgeschlossen hatte, hielt er inne und machte kurzerhand noch einmal kehrt, um zu seiner Hängematte zurückzukehren. Mit einem schnellen Griff zog er die Decke heraus, klemmte sie zur Plane und tastete sich durch die Dunkelheit zurück dem Licht entgegen. „Fündig geworden?“, fragte er und wandte sich bereits wieder der Treppe zu, die sie zurück auf ihren Posten führen würde. Die Ausbeute schien mau, doch Liam war gut genug mit Rayon befreundet, um zu wissen, wie eng kalkuliert die Rationen waren. Vor allem, wenn man eine plündernde Shanaya mit einrechnen musste. Die Regenfront über ihnen schien sich inzwischen eingeregnet zu haben. Aus dem Nieselregen waren etwas schwerere Tropfen geworden, die mit einem leichten Rauschen um sie herum ins Meer und auf Deck fielen. Liams Augenbrauen zogen sich kurz zusammen, als er den Arm hob um seine Augen vor dem Regen schützte, ehe er sich an Skadi wandte, die noch in der Tür stand. „Scheint, als wäre es erstmal vorbei mit der gemütlichen Nachtschicht. Aber immerhin ist die Sphinx dadurch so gut wie unsichtbar.“ Er trat gänzlich hinaus in den Regen und ließ den Blick  über den dunklen Horizont schweifen, während er wieder auf die Fässer zuging. Er ließ die Decke fallen, breitete die Plane aus und klemmte sie kurzerhand hinter die Fässer, zog sie nach vorne und schütze die dadurch entstandene Nische so vor Wind und Wetter. Die Decke diente als Polter. Holzdielen wurden mit der Zeit eben doch sehr unbequem. „So.“, offenbarte er schließlich sein Wert mit einem kindlichen Schmunzeln. „Vielleicht nicht die schönste Deckenburg, die du je gesehen hast, aber hoffentlich wenigstens zweckmäßig.“
„Wie man es nimmt.“ Liam war endlich zurückgekehrt und wirkte deutlich sperriger bepackt als zuvor. Skeptisch musterte sie die Bündel unter seinem Arm, während sie ihm die Treppe hinauf folgte und beim Anblick des Regens einen Moment stehen blieb. In winzigen Sturzbächen rauschte das Wasser vom Himmel herab. Ein Wetter, dass sie vielleicht nicht scheute, doch das auf offener See einfach nur unangenehm war. “Du findest auch in jeder Situation irgendetwas positives, oder?“ So war Liam nun einmal. Seitdem sie ihn eigentlich wirklich kannte – nicht nur den Kampf scheuenden Fremden, der ihr eine Kopfnuss verpasst und ihre Nase zum Bluten gebracht hatte. Manchmal beneidete sie ihn ein wenig um dieses Talent. Es machte so vieles einfacher, als sich ständig über jedes kleinste Detail den Kopf zu zerbrechen. Mit einem schwachen Kopfschütteln folgte sie ihm, ein schmales Lächeln auf den Lippen. Beobachtete seine Bewegungen und beäugte das Konstrukt aus Fässern und Stoff mit zur Seite geneigtem Kopf. „Wieso haben wir das nicht schon vorher gebaut?“ Ein Lachen klang in ihrer Stimme mit. Verhallte, während sich die Nordskov auf die Knie sinken ließ und unter die Plane krabbelte. „Du bist immer wieder für Überraschungen gut.“
Das Schmunzeln auf seinen Zügen verriet, dass er die Skepsis in ihrem Blick für den Moment tatsächlich genoss. So simpel, wie seine Idee eigentlich war – die Nordskov schien sich vorerst nichts unter den Utensilien vorstellen zu können, die er dabei hatte. „Das Negative ist meistens offensichtlicher, aber niemals alleine.“ Wäre er allein gewesen, hätte er vermutlich im Regen gestanden, bis die Schiffsglocke die nächste Schicht zu ihren Pflichten gerufen hätte. Er mochte Regen, mochte die Stille und Ruhe, die er mit sich brachte. Die meisten Menschen allerdings flohen lieber in ihre Häuser, wenn sie nicht zwangsläufig draußen arbeiten mussten. Da war es doch das Mindeste, Skadi zumindest eine kleine Hütte zur Verfügung zu stellen. „Weil wir dann die Aussicht hätten aufgeben müssen.“, antwortete er. „Ich habe leider noch nicht herausgefunden, wie man bei dieser Bauweise geschickte Fenster hinbekommt.“ Er ging in die Hocke und ließ der Nordskov den Vortritt in ihr sporadisches Wachhäuschen, ehe er hinterher krabbelte und sich neben sie setzte. „Diese Plane hat uns schon so manche nasse, stürmische Nacht gerettet. Einmal nur hat sie nicht gehalten und ist davongeweht worden. Wir saßen also solange im Regen, bis der Sturm nachließ und wir uns endlich am Feuer trocknen konnten. Und wie der Zufall es so wollte, haben wir sie danach trotzdem unversehrt wiedergefunden.“
„Zur Not bauen wir sie den Unterschlupf auf dem Achterdeck. Von dort hat man überall hin eine gute Aussicht.“, wandte Skadi ein und zog die Knie bis an die Brust heran. Nur die Spitzen ihrer Schuhe ragten unter der Plane hervor, auf dessen Oberfläche die Wassertropfen geräuschvoll aufschlugen und dort das Leder dunkel färbten. “Wenn ihr es nicht einmal in eine Höhle, ein Haus oder Dickicht geschafft habt, müsst ihr an seltsamen Orten unterwegs gewesen sein.“ Zumindest die Nordskov konnte sich kaum eine Landschaft ausmalen, in der nicht zumindest eine große Reihe an hoch gewachsenen Bäumen stand. Abgesehen vielleicht dort, wo sie als Kind Rúnar begegnet war. In der ewigen Kälte aus Eis und Schnee. “Wie geht’s dir eigentlich damit, dass er wieder da ist?“ Sie schenkte Liam einen knappen, aber deutlichen Seitenblick .
„Dort ist die Sphinx aber auch deutlich hellhöriger, wenn alle schlafen.“, bemerkte er und sein Blick wanderte in die Richtung des Aufbaus, unter dem zusätzlich noch die Kapitänskajüte verborgen war. Und Liam brachte die Zeit gerne damit herum, auf seinen Instrumenten leise vor sich hinzuspielen. Das letzte, was er dabei wollte, war, die anderen um ihren wohlverdienten Schlaf zu bringen. Allein schon, weil er seine Geige nicht zum Opfer irgendeiner schlaflosen Wut machen wollte. „Es war mitten in der Nacht und irgendwann ist leider auch das dichteste Dickicht durchnässt im Sturm. Ich meine, wir hatten Glück. Es ist nichts kaputt gegangen und alles trocknet bekanntlicher Weise irgendwann. Wir sind eben quer durch die Wildnis marschiert.“ Liam runzelte die Stirn und überlegte, wo genau sie dort gewesen waren. Wenn er sich nicht völlig täuschte, waren sie kurz darauf Ceallagh über den Weg gelaufen, während ihn die zurückliegende, kalte und nasse Nacht in die Knie gezwungen hatte. „Das müsste auf Calbota gewesen sein.“ Oder sie waren zumindest zeitnah nach Calbota übergesetzt. Ein schwaches Lächeln umspielte seine Mundwinkel bei den Erinnerungen, ehe Skadi seine Gedanken wieder in andere Gefilde holte. Weniger schöne, weil sie unweigerlich wieder Konflikte mit sich bringen würden, von denen der Lockenkopf vorerst eigentlich genug hatte. „Alex?“, fragte er und schindete damit etwas Zeit. Dann seufzte er, lehnte den Hinterkopf an das Holz der Reling und schielte seitlich zu Skadi hinüber, deren Kontur im Schein der Kerze deutlich zu erkennen war. „Er ist wie ein Bruder für mich, Skadi. Und ich weiß bei ihm, dass er alles daran setzen würde, meinen Vater zu finden, sollte mir etwas zustoßen. Um ihm Gewissheit zu bringen.“ Diese Aussage ging ihm nur halb so schwer von den Lippen, wie sie sich vermutlich anhören musste. Er klang sachlich, abgeklärt. „Ich weiß, dass er nicht immer einfach ist. Aber er ist einer von den Guten. Auch, wenn er das selbst vermutlich am wenigsten hören will.“
Es war nicht worauf sie hinaus gewollt hatte. Eigentlich hatte sie sich kaum etwas bei ihrer Frage gedacht. Wollte vielmehr wissen, wie es Liam ergangen war in den Wochen, in denen sie ihn rigeros gemieden und umgangen hatte. Sicher. Liam hatte ihr bereits berichtet, dass sie viel unterwegs gewesen waren. Womöglich ähnlich entspannt und losgelöst wie zu guten alten Zeiten. Doch nur, weil es leicht aussah, musste es nicht bedeuten, dass es das für den Musiker auch war. “Das war zwar nicht, was ich meinte, aber klingt zumindest, als würdest du dich gut dabei fühlen, dass er zurück ist.“ Ein kurzes Schmunzeln überzog ihre Lippen. Dann wandte sie den Kopf zurück in Richtung des Schiffes. “Meinst du wir treffen auf unserer Route auch Lubaya?“
Die Ehrlichkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er blinzelte, beugte den Kopf ein Stück nach vorne und blinzelte Skadi an. Er wollte nicht, dass sie dachte, dass er ihren Fragen auswich oder sie absichtlich missverstand. „Was meintest du dann?“ Besonders nicht jetzt, nicht heute, wo Normalität wieder in greifbare Nähe gerückt war. Liam wusste, dass Skadi zu scheu war, von jetzt auf gleich hinter sich zu lassen, was die letzten Wochen zwischen ihnen gestanden hatte. Egal was er sagte oder tat; egal, worauf sie sich einigten und wie offen sie miteinander waren. Ihre Scheu blieb. Und er wollte nichts in aller Welt tun, um sie zu nähren. „Wir werden sehen, was die Zeit bringt. Und ob es uns in die dritte Welt führt oder sie wieder mit ihrem Bruder auf See.“
“Mh…” Eine kurze Pause zog sich zwischen seine Frage und ihre Antwort. Ehrlich gesagt hatte sie kaum damit gerechnet, dass Liam nachhaken würde. Weil es theoretisch nicht schlimm war und keinen wirklichen Unterschied machte. “Ich meine… ihr habt euch so lange nicht mehr gesehen. Und es ist so viel passiert. Bei dir, wie sehr wahrscheinlich auch bei ihm. Das kann Dynamiken verändern. Ob man das will oder nicht. Und … na ja…” Wieder wandte sie den Kopf von den dunklen, nassen Planken ab, direkt auf Liams Gesicht. “… weil wir so lange nicht gesprochen haben und ich mir selbst kein Bild von euch machen konnte… wollte ich einfach wissen, wie es dir damit geht.“
Liam unterbrach sie nicht. Anfangs, weil er das ungute Gefühl nicht loswurde, dass nun irgendetwas kommen würde, bei dem er vorsichtig antworten musste. Dann, weil er erleichtert war und ihm das Interesse Skadis durchaus schmeichelte. Das Lächeln kehrte auf seine Züge zurück und er hatte keinen Grund, ihrer Sorge zu misstrauen – auch nicht, obwohl er wusste, dass Alex und sie nicht unbedingt in den nächsten Tagen und Wochen zu besten Freunden wurden. „Aber Familie bleibt Familie.“, meinte er leichtfüßig, weil er bislang noch keine anderen Erfahrungen in seinem Leben gemacht hatte. Er vertraute Alex. Er vertraute ihm im Zweifel auch sein Leben an. Jetzt wie vor einem halben Jahr. Er hob die Hand und legte sie beruhigend auf Skadis Bein an seiner Seite. Weil er nicht wollte, dass sie sich nun erneut darüber Gedanken machte. Vergeben und vergessen. „Es ist schön, wieder ein gemeinsames Ziel zu haben und sich die Abende und Nächte zusammen um die Ohren schlagen zu können. Auch, wenn es uns nun nicht in die eigentlich geplante Richtung bringt.“
Familie blieb Familie. Ob jene, die man sich aussuchte, oder die, in die man zwangsläufig hinein geboren wurde. Wieso sich die Nordskov augenblicklich unwohl fühlte, war ihr selbst nicht wirklich klar. Vielleicht weil ihr klar wurde, welchen Stellenwert Alex in Liams Leben besaß. Ganz gleich wie weit entfernt er auch war. Und sie sich in diesem Augenblick, unter all den Umständen und Geschehnissen der letzten Tage mehr denn je wie ein Fremdkörper darin vorkam. Es wunderte sie nicht, dass der Dunkelhaarige nichts mit ihr anfangen konnte. Sie würde es wohl selbst nicht. An seiner Statt. Doch Liam vergönnte ihr einen weiteren Gedanken daran. Legte seine Hand auf den klammen Stoff ihrer Hose und brachte die Nordskov mit einem tiefen Seufzen in Schieflage. Langsam bettete sich ihr Kopf an seiner Schulter. Wandte sich herum, bis ihre Stirn die warme Stelle berührte, unter der seine Haut pulsierte. Schloss die Augen und fuhr mit den Fingerspitzen die spürbaren Adern auf seinem Handrücken nach. „Aber wer wärt ihr schon, euch an Pläne zu halten, nicht wahr?" Sie klang belustigter, als sie aussah. Doch das konnte Liam nicht sehen. "Hoffentlich treffen wir irgendwann noch auf Lubaya... ich habe ihm Gefühl, dass ich mich mit ihr besser verstehen werde."
Die Schwere, die in Skadis Stimme mitschwang, bezog Liam nicht direkt auf Alex, sondern viel mehr auf das, was sie in sich verschlossen hielt. Komisch war sie auch schon gewesen, bevor er auf Alex getroffen war. Demnach schrieb er seinem Freund im Augenblick nicht sonderlich viel Bedeutung zu. Innerlich rechnete er aber trotzdem damit, dass dieser Hauch von Normalität nicht lange andauern würde. Ein Grund mehr, weshalb er sich vornahm, es zu genießen, Kraft daraus zu ziehen und die nächsten Tage und Wochen besser mit ihren Höhen und Tiefen umzugehen. Dass sie keinen Abstand wollte, hatte sie ihm nun immerhin deutlich gesagt – was es sonst war, galt es noch herauszufinden. Aber nicht heute, nicht jetzt. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, ihrer Atmung zu lauschen und ihre Finger zu spüren, die sanft über seinen Handrücken strichen. „Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass wir auch nur einmal auf einem direkten Weg waren.“, lächelte er leise, aber zufrieden. „Andererseits würde das auch implizieren, dass wir ein wirkliches Ziel hatten.“ Ihr Ziel allerdings hatten sie durchgehend unter den Füßen gehabt statt vor Augen. Es war kein Ort. Es war ein Leben. Als sie ihn an Lubaya erinnerte, verlor sich sein Blick für einen Moment auf ihrer beider Hände. „Das wäre schön, ja.“, stimmte er ihr zu. Wie es Lubaya wohl ging? Wo sie war? „Ich glaube auch, dass ihr euch gut verstehen würdet. Ganz zu Alex‘ Leidwesen.“ Ein hörbares Grinsen mischte sich in seine Stimme. „Ihr Optimismus und ihre Sturheit hat ihn regelmäßig zur Weißglut getrieben, aber letztlich hat sie immer bekommen, was sie wollte.“
Allein die Vorstellung wie Alex schäumend vor Ungeduld und Frust die bittere Pille schluckte, die Lubaya ihm in den Rachen drückte, hinterließ so etwas wie Genugtuung in der Nordskov. Immerhin gab es noch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. Was sie zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht ahnte - dass das Schicksal sie an Alex und seine Verschwiegenheit binden würde. In naher Zukunft, in der nichts mehr von dieser friedlichen Ruhe übrig blieb, die sie immer wieder in Liams Nähe fand. „Jetzt kann ich es noch weniger erwarten, sie kennenzulernen.“, perlte es hörbar amüsiert über ihre Lippen. „Wer Alex die Sporen geben kann, muss so etwas wie magische Fähigkeiten besitzen.“ Ihr war klar, dass das albern war. Doch letztlich zeugte es von irgendeiner Art Können, dass er sich freiwillig ergab. Alex schien nicht der Typ Mann, der sich gern sagen ließ, was er zu tun hatte. Erst Recht, wenn er es nicht wollte. Sie musste ihm also irgendwie genug ans Herz gewachsen sein, dass er sich breitschlagen ließ. Und irgendwie, waren sie und Alex sich da nicht gänzlich uneins. „Was hältst du davon, wenn wir beim nächsten Landgang einen kleinen Ausflug machen? Raus aufs Land?“ Nur zu zweit. Ohne die anderen. Um Abstand zu gewinnen. Um aufzuholen, was sie durch ihre Zwangspause verpasst hatten.
Liam seufzte leise. Nicht unglücklich, aber er empfand noch immer leises Unverständnis für die Fronten, die sich zwischen Alex und Skadi aufgebaut hatten. In erster Line dank Alex – er kannte ihn immerhin – Und scheinbar hatte er sich bislang schon genügend Mühe gegeben, um auch Skadi auf Abwehrkurs zu bringen. Er erinnerte sich gar nicht mehr so genau daran, wie es damals bei Lubaya gewesen war. Vielleicht wollte er sich gerade aber auch gar nicht daran erinnern. „Er ist einer von den Guten.“, nahm er ihn abermals leise in Schutz und senkte den Blick. „Auch, wenn er das selbst nicht gerne wahrhaben will.“ Ob Skadi ihm das glauben konnte, wagte er zu bezweifeln. Immerhin gab sich der Ältere alle Mühe dabei, das Gegenteil zur Schau zu stellen. Bei Skadis Vorschlag sah er auf und musterte ihre erhellten Züge einen Moment ein wenig überrascht. Dann aber wandelte sich die Überraschung zu einem schwachen Lächeln. „Wandern meinst du? Oder was schwebt dir vor?“, fragte er mit leiser Vorfreude in der Stimme. Es war ewig her, dass er wirklich wandern gewesen war. „Wenn uns dort keine Kopfgeldjäger, Schläger oder Marinesoldaten empfangen, bin ich für alles zu haben.“ Liam schmunzelte, was seiner Aussage gewiss die Schärfe nahm, ehe er den Kopf zur Seite drehte. „Und wenn du auf die andere Seite der Insel laufen willst, wo uns die anderen abholen können.“, hauchte er in Skadis feines Haar. Er würde den Teufel tun, und diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: And you will try to do what you did before - von Liam Casey - 09.02.2022, 23:26

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste