07.02.2022, 17:22
Die Antworten fielen knapp aus, weil Soula versuchte, sich auf das Geschehen zu konzentrieren. Worte lenkten sie ab und wenn es zu einer Schießerei oder irgendetwas Schlimmeren kommen sollte, dann war ihre Reaktionsfähigkeit eingeschränkt und das wollte sie in dieser ungewohnten Situation ungern riskieren. Für alle anderen an Deck war das vielleicht eine bekanntere Situation, für Soula war es eher neu und sie konnte weder das Schiff noch die Menschen oder die Vögel einschätzen. Alles war ihr fremd und das machte ihr zu schaffen. Ihr Blick haftete auf dem anderen Schiff, den Geschehnissen, dem jungen Mann, der sich mit Lucien unterhielt. Sie bemühte sich, dass ihrem Blick nichts entging und dennoch lenkte sie ihn zurück auf Alex, als er sich darüber beschwerte, dass jemand wohl etwas tat, das ihm nicht ganz in den Kram passte. Auf dem Hauptdeck sah sie Liam mit Skadi, Isala, Rúnar und Greo. Soula konnte weder Skadi noch Liam einschätzen, da war Alex wohl näher dran und er schien ein wenig besorgt zu sein. Sie hatte immer noch das Gefühl, dass zwischen Alex und Skadi nicht alles so gut lief, wie sie es ihr glauben machen wollten. Soula hätte mehr nachgefragt, wenn ihr nach Plaudern zumute gewesen wäre. War es nur leider nicht und Alex Frage, was Skadi da unten tat, konnte sie ihm auch nicht beantworten. Deswegen besah sie sich lediglich die Szenerie und wartete bereits darauf, dass Alex sich zu der Gruppe gesellte. Skadi verließ die Gruppe kurz darauf wieder. Würde Liam sein Vorhaben weiterhin durchziehen? Das war wohl die große Frage und ihre Aufmerksamkeit lag deswegen noch einen Moment länger auf Liam.
Als Alex sich wieder dem Geschehen auf dem anderen Schiff zuwandte, sah sie zu ihm rüber. Im Hinterkopf hatte sie weiterhin dauerhaft den Gedanken an den Mast, der Schutz bieten konnte, falls etwas passierte. Die Frage, die ihr gestellt wurde, war ziemlich einfach zu beantworten:
„Ein bisschen.“
Es war nicht nötig, in einer Situation, mit der sich Soula nicht mal im Ansatz auskannte, die Starke zu spielen. In so einem Moment war sie lieber sie selbst und auch wenn sie versuchte das Beste aus sich herauszuholen, konnte man dennoch irgendwo Angst verspüren. Sie selbst würde sich als dumm bezeichnen, wenn sie das nicht spüren würde. Dann hätte sie völlig den Verstand verloren. Eingeschüchtert war sie trotzdem nicht. Es war nicht so, dass ihr solche Zusammentreffen nicht im Kopf herumgespukt waren, als sie an ihre Zukunft gedacht hatte. Ein passendes Ende hatte sie sich nur nie ausmalen können und sie hätte auch nicht gedacht, dass sie sich so schnell bei solch einer unliebsamen Begegnung wiederfand. Nun, so war es jetzt und Soula versuchte das alles zu begreifen. Ob sie es bereute? Wenn sie sich vorstellte, was sie auf Calbota erwartet hätte, wenn sie nicht mehr länger die Chance dazu gehabt hätte wegzulaufen, dann war das hier doch das angenehmere Schicksal für sie. Soula schüttelte den Kopf, auch wenn Alex das gar nicht sehen konnte. Vielleicht war diese Bewegung auch mehr für sie selbst.
„Nein. Auf keinen Fall.“
Wieder eine recht knappe Antwort, allerdings war sie jetzt und hier nicht bereit tiefgreifender darüber zu sprechen, obwohl sie sich aktuell sicherer fühlen würde etwas zu erzählen, als noch in der Taverne auf Calboat. Allerdings war sie grundlegend einfach zu angespannt dafür. Das änderte sich, als Alex sich (hoffentlich) einen kleinen Scherz erlaubte. Soula machte sicher nicht den Eindruck, als wäre sie eine super Kämpferin, auch wenn es vielleicht klug wäre, wenn sie sich auf Dauer nach einer Waffe umsah, mit der sie auch wirklich umgehen konnte. Immerhin befand sie sich schon lange nicht mehr auf sicherem Terrain und es wäre ein Vorteil, wenn sie sich wenigstens verteidigen konnte. Sie hatte nicht vor jemanden ernsthaft umzubringen, davon war sie noch zu weit weg.
Soula fing Alex’ Blick auf und schmunzelte: „Hmm… und wenn es so weit ist, freue ich mich schon darauf dich zu enttäuschen.“
Offensichtlich hatten sie in der Hinsicht ganz ähnliche Erwartungen. Soula beobachtete ebenfalls Tarón und den Fremden, die so eben auf dem Deck angekommen waren. War er etwa der einzige, der seine Chance nutzen wollte? Das wäre wirklich traurig. Hing die restliche Besatzung wirklich so wenig an ihren Leben?
„Unvorstellbar, wenn er der einzige ist, der überleben möchte.“