06.02.2022, 10:38
Ein Grinsen lag noch auf ihren Lippen, nachdem sie diese verschlossen hatte und ebenso auch dann noch, als sie sich – angetrieben von Shanaya – vorbeugte, um den geflüsterten Worten des anderen Mädchen zu lauschen. Auch bei ihrer rhetorischen Frage konnte sie nicht anders, als zu schmunzeln. Wem sollte sie so ein Geheimnis denn verraten? Außer Lucien, um den es bei dieser Angelegenheit ja nun einmal ging. Doch das Lächeln wurde von ihrem Gesicht gewischt und ihr Herz verkrampfte sich für einen Moment, ebenso ihr Körper. Sie wollte aufspringen und fuchsteufelswild irgendetwas durch die Gegend werfen, dafür hätte sich sicher der Teller angeboten. Doch sie ließ es, blieb still sitzen und zwang sich dazu, tief durchzuatmen, bevor sie ihre Stirn in Falten legte. Sie schluckte ein paar Mal angestrengt und räusperte sich schließlich, bevor sie Shanaya ansah und ihrer gerunzelten Stirn eine hochgezogene Augenbraue hinzufügte. „Ihr hattet Sex? Wirklich jetzt? Obwohl du es als versaut bezeichnest, klingst du ziemlich trocken und wie soll ich sagen...gelangweilt? Sag bloß, es hat dir nicht gefallen?“ Sie machte ein entsetztes Gesicht und schlug sich die Hand vor den Mund, als könne sie es nicht glauben. Ihr eigener Witz hörte sich in ihren Ohren lahm an, aber sie schaffte es irgendwie, dennoch die Sorgen und Ängste zu verdrängen. Hatte Shanaya ihr nicht versprochen, dass es nicht so wie mit Sara enden würde?
Was Talin wirklich zu ihren Worten durch den Kopf ging, würde Shanaya vielleicht nie erfahren. Die Regungen auf dem Gesicht der Blonden entgingen ihr dafür nicht. Tja, so etwas wollte eine Schwester nicht hören. Sie selbst hätte sich wohl in eine Ecke gestellt und sich ausgiebig übergeben. Die Blonde wirkte zumindest nicht so vollkommen verstört, fragte noch einmal genau nach. Die Schwarzhaarige konnte nur nicht wirklich zuordnen, ob die Überraschung ihrer Freundin nun gespielt war - oder nicht. Was vielleicht daran lag, dass sie versuchte, ihr schnell schlagendes Herz ein wenig zu beruhigen. Dennoch legte sich ein vielsagendes Lächeln auf ihre Lippen. „Eine Lady genießt und schweigt.“ Ob der Blonden das genügte? „Wieso willst du das so genau wissen?“
Irgendwann würde ihre Augenbraue mit Sicherheit in ihrem Haaransatz verschwinden, wenn sie diese weiter so hochzog. Wirklich? Kam Shanaya ihr wirklich mit diesem Spruch? Talin konnte es fast nicht glauben. Aber wirklich darüber aufregen konnte sie sich auch nicht, denn wie konnte sie ihr Interesse an der Manneskraft ihres Bruders erklären? Nun, eigentlich war das gar nicht so schwer. Ein Grinsen huschte über ihre Lippen. „Was für eine dumme Frage. Du bist die Erste, mit der ich über ihn herziehen könnte, wenn er schlecht im Bett wäre und das könnte ich ihm ganz wunderbar unter die Nase reiben.“ Mit einem kleinen Seufzer beugte sie sich vor und stützte den Arm auf einem Bein ab und das Kinn auf eine Handfläche. „Aber wenn du selbst sagst, dass du genießt und schweigst, heißt das wohl, dass es nichts zum Lustigmachen gibt und du das Ganze dann wohl mit ihm wiederholen würdest.“ die Blonde warf der Freundin einen schrägen Seitenblick zu.
Shanaya wusste nicht, was in Talins Innerem vor sich ging, sie hatte nicht einmal eine Ahnung. Die Schwarzhaarige versuchte, die Regungen auf dem Gesicht ihrer Freundin zu deuten, scheiterte jedoch, noch immer zu sehr von dem eigenen Wirrwarr im Kopf abgelenkt. Ihr Grinsen huschte dann über das Gesicht ihres Gegenübers, verwirrte die junge Frau einen Moment. Was sie dann sagte, entlockte Shanaya jedoch ein leises Lachen. Soso. Einen Moment stellte die Schwarzhaarige sich das Gespräch zwischen den beiden vor, schüttelte dann jedoch den Kopf und konzentrierte sich wieder auf Talin. Sie hob jedoch nur vielsagend eine Augenbraue, setzte einen Blick auf, der eine stumme Zustimmung ausdrückte. „Tut mir Leid, wenn ich dich enttäuschen muss.“ Für einen Moment noch schwang etwas witzelndes in der Stimme der jungen Frau mit, ehe der Ausdruck auf ihrem Gesicht sanftere Züge annahm. „Und wie du merkst, ändert sich deswegen nichts zwischen uns beiden.“
Der Gesichtsausdruck ihres Gegenübers war Antwort genug und Talin beschloss für sich allein auszumachen, was sie davon hielt. Nicht jetzt, vermutlich auch nicht sobald sie und Shanaya sich getrennt hatten, aber sehr bald. Denn das musste sie tun, wenn sie wollte, dass alles so blieb, wie es bis jetzt war. Es kam ihr so vor, als würde die Dunkelhaarige ihre Gedanken lesen, den Worten des Mädchens zufolge. Talin erwiderte das Lächeln der anderen, sagte aber nichts. Es änderte sich nichts zwischen ihnen? Doch, dass tat es, auch wenn es nicht sofort sein würde. Talin war unsicher – ein Gefühl, dass ihr nicht besonders gefiel – wie sie ihre Gedanken ausdrücken sollte. Das einzige was ihr zu Shanayas Worten einfiel war ein ‚Noch nicht‘. Aber das würde sie nicht aussprechen. Nicht bei der Überzeugung, die das andere Mädchen in sich trug. Stattdessen wandte die Blonde den Blick ab und sah hinauf in den Himmel, immer noch mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. „Hat das Techtelmechtel denn geholfen? Konntest du dir über deine eigenen Gefühle klar werden?“
Vollkommen ruhig beobachtete Shanaya ihr Gegenüber, während Talin erst einmal nicht wirklich reagierte. Zu gern hätte die junge Frau gewusst, was im Kopf der Blonden vor sich ging. Sie zeigte nicht viel nach außen und so konnte Shanaya nur mutmaßen, ob sie ihr zu stimmte – oder eben nicht. Sie lächelte, aber stimmte sie ihr damit zu? Oder lag ihr etwas auf der Zunge, was jedoch nicht ausgesprochen werden würde? Und ihr Blick, der schließlich zum Himmel führte, war für Shanaya auch nicht unbedingt zielführend. So war es noch schwerer, aus ihrer Freundin zu lesen. Die Frage der Frau ließ die Dunkelhaarige schließlich kurz die Augen schließen, einmal lautlos tief durchatmen. Natürlich fragte sie auch das erneut. „Da gibt es nach wie vor nichts, worüber ich mir im klaren werden müsste.“ Trotzdem fragte sie sich, wieso Talin sich genau dafür so interessierte. Scheinbar ja genug, dass sie noch einmal nachfragen musste.
Ihr Blick blieb an einem Stern hängen, der langsam erstrahlend, zu flackern schien, während er gegen die untergehende Sonne ankämpfte. Die Zeit, die sie auf eine Antwort des anderen Mädchens wartete, schien sich von selbst in die Länge zu ziehen, während es gleichzeitig nur ein kurzes Flackern des Sterns benötigte, bis Shanayas Worte zu Talin durchdrangen. Einen Moment schwieg die Blonde, ließ die Antwort auf sich wirken, bevor sie sich schließlich wieder Shanaya zu wandte und sie ernster als vorher ansah. Ernst, aber auch besorgt. Es war nicht das erste Mal, dass sie Sorge fühlte, gewiss nicht, aber normalerweise richtete sich das immer an Lucien. Vielleicht bedeutete das ja wirklich, dass sie sich mit der Dunkelhaarigen angefreundet hatte. Und das es um so mehr wehtun würde, wenn Shanaya ihr in den Rücken fiel. „Ich weiß, dass du das glaubst. Das da nichts weiter ist zwischen dir und Lucien. Aber Shanaya...auch wenn ich dich noch nicht so lange kenne, meine ich doch eine Sache über dich zu wissen: Würdest du dich, nachdem du ein paar Monate mit einem Mann herum geschäkert hast, wirklich mit ihm in die Kiste springen, wenn nichts zwischen euch wäre?“ Ihr Blick hielt die blauen Augen fest, wollte nicht, dass die Dunkelhaarige ihr auswich. Vielleicht war Talins Theorie weit hergeholt, aber nachdem, was sie von der Meinung der Jüngeren über Huren erfahren hatte, glaubte Talin nicht, dass Shanaya Sex auf die leichte Schulter nahm. Schon gar nicht mit jemanden, den sie nicht wirklich mochte.
Talin schien heute in… eher melancholischer Stimmung zu sein. Anders konnte Shanaya sich nicht erklären, wieso sie nach ihren Worten noch immer in den Himmel blickte und erneut schwieg, nicht reagierte. Als die Blonde sich wieder zu ihr herum wandte, erkannte die Schwarzhaarige jedoch die Veränderung auf ihrem Gesicht. Konnte sie dieses Thema nicht einfach ruhen lassen? Und natürlich führte sie das Thema weiter aus. Tja, würde sie? Eine Frage, die Shanaya zwei Herzschläge grübeln ließ, bevor sie antwortete. Mit ruhiger, sicherer Stimme. „Siehst du? Du sagst es selbst, einige Monate. Nicht direkt bei unserem ersten Treffen, nicht zwei Wochen später.“ Die Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern. „Ich mag deinen Bruder, das ist kein Geheimnis. Aber bei allem anderen habe ich das Gefühl, dass du dir irgendetwas einreden willst.“
Das Bedürfnis, sich mit der flachen Hand gegen die Stirn zu schlagen, wurde allmählich übermächtig. Sie hatte selten einen Menschen gesehen, der sich so sehr dagegen sperrte, seine eigenen Gefühle zu erkennen. Nein, eigentlich hatte sie noch nie so jemanden erlebt. Selbst ihr Bruder, dem sie auch einige emotionale Inkompetenz vorwerfen konnte, war nicht so begriffsstutzig. Aber für ihn war es auch nicht so ernst wie für die Dunkelhaarige. Obwohl Talin der ganzen Angelegenheit zwiegespalten gegenüber stand, so machte sie sich doch – auch wenn sie das Lucien gegenüber niemals zugeben würde – Sorgen um Shanya. „Liebes, du magst auch mich schon seit einigen Monaten und willst nicht mit mir unter den Laken knutschen.“ Sie hob eine Hand, um einen Einwand von Seiten der Jüngeren zu unterbinden. „Du kennst auch Greo schon so lange und willst mit ihm nicht das gleiche tun, wie mit Lucien. Für dich gibts es also sehr wohl einen Unterschied zwischen mögen und Mögen, oder nicht?“
Shanaya hätte aufstehen und gehen können – und genau danach war ihr auch. Aber sie war niemand, der sich solch einer… Diskussion entzog, zumal Talin dann hatte, was sie wollte. Und allein, dass sie noch hier bei der Blonden saß, sollte ihrem Gegenüber zeigen, wie sehr sie sie schätzte. Bei dem großen Rest hätte Shanaya sich diesem Gerede schon längst entzogen. Sie hatte nichts zu verheimlichen, nichts, was sie weg redete. Talin redete also weiter, hob eine Hand, bevor Shanaya reagieren konnte. Ruhig hob die Schwarzhaarige eine Augenbraue, wartete jedoch, bis die Blonde geendet hatte. „Wieso willst du dich so unbedingt weiter damit im Kreis drehen? Du wirst von mir nicht zu hören bekommen, was du anscheinend so dringend hören willst, warum auch immer.“ Shanaya lächelte, neigte den Kopf ein wenig zur Seite. „Sonst sorgst du ganz allein dafür, dass das zwischen uns steht. Ohne, dass da irgendwelche Gefühle im Spiel sind.“ Eine kurze Pause, ein versöhnliches Lächeln galt ihrer Freundin. „Und das gehört nicht unbedingt zu den Dingen, nach denen ich strebe. Also bitte, Talin.“ Eine weitere Pause, ein tiefer Blick, der ihre Worte untermalen sollte. Sie wollte wirklich nicht, dass Talin ihr damit so auf die Nerven ging, dass sie die Blonde meiden musste. „Sollte da irgendetwas sein, bist du die erste, die das erfährt… aber wenn du das jetzt jedes Mal wieder durch kauen willst, vergeht mir daran wirklich die Lust.“ Sie lächelte Talin ruhig entgegen, machte bisher auch noch keine Anstalten, sich zu erheben.
Ein leises Seufzen verließ ihre Lippen und sie drehte ihren Kopf, um schließlich in den Himmel zu sehen. Bei Shanayas Worten schossen ihr noch ganz andere Sachen durch den Kopf, denen sie dann wohl doch nicht ausweichen konnte. Ein Versprechen, dass sie – wenn auch widerwillig – gegeben hatte. Nur ungern gab Talin zu, dass Lucien wohl mit seiner Annahme recht hatte. Wenn sie also weiter so nachbohrte und versuchte, ihren Willen durchzusetzen, dann würde sie eine Freundin verlieren. Und war es ihr das wirklich wert? Für einen Moment schloss sie die Augen, seufzte noch einmal sehr tief, bevor sie den Kopf schließlich wieder in Shanayas Richtung umwandte, die Augen öffnete und sie fast entschuldigend anlächelte. „Ich bin nicht gut darin, anderen ihren Willen zu lassen. Ich sehe etwas und will, dass andere es dann genau so sehen. Vielleicht will ich auch einfach, dass es so ist, damit ich später nicht selbst verletzt werde.“ Nachdenklich ließ sie ihren Blick über die schwarzhaarige gleiten, bevor sie sacht mit den Schultern zuckte. „Ich gebe dir hiermit das Versprechen, dass ich nicht weiter darüber mit dir reden werde. Es sei denn, du bist diejenige, die damit anfängt. Ansonsten werde ich zu diesem Thema schweigen. Ist das in Ordnung für dich?“
Im ersten Moment war es nicht einfach für Shanaya, zu deuten, wie Talin reagieren würde. Der Blick ihrer Freundin richtete sich zum Himmel, sodass die Schwarzhaarige ihre Gesichtszüge nicht mehr wirklich erkennen konnte. Erst, als die Blonde sich wieder zu ihr herum wandte, regte auch Shanaya sich und erwiderte das Lächeln ihres Gegenübers. Aufmerksam lauschte sie ihren Worten, bei denen ihr Lächeln ein wenig sanfter wurde. „Was das angeht, habe ich dir versprochen, dass ich dich nicht verletzen werde.“ Es gab nichts, worüber sich die Blonde Sorgen machen musste. Umso leichter fiel Shanaya dieses erneute Versprechen. Als Talin weiter sprach, wurde das Lächeln auf Shanayas Lippen noch ein wenig breiter, ehe sie in stummer Akzeptanz nickte. „Das klingt gut. Ich werde dich daran erinnern.“ Mit einem letzten Blick zu ihrer Freundin rappelte Shanaya sich auf, zupfte kurz ihre Bluse zurecht, ehe sie der anderen Frau die Hand entgegen streckte. „Und jetzt lass uns irgendetwas machen, was die Stimmung hier ein bisschen aufhellt. Sonst werden wir noch melancholisch.“ Weiterhin galt der Blonden ein warmes, aufmunterndes Lächeln.
Es war das zweite Versprechen in kürzester Zeit, dass sie zu diesem Thema gab. Musste sie sich also jemand anderen suchen, damit sie darüber reden konnte, bevor sie explodierte? Der Gedanke amüsierte sie, aber sie wusste, dass es nicht nötig sein würde. Viel mehr beschäftigte sie in diesem Moment die Tatsache, dass Shanaya sie noch einmal an das gegebene Versprechen erinnerte. Ein Lächeln huschte über Talins Lippen, aber sie sagte nichts dazu, ergriff nur die Hand der anderen und erhob sich. Kurz streckte sich die Blonde und überlegte dann für einen Moment. „Wenn wir es wie Lucien halten, dann würde ich sagen, dass ein guter Schluck Alkohol die Stimmung aufhellen kann. Was sagst du dazu?“ Ein spitzbübisches Lächeln schlicht sich auf ihre Lippen. „Eine andere Möglichkeit – vielleicht auch etwas kindischer – wäre, wir schleichen uns unter Deck und schmeißen alle aus ihren Hängematten.“ Das wäre doch auf jeden Fall ein Stimmungsaufheller. „Was sagst du? Was möchtest du machen?“
Shanaya hoffte wirklich, dass Talin sich an ihre Worte halten würde. Sie hatte nur sehr wenig Lust, der Blonden demnächst noch einmal deutlicherer ihre Meinung zu sagen. Jetzt beruhigte sich ihr Herzschlag wieder etwas und als ihre Freundin nach ihrer Hand griff und aufstand, wurde das Lächeln der Schwarzhaarigen wieder etwas sanfter. Bei den beiden Vorschlägen der anderen Frau lachte sie dann herzlich auf, warf ihr einen vielsagenden Blick zu. „Da ICH mit dem Rest in einem Raum schlafen muss und mich nicht im einzigen Bett auf dem Schiff, abgesondert vom Fußvolk, herum rollen kann, bin ich eher für den Alkohol.“ Sie klopfte ihrer Freundin auf die Schulter, noch immer sachte lächelnd. Allein schon, weil sie erleichtert war, dass dieses verdammte Thema zumindest vorerst vom Tisch zu sein schien.
Was Talin wirklich zu ihren Worten durch den Kopf ging, würde Shanaya vielleicht nie erfahren. Die Regungen auf dem Gesicht der Blonden entgingen ihr dafür nicht. Tja, so etwas wollte eine Schwester nicht hören. Sie selbst hätte sich wohl in eine Ecke gestellt und sich ausgiebig übergeben. Die Blonde wirkte zumindest nicht so vollkommen verstört, fragte noch einmal genau nach. Die Schwarzhaarige konnte nur nicht wirklich zuordnen, ob die Überraschung ihrer Freundin nun gespielt war - oder nicht. Was vielleicht daran lag, dass sie versuchte, ihr schnell schlagendes Herz ein wenig zu beruhigen. Dennoch legte sich ein vielsagendes Lächeln auf ihre Lippen. „Eine Lady genießt und schweigt.“ Ob der Blonden das genügte? „Wieso willst du das so genau wissen?“
Irgendwann würde ihre Augenbraue mit Sicherheit in ihrem Haaransatz verschwinden, wenn sie diese weiter so hochzog. Wirklich? Kam Shanaya ihr wirklich mit diesem Spruch? Talin konnte es fast nicht glauben. Aber wirklich darüber aufregen konnte sie sich auch nicht, denn wie konnte sie ihr Interesse an der Manneskraft ihres Bruders erklären? Nun, eigentlich war das gar nicht so schwer. Ein Grinsen huschte über ihre Lippen. „Was für eine dumme Frage. Du bist die Erste, mit der ich über ihn herziehen könnte, wenn er schlecht im Bett wäre und das könnte ich ihm ganz wunderbar unter die Nase reiben.“ Mit einem kleinen Seufzer beugte sie sich vor und stützte den Arm auf einem Bein ab und das Kinn auf eine Handfläche. „Aber wenn du selbst sagst, dass du genießt und schweigst, heißt das wohl, dass es nichts zum Lustigmachen gibt und du das Ganze dann wohl mit ihm wiederholen würdest.“ die Blonde warf der Freundin einen schrägen Seitenblick zu.
Shanaya wusste nicht, was in Talins Innerem vor sich ging, sie hatte nicht einmal eine Ahnung. Die Schwarzhaarige versuchte, die Regungen auf dem Gesicht ihrer Freundin zu deuten, scheiterte jedoch, noch immer zu sehr von dem eigenen Wirrwarr im Kopf abgelenkt. Ihr Grinsen huschte dann über das Gesicht ihres Gegenübers, verwirrte die junge Frau einen Moment. Was sie dann sagte, entlockte Shanaya jedoch ein leises Lachen. Soso. Einen Moment stellte die Schwarzhaarige sich das Gespräch zwischen den beiden vor, schüttelte dann jedoch den Kopf und konzentrierte sich wieder auf Talin. Sie hob jedoch nur vielsagend eine Augenbraue, setzte einen Blick auf, der eine stumme Zustimmung ausdrückte. „Tut mir Leid, wenn ich dich enttäuschen muss.“ Für einen Moment noch schwang etwas witzelndes in der Stimme der jungen Frau mit, ehe der Ausdruck auf ihrem Gesicht sanftere Züge annahm. „Und wie du merkst, ändert sich deswegen nichts zwischen uns beiden.“
Der Gesichtsausdruck ihres Gegenübers war Antwort genug und Talin beschloss für sich allein auszumachen, was sie davon hielt. Nicht jetzt, vermutlich auch nicht sobald sie und Shanaya sich getrennt hatten, aber sehr bald. Denn das musste sie tun, wenn sie wollte, dass alles so blieb, wie es bis jetzt war. Es kam ihr so vor, als würde die Dunkelhaarige ihre Gedanken lesen, den Worten des Mädchens zufolge. Talin erwiderte das Lächeln der anderen, sagte aber nichts. Es änderte sich nichts zwischen ihnen? Doch, dass tat es, auch wenn es nicht sofort sein würde. Talin war unsicher – ein Gefühl, dass ihr nicht besonders gefiel – wie sie ihre Gedanken ausdrücken sollte. Das einzige was ihr zu Shanayas Worten einfiel war ein ‚Noch nicht‘. Aber das würde sie nicht aussprechen. Nicht bei der Überzeugung, die das andere Mädchen in sich trug. Stattdessen wandte die Blonde den Blick ab und sah hinauf in den Himmel, immer noch mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. „Hat das Techtelmechtel denn geholfen? Konntest du dir über deine eigenen Gefühle klar werden?“
Vollkommen ruhig beobachtete Shanaya ihr Gegenüber, während Talin erst einmal nicht wirklich reagierte. Zu gern hätte die junge Frau gewusst, was im Kopf der Blonden vor sich ging. Sie zeigte nicht viel nach außen und so konnte Shanaya nur mutmaßen, ob sie ihr zu stimmte – oder eben nicht. Sie lächelte, aber stimmte sie ihr damit zu? Oder lag ihr etwas auf der Zunge, was jedoch nicht ausgesprochen werden würde? Und ihr Blick, der schließlich zum Himmel führte, war für Shanaya auch nicht unbedingt zielführend. So war es noch schwerer, aus ihrer Freundin zu lesen. Die Frage der Frau ließ die Dunkelhaarige schließlich kurz die Augen schließen, einmal lautlos tief durchatmen. Natürlich fragte sie auch das erneut. „Da gibt es nach wie vor nichts, worüber ich mir im klaren werden müsste.“ Trotzdem fragte sie sich, wieso Talin sich genau dafür so interessierte. Scheinbar ja genug, dass sie noch einmal nachfragen musste.
Ihr Blick blieb an einem Stern hängen, der langsam erstrahlend, zu flackern schien, während er gegen die untergehende Sonne ankämpfte. Die Zeit, die sie auf eine Antwort des anderen Mädchens wartete, schien sich von selbst in die Länge zu ziehen, während es gleichzeitig nur ein kurzes Flackern des Sterns benötigte, bis Shanayas Worte zu Talin durchdrangen. Einen Moment schwieg die Blonde, ließ die Antwort auf sich wirken, bevor sie sich schließlich wieder Shanaya zu wandte und sie ernster als vorher ansah. Ernst, aber auch besorgt. Es war nicht das erste Mal, dass sie Sorge fühlte, gewiss nicht, aber normalerweise richtete sich das immer an Lucien. Vielleicht bedeutete das ja wirklich, dass sie sich mit der Dunkelhaarigen angefreundet hatte. Und das es um so mehr wehtun würde, wenn Shanaya ihr in den Rücken fiel. „Ich weiß, dass du das glaubst. Das da nichts weiter ist zwischen dir und Lucien. Aber Shanaya...auch wenn ich dich noch nicht so lange kenne, meine ich doch eine Sache über dich zu wissen: Würdest du dich, nachdem du ein paar Monate mit einem Mann herum geschäkert hast, wirklich mit ihm in die Kiste springen, wenn nichts zwischen euch wäre?“ Ihr Blick hielt die blauen Augen fest, wollte nicht, dass die Dunkelhaarige ihr auswich. Vielleicht war Talins Theorie weit hergeholt, aber nachdem, was sie von der Meinung der Jüngeren über Huren erfahren hatte, glaubte Talin nicht, dass Shanaya Sex auf die leichte Schulter nahm. Schon gar nicht mit jemanden, den sie nicht wirklich mochte.
Talin schien heute in… eher melancholischer Stimmung zu sein. Anders konnte Shanaya sich nicht erklären, wieso sie nach ihren Worten noch immer in den Himmel blickte und erneut schwieg, nicht reagierte. Als die Blonde sich wieder zu ihr herum wandte, erkannte die Schwarzhaarige jedoch die Veränderung auf ihrem Gesicht. Konnte sie dieses Thema nicht einfach ruhen lassen? Und natürlich führte sie das Thema weiter aus. Tja, würde sie? Eine Frage, die Shanaya zwei Herzschläge grübeln ließ, bevor sie antwortete. Mit ruhiger, sicherer Stimme. „Siehst du? Du sagst es selbst, einige Monate. Nicht direkt bei unserem ersten Treffen, nicht zwei Wochen später.“ Die Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern. „Ich mag deinen Bruder, das ist kein Geheimnis. Aber bei allem anderen habe ich das Gefühl, dass du dir irgendetwas einreden willst.“
Das Bedürfnis, sich mit der flachen Hand gegen die Stirn zu schlagen, wurde allmählich übermächtig. Sie hatte selten einen Menschen gesehen, der sich so sehr dagegen sperrte, seine eigenen Gefühle zu erkennen. Nein, eigentlich hatte sie noch nie so jemanden erlebt. Selbst ihr Bruder, dem sie auch einige emotionale Inkompetenz vorwerfen konnte, war nicht so begriffsstutzig. Aber für ihn war es auch nicht so ernst wie für die Dunkelhaarige. Obwohl Talin der ganzen Angelegenheit zwiegespalten gegenüber stand, so machte sie sich doch – auch wenn sie das Lucien gegenüber niemals zugeben würde – Sorgen um Shanya. „Liebes, du magst auch mich schon seit einigen Monaten und willst nicht mit mir unter den Laken knutschen.“ Sie hob eine Hand, um einen Einwand von Seiten der Jüngeren zu unterbinden. „Du kennst auch Greo schon so lange und willst mit ihm nicht das gleiche tun, wie mit Lucien. Für dich gibts es also sehr wohl einen Unterschied zwischen mögen und Mögen, oder nicht?“
Shanaya hätte aufstehen und gehen können – und genau danach war ihr auch. Aber sie war niemand, der sich solch einer… Diskussion entzog, zumal Talin dann hatte, was sie wollte. Und allein, dass sie noch hier bei der Blonden saß, sollte ihrem Gegenüber zeigen, wie sehr sie sie schätzte. Bei dem großen Rest hätte Shanaya sich diesem Gerede schon längst entzogen. Sie hatte nichts zu verheimlichen, nichts, was sie weg redete. Talin redete also weiter, hob eine Hand, bevor Shanaya reagieren konnte. Ruhig hob die Schwarzhaarige eine Augenbraue, wartete jedoch, bis die Blonde geendet hatte. „Wieso willst du dich so unbedingt weiter damit im Kreis drehen? Du wirst von mir nicht zu hören bekommen, was du anscheinend so dringend hören willst, warum auch immer.“ Shanaya lächelte, neigte den Kopf ein wenig zur Seite. „Sonst sorgst du ganz allein dafür, dass das zwischen uns steht. Ohne, dass da irgendwelche Gefühle im Spiel sind.“ Eine kurze Pause, ein versöhnliches Lächeln galt ihrer Freundin. „Und das gehört nicht unbedingt zu den Dingen, nach denen ich strebe. Also bitte, Talin.“ Eine weitere Pause, ein tiefer Blick, der ihre Worte untermalen sollte. Sie wollte wirklich nicht, dass Talin ihr damit so auf die Nerven ging, dass sie die Blonde meiden musste. „Sollte da irgendetwas sein, bist du die erste, die das erfährt… aber wenn du das jetzt jedes Mal wieder durch kauen willst, vergeht mir daran wirklich die Lust.“ Sie lächelte Talin ruhig entgegen, machte bisher auch noch keine Anstalten, sich zu erheben.
Ein leises Seufzen verließ ihre Lippen und sie drehte ihren Kopf, um schließlich in den Himmel zu sehen. Bei Shanayas Worten schossen ihr noch ganz andere Sachen durch den Kopf, denen sie dann wohl doch nicht ausweichen konnte. Ein Versprechen, dass sie – wenn auch widerwillig – gegeben hatte. Nur ungern gab Talin zu, dass Lucien wohl mit seiner Annahme recht hatte. Wenn sie also weiter so nachbohrte und versuchte, ihren Willen durchzusetzen, dann würde sie eine Freundin verlieren. Und war es ihr das wirklich wert? Für einen Moment schloss sie die Augen, seufzte noch einmal sehr tief, bevor sie den Kopf schließlich wieder in Shanayas Richtung umwandte, die Augen öffnete und sie fast entschuldigend anlächelte. „Ich bin nicht gut darin, anderen ihren Willen zu lassen. Ich sehe etwas und will, dass andere es dann genau so sehen. Vielleicht will ich auch einfach, dass es so ist, damit ich später nicht selbst verletzt werde.“ Nachdenklich ließ sie ihren Blick über die schwarzhaarige gleiten, bevor sie sacht mit den Schultern zuckte. „Ich gebe dir hiermit das Versprechen, dass ich nicht weiter darüber mit dir reden werde. Es sei denn, du bist diejenige, die damit anfängt. Ansonsten werde ich zu diesem Thema schweigen. Ist das in Ordnung für dich?“
Im ersten Moment war es nicht einfach für Shanaya, zu deuten, wie Talin reagieren würde. Der Blick ihrer Freundin richtete sich zum Himmel, sodass die Schwarzhaarige ihre Gesichtszüge nicht mehr wirklich erkennen konnte. Erst, als die Blonde sich wieder zu ihr herum wandte, regte auch Shanaya sich und erwiderte das Lächeln ihres Gegenübers. Aufmerksam lauschte sie ihren Worten, bei denen ihr Lächeln ein wenig sanfter wurde. „Was das angeht, habe ich dir versprochen, dass ich dich nicht verletzen werde.“ Es gab nichts, worüber sich die Blonde Sorgen machen musste. Umso leichter fiel Shanaya dieses erneute Versprechen. Als Talin weiter sprach, wurde das Lächeln auf Shanayas Lippen noch ein wenig breiter, ehe sie in stummer Akzeptanz nickte. „Das klingt gut. Ich werde dich daran erinnern.“ Mit einem letzten Blick zu ihrer Freundin rappelte Shanaya sich auf, zupfte kurz ihre Bluse zurecht, ehe sie der anderen Frau die Hand entgegen streckte. „Und jetzt lass uns irgendetwas machen, was die Stimmung hier ein bisschen aufhellt. Sonst werden wir noch melancholisch.“ Weiterhin galt der Blonden ein warmes, aufmunterndes Lächeln.
Es war das zweite Versprechen in kürzester Zeit, dass sie zu diesem Thema gab. Musste sie sich also jemand anderen suchen, damit sie darüber reden konnte, bevor sie explodierte? Der Gedanke amüsierte sie, aber sie wusste, dass es nicht nötig sein würde. Viel mehr beschäftigte sie in diesem Moment die Tatsache, dass Shanaya sie noch einmal an das gegebene Versprechen erinnerte. Ein Lächeln huschte über Talins Lippen, aber sie sagte nichts dazu, ergriff nur die Hand der anderen und erhob sich. Kurz streckte sich die Blonde und überlegte dann für einen Moment. „Wenn wir es wie Lucien halten, dann würde ich sagen, dass ein guter Schluck Alkohol die Stimmung aufhellen kann. Was sagst du dazu?“ Ein spitzbübisches Lächeln schlicht sich auf ihre Lippen. „Eine andere Möglichkeit – vielleicht auch etwas kindischer – wäre, wir schleichen uns unter Deck und schmeißen alle aus ihren Hängematten.“ Das wäre doch auf jeden Fall ein Stimmungsaufheller. „Was sagst du? Was möchtest du machen?“
Shanaya hoffte wirklich, dass Talin sich an ihre Worte halten würde. Sie hatte nur sehr wenig Lust, der Blonden demnächst noch einmal deutlicherer ihre Meinung zu sagen. Jetzt beruhigte sich ihr Herzschlag wieder etwas und als ihre Freundin nach ihrer Hand griff und aufstand, wurde das Lächeln der Schwarzhaarigen wieder etwas sanfter. Bei den beiden Vorschlägen der anderen Frau lachte sie dann herzlich auf, warf ihr einen vielsagenden Blick zu. „Da ICH mit dem Rest in einem Raum schlafen muss und mich nicht im einzigen Bett auf dem Schiff, abgesondert vom Fußvolk, herum rollen kann, bin ich eher für den Alkohol.“ Sie klopfte ihrer Freundin auf die Schulter, noch immer sachte lächelnd. Allein schon, weil sie erleichtert war, dass dieses verdammte Thema zumindest vorerst vom Tisch zu sein schien.