28.01.2022, 00:30
Woher. Einen Moment lang versetzte ihre Frage ihm einen Stich. Einen Stich der Scham, darüber, dass er sie doch mit jemandem verwechselt hatte und ihr in diesen, mit Schmerz aufgeladenen Stunden, ausgerechnet mit so etwas auf die Ketten ging. Aber der Moment verging wieder uns setzte ihn wieder zurück auf denselben Punkt: Dass die Frau vor ihm und er sich kannten.
Er sah, wie ihr Mund seinen Namen formte, ohne dass ein Ton herauskam. Er konnte es am spärlichen Licht sehen, der die Konturen ihrer Lippen weiß ausleuchtete.
Er zuckte kurz zusammen als sie unerwartet nach seiner Hand griff aber zog die seine nicht weg -- ihm fiel auf, wie sanft sie das tat -- nachdem er sie vorhin als so kühl und zäh wahrgenommen hatte. Aber vielleicht war das auch nur seine Wahrnehmung. Vielleicht hatte sie vorhin, als er vor Angst fast gestorben wäre, auch so sanft seine Hand genommen und er konnte sich nicht mehr daran erinnern und konnte sich nur noch an seine Angst erinnern und an die Blutlachen in den Gassen, das Geräusch das eine, in einen Brustkorb gesteckte Harpune machte, wenn man sie hinauszog, die Hitze des brennenden Dorfs in seinem Rücken, der Geruch nach Heimat an einem Korken in einem Keller.
Aber nein. Wie sie da vor ihm saß erkannte er sie haargenau als das Mädchen, das er vor über zehn Jahren das letzte Mal gesehen hatte.
Er zog seine Finger zusammen, drückte ihre Hand. "Jap", brachte er nur gehaucht hervor. Aber dann, etwas besser hörbar: "Rúnar Dagur, Sohn von Rúnar, Reiter von Rökkur und Nótt, Cousin von Jón Haukur, Sohn von Nói, Reiter von Jarpblesa." Er nannte jegliche Anhaltspunkte für sie, auch wenn sie vermeintlich nicht zusammenhingen. (Dass Nótt schon lange tot war wusste sie ja nicht.) Aber das war ungefähr die Reihenfolge -- sie hatten sich kennengelernt und ihr dann die Pferde gezeigt. Das was ab Sólfari passiert war, wollte er nicht nennen, er wollte nicht noch mehr Schmerzen generieren.