25.01.2022, 23:37
Es war ihm ein Anliegen, es Rúnar freizustellen, sein Leben so direkt aufs Spiel zu setzen. Was Liam wusste, aber verdrängte: Die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht klappte, war größer als die, dass sie unbeschadet wieder hier herunterkamen. Die Sorge im Gesicht des Blonden allerdings sagte ihm auch, dass sich Rúnar dieser Tatsache ebenso bewusst war wie er – und, dass er sie ähnlich gut zu ignorieren schien wie Liam selbst. Er holte tief Luft und stellte ihren provisorischen Plan auf den Boden. Eigentlich hatte er vorgehabt, seine Gedanken zu ordnen und zu überlegen, was es noch vorzubereiten gab, als wieder Bewegung in die zurückgebliebene Besatzung der Sphinx kam. Liam hob den Blick, der zuerst Rúnar streifte und seinen Augen schließlich zu Skadi folgte, die langsam auf sie zukam. Augenblicklich wurde ihm schwerer um die Brust, während er aus ihrem vermummten Gesicht zu lesen versuchte, worauf sie sich einzustellen hatten. Bis eben hatte er geglaubt, dass es auf diesem Schiff nur einen gab, der ihn irgendwie von diesem Plan hätte abbringen können. Jetzt wurde ihm bewusst, dass er sich getäuscht hatte. Ihrer Sorge begegnete er mit einem schwachen Lächeln mit aller Zuversicht, die er aufbringen konnte – leider blieb es allerdings hinter dem Stoff verborgen, der ihre Atemwege noch immer davor bewahren sollte, mehr Nebel als nötig einzuatmen. Seine Augen allerdings waren ehrlich und sprachen davon, das Bestmögliche zu tun, um ihrer Bitte nachzukommen.
„Wir haben nicht vor, da oben draufzugehen.“, versicherte er ihr und erwiderte ihren Blick.
Gleichzeitig hob er die Hand und schien die ihre damit von seiner Schulter zu wischen – Skadi allerdings konnte spüren, dass er die Geste nutzte, um ihre Hand zu drücken. Ein letztes Mal vielleicht. Umso dankbarer war er für den vergangenen Abend. Skadi verschwand mit Rúnars Badebegleitung und Shanaya unter Deck und Liam wandte sich nun erstmals Greo und Isala zu, die ihre Hilfe anboten. Der Lockenkopf brauchte einen Moment, um zu überlegen, ob und wie Hilfe am besten angebracht war – gerade auch, weil Rúnar ihm nun die Antwort gab, die er ihm schuldig geblieben war. Er grinste dem Jüngeren zu, freudlos aber deutlich vermittelnd, dass er genau wusste, wie der Blondschopf es meinte – und sich kein bisschen anders fühlte. Isala war es nun allerdings, die ihre Bedenken äußerte und Liams überraschten Blick auf sich zog. Er hatte nicht gedacht, dass es groß jemandem aufgefallen war, hatte sich auf der anderen Seite aber auch keine große Mühe gegeben, es zu verbergen. Immerhin ging es ihnen doch allen so – der Nebel tat sein Werk und Liam war froh um die Möglichkeit, die Wirkung durch die Tücher zumindest etwas abzuschwächen. Er wollte sich nicht ausmalen, wie es ihnen gehen würde, wären Talin und Skadi nicht auf diese Idee gekommen.
„Dein Mut in allen Ehren, Isala.“, sagte er mit einem hörbaren Lächeln. „Ich denke, du hast dich schon gut genug dabei geschlagen, den Köder zu spielen. Jetzt sind andere dran.“ Ein bisschen Mitleid empfand er durchaus für sie. Es klang, als sähe sie keine andere Verwendung für sich selbst, als sich aufzuopfern. Dabei hatte sie da oben im Krähennest bereits mehr Mut bewiesen als manch anderes Crewmitglied an diesem Tag. „Der Nebel macht uns allen zu schaffen. Je länger wir uns Zeit lassen, desto schlimmer wird es vermutlich mit dem Schwindel.“
Er ging davon aus, dass sie alle die gleichen Symptome hatten – oder zwangsläufig bekommen würden. Einen großen Unterschied machte es dann also nicht mehr, wer da oben sein Leben mit der Wissenschaft aufs Spiel setzte.
„Wir haben das Ding zusammen gebaut, jetzt probieren wir es auch gemeinsam aus, hm?“ Er nickte Rúnar entschlossen zu und klatschte voller Tatendrang in die Hände, um keine Zeit mehr damit zu vergeuden, es sich vielleicht doch noch anders zu überlegen. „Also, ja. Die Lampe und der Reflektor müssen hoch ins Krähennest. Vielleicht wäre es auch gar nicht so dumm, wenn wir mit Tauen für Sicherungen sorgen würden, falls es nicht funktioniert und wir springen müssen.“ Sein Blick wanderte kurz über die Taue, die die Segel hielten und ließen ihn an ihrer Stabilität zweifeln. Aber auch eine schlechte Sicherung war besser als keine, oder…? „Unter Deck müssten noch welche sein, die nicht ganz so vom Nebel angegriffen sind.“