18.12.2021, 16:13
Langsam bewegten sie sich mit ihren Handlungen wieder auf gewohntere Gebiete zu. Jedenfalls gewohntere für die meisten Crewmitglieder.
Josiah reihte sich stumm bei den anderen ein, die für einen Exkurs auf das andere Schiff zusammen getrommelt worden waren, und versuchte, seine Konzentration auf Lucien zu wenden. Alex und Soula würden das auch ohne ihn schaffen. Alex definitiv, Soula würde sich jetzt ein wenig beweisen dürfen. Aber es gab wahrscheinlichere schlechtere Crew-Mitglieder für die Rolle.
Sein Name fiel. Dann Rayon. Sein Blick glitt zur Seite, als er den Smutje suchte und eigentlich auch sofort fand. Ruhig und gefasst mit ernsten Blick stand er da und hörte Lucien aufmerksam zu. Josiah überlegte, ob er ihm zunicken würde, doch der Mann ließ seinen Blick nicht von Lucien, der weiter die Gruppe aufteilte. Also wandte auch Josiah seine Aufmerksam wieder ihren Kapitän zu. Massenkontrolle, Gewinnsuche und Verhandlungen. Ohne die „besonderen Umstände“ könnte das jetzt fast ein normaler Tag werden.
Rayons Ausruf untermalte er mit einem knappen Nicken, mehr aus Höflichkeit als ernst gemeinte Zustimmung, dann brachen sie auf.
Josiah ließ seinen Blick trotz seiner Aufgabe aufmerksam über das andere Schiff gleiten, als sie aufbrachen. Die Ereignisse der vergangenen Minuten waren auch ihnen anzusehen. Leblose Körper lagen hier und da zwischen Fässern, Holzplanken und anderen Krimskram. Einer von ihnen stand vor der Reling. Dunkles, wirres Haar rahmten ein überraschend junges Gesicht ein, in dem Entschlossenheit geschrieben stand. Josiah versuchte, einen Blick auf mögliche Waffen erhaschen zu können. Mut war immer so eine Sache, vor allem in ausweglosen Situationen.
Das musste der von Lucien erwähnte Jón sein. Ein Kapitän war das auf jedenfall nicht.
Josiah riss seinen Blick von dem Knaben. Lucien war nicht unfähig, und er hatte Tarón an seiner Seite. Er hatte keine Matrosen erhaschen können, die allzu Kampfbereit waren. Bereit ihr Leben zu verteidigen wohl, aber niemanden, der sofort in die Offensive zu gehen scheinen wollte. Doch sicher sein konnten sie sich nicht. Rayon fand seine Aufmerksamkeit und nickte. Josiah nickte zurück, blieb er noch einen kurzen Moment stehen, sich einen letzten Blick erlaubend, ehe auch er die Schultern straffte und sich neben Ryan schob, eine finstere Miene aufsetzend. Auch er hatte die Gruppe einige Meter weiter entdeckt. Wie aufgeschreckte Schafe hatten sie sich zusammengedrängt, nahezu eingepfercht. Auf dem Weg zu ihnen ging er bei dem ein oder anderen Körper, der noch halbwegs lebendig wirkte, kurz auf die Knie und schob seine Finger jeweils kurz an den Hals. Doch die Seelen hatten sie alle schon verlassen. Josiah zollte ihnen danach keine weiteren Blicke.
Anders als Rayon stellte er seine Waffe aber nicht zur Schau und schob nur leicht seine Weste zurück, jederzeit bereit, theatralisch eins seiner Messer durch die Luft sausen zu lassen. Es würde vorerst reichen, wenn Ryan eine mögliche Waffengewalt deutlich ausspielte. Zumal kleine Wasser immer eine etwas andere Wirkung als größere Schlagwerke hatten. Stärke ausspielen war auch so eine Sache. Sie mussten präsent genug sein, um niemanden auch nur den Gedanken zu erlauben, eine tatsächliche Chance zu haben. Aber auch sanft genug, um ihnen nicht das Gefühl zu geben, das hier wäre die letzte Chance auf ihr Leben.
Er war froh, dass Ryan zuerst die Worte ergriff.
Während er sprach, ließ Josiah seinen Blick langsam über die Männer schweifen, versuchte, ihre Blicke jeweils einzufangen. Die meisten wichen ihm aus. Josiah machte sich eine Gedankennotiz zu denen, die es nicht taten. Dann war Rayon fertig, und nach einer kurzen Pause (des Zögerns, aber das musste ja niemand wissen), wagte Josiah es doch, seine eigene Stimme zu erheben. Er wusste, dass er nicht mal ansatzweise eine ähnlilche Wirkung erzielen würde wie Rayon, aber es konnte nicht schaden zu zeigen, dass sie beide die Kontrolle übernehmen würden.
„Aber immer schön ruhig, keine hektischen Bewegungen und vor allem: keine Spielereien.“, schob er also hinterher und zog eine Augenbraue hoch. „Wir wollen doch wirklich nicht, dass es hier nochmal zu Lärm kommt, das macht uns allen doch nur Kopfschmerzen.“
Seine Worte waren trocken und kühl. Er ließ seinen Blick kurz zur Seite gleiten, als er nochmal das Wort ergriff:
„Und vor allem: wenn ihr noch ein paar Freunde kennt, die sich hier an Deck versteckt halten, wäre jetzt auch der perfekte Zeitpunkt, um sie zu uns zu rufen.“
Noch bevor seinen Satz beendet hatte, blickte er die Männer vor ihnen wieder genau an, um keine noch so kleine Zuckung in einer ihrer Gesichter zu verpassen. Selbst wenn sie entschlossen wären, sich nicht gegenseitig zu verraten, so waren Menschen zumeist einfache Geschöpfe mit wenig Selbstkontrolle.
[ zuerst an Deck der Sphinx mit Lucien, Talin, Tarón, Josiah, Trevor und Ceallagh;
dann an Deck des Handelsschiffes mit Rayon und ein paar Matrosen ]
dann an Deck des Handelsschiffes mit Rayon und ein paar Matrosen ]