05.11.2021, 16:35
Ein gewisses, wenn auch nur schwaches, Gefühl der Erleichterung machte sich in der Brust des Schiffskochs breit, als Lucien ausatmete, und er erkannte, dass ein Teil von ihm tatsächlich Angst vor einer völlig gleichgültigen, gefühlskalten Reaktion des Captains Angst gehabt hatte. So war diese Reaktion zwar äußerst subtil, aber zumindest blieb sie nicht aus, auch wenn Rayon nicht wirklich feststellen konnte, ob dem jüngeren Mann die Gefühle des Dunkelhäutigen bewusst wurde... oder er nur bereute, überhaupt gefragt zu haben.
Die Frage erübrigte sich, als Lucien nachhakte. Das hätte er vermutlich nicht getan, wenn er solch ein Gespräch unbedingt vermeiden wollte. Und bisher hatte er den Grünäugigen nicht als einen Mann wahrgenommen, der anderen zuliebe unangenehme Nachfragen stellte. Überhaupt war der Captain ganz sicher nicht der empathischste Mann. Umso mehr war ihm anzurechnen, dass er sich tatsächlich die Mühe machte, in Rayons Gedankenwelt einzusteigen, was auch immer die Beweggründe dafür waren. Aus diesem Grund schenkte der Smutje ihm auch ein warmes Lächeln, das ihm nun umso schwerer fiel, weil es um Scortias ging. Dann nickte er kaum merklich, seufzte leicht und ließ seinen Blick wieder über das dunkle Meer schwenken, während er nach Worten suchte.
"Ja", sagte er schließlich einfach nur und beließ es für einige Sekunden dabei, in denen er die Augen geschlossen hielt und tief durchatmete. "Er hätte es zu einem großen Seemann bringen können. Er war ein kluger, mutiger Junge..."
Ein leises, schnaubendes Lachen entkam seinen Lippen.
"... und in seinem Alter schon reifer, als Trevor es je sein wird."
Der Dunkelhäutige schüttelte den Kopf und versuchte damit, die Gedanken zu verscheuchen, die ihn plagten. Die Gedanken daran, dass er den Jungen nicht hatte beschützen können, so wie er seine Schwester und seinen Vater nicht vor den Plünderern hatte beschützen können. Vor den Vergewaltigern und Mördern. Die Gedanken daran, dass er versagt und wieder jemand anderen dafür gebüßt hatte.
Luciens nächste Worte drangen wie durch einen Schleier an sein Ohr und es dauerte einige Momente, bis der Schiffskoch ihre Bedeutung verstanden hatte. Er warf dem Grünäugigen einen kurzen Seitenblick zu und konzentrierte sich dann wieder auf die Wellen.
"Eigentlich wollte ich sie dem Meer übergeben, aber..."
Er schluckte schwer und zuckte hilflos mit den Schultern, unfähig, den Satz zu beenden.