26.10.2021, 13:12
“Sie fliegen noch immer da oben, aber trauen sich nicht in den Nebel. Ihre Beine, Flügel und Schuppen am Körper sind stellenweise matt und porös.“
Stufe um Stufe berichtete Skadi ihrem Kapitän was oberhalb auf dem Krähennest vorgefallen war. Von der Angriffslust der Vögel, der Bewegungsrichtung des Nebels und den Landmarken, die Isala am Horizont hatte erspähen können. Vom zerstörten Geländer, vom eingebrochenen Boden. Selbst als Stimmen in ihrem Rücken und Rufe vor ihr laut wurden, fokussierte sie sich allein auf Lucien. Jedes Detail ihrer Erzählung konnte von Bedeutung sein. Für den Plan, der sich bereits in seinem Kopf zusammenspann und ihn dazu veranlasste die Umstehenden zu mobilisieren. Es wirkte beinahe so, als wollten sie diesen Ort verlassen. In welche Richtung blieb allerdings fraglich. Gleichsam was mit dem sinkenden Schiff passieren sollte, dessen Besatzung vermeintlich wehrlos und der Situation wegen panisch übers Deck rannte. Sie nicht zu erschießen, war vielleicht eine Option, die Rayon für gut befand. Doch ähnlich wie Lucien, hatte Skadi keinen Anreiz jemanden unversehrt zu lassen, der seine Waffen gegen sie erhob.
„Danke dir, Skadi“
Sie nickte. Sah Lucien und Rayon einen Herzschlag nach, ehe sie ihren Blick von ihnen zog. Der junge Kapitän wüsste schon was zu tun war. Sie vertraute darauf, dass er eine Entscheidung treffen würde, die sie lebendig hier heraus brachte. Und solange Talin bei ihnen war, blieb dies eine Gewissheit, der sie gern blind den Rücken zukehrte. Es mochte vielleicht unvernünftig sein. Doch hatte sie weder eine andere Wahl, noch hatten die gemeinsamen Untergrundkämpfe der letzten Wochen, sie an seiner Entscheidungskraft zweifeln lassen.
Um wen sie sich allerdings sorgte, war ein Lockenkopf, der mit schnellen Schritten an ihr vorbei Richtung Niedergang unterwegs war. Es brauchte keine besonders gute Menschenkenntnis um zu erahnen, dass Liam geradewegs einem seiner Impulse folgte. Die Art wie er nach Rúnar rief und der fokussierte Blick, den sie nur knapp von ihm erhaschte, ehe er nach unten verschwand, waren Indiz genug. Alex Miene hingegen, die sie nach einer gefühlten Ewigkeit hinter Ceallagh und Rayon ausmachte, hinterließ ein flaues Gefühl in ihrem Magen. Doch es blieb keine Zeit ihm nachzueilen und womöglich von einer Dummheit abzuhalten, die ihm sein Leben kosten konnte. Denn letztlich konnte es gleichsam unvernünftig sein, ihn daran zu hindern.
Somit setzte Skadi voraus. Machte einen kleinen Bogen und trat zum zweiten Mal die Treppenstufen zum Achterdeck hinauf. Noch immer befand sich niemand an den Segeln. Und sie konnte wohl kaum allein dafür sorgen. Erneut ragte der Rücken des Neuankömmlings über die letzten Stufen. Doch die Dynamiken schienen sich minimal, aber merklich verschoben zu haben. Rym und Greo standen noch immer bei der verletzten Shanaya. Talin nur wenigen Armlängen von ihr entfernt. Den Blick aufmerksam auf den Fremden gerichtet, neben dessen hoch gewachsener Gestalt sich Skadi im selben Moment postierte.
“Talin? Ich brauche Hilfe bei den Segeln. Wir setzen scheinbar in Richtung des anderen Schiffs und verschwinden dann von hier.“
Das war was sie aus Luciens Worten geschlossen hatte.
[erst bei Lucien und Rayon | danach auf dem Achterdeck bei Talin und Grim]