09.07.2016, 13:05
Eigentlich war es hier unten immer sehr angenehm. Ryan, der Gefangene, sagte kaum etwas, beschwerte sich nicht, fing nicht an hemmungslos zu flennen. Er saß einfach nur in seiner kleinen Zelle und vegetierte vor sich hin. So lange die Zugluft nicht ungünstig stand und seinen Geruch herüber wehte, war er kaum zu bemerken. Dadurch war der Frachtraum zu einem indirekten Rückzugsort für Aspen geworden, sobald er zur Bewachungsschicht eingeteilt wurde: Er konnte im Stillen für sich sitzen, seine kleinen Schützlinge beobachten und endlich weiter schnitzen.
Daher war es auch nicht verwunderlich, dass ein wehmütiger Zug sich um seine Lippen bildete, sobald Talin sich zu erkennen gab und die letzten Schritte tätigte bis sie bei ihnen war. Fragend hob Aspen die Brauen und hielt in seiner Handarbeit inne. War heute der Tag der Abrechnung? Um es einmal dramatisch auszudrücken? Wieder ein Punkt über den er gerne informiert worden wäre. Dann hätte der dem Dieb zumindest Waschzeug zugeworfen, um dem Verfahren einen wichtigeren Touch zu verleihen – Nunja. Wenn der Montrose ehrlich zu sich selbst war, hätte er sich wahrscheinlich darüber gefreut irgendeine Nachricht von Talin zu erhalten, die weiterhin ihre kindische Geheimniskrämerei durchzog. Ihr begrüßendes Nicken erwiderte er nicht.
Erst als der Gefangene selbst aufstand und zu den Gitterstäben trat musste Aspen sich dazu zwingen sein Werkzeug wegzustecken und ebenfalls aufzustehen, zu den beiden zu schlendern und die Arme beim inne halten zu verschränken.
„Reine Nächstenliebe. Einen verletzten Vogel lässt man schließlich nicht krepieren.“, grollte er sachlich und beendete damit das kleine Machtspiel, das Ryan aufzubauen versuchte.
Auf so einen Mist hatte er nun wirklich keine Lust. Die Gitterstäbe sagten deutlich aus, wer am längeren Hebel saß. Seinen Mann zu stehen, nur um eine nicht vorhandene Würde zu verteidigen, war sinnlos. Eben so sinnlos wäre es gewesen Talin bloß zu stellen, nur weil er ihre Arbeit nicht gut hieß, weswegen Aspen hemmungslos den Drecksklumpen vor ihnen anstarrte und seine Nicht-Beantwortung der Frage gekonnt überging.
„So lange keine Komplikationen auftreten, könnte er für seine „wertvollen Ressourcen“ unter Aufsicht arbeiten.“
Absichtlich verschwieg er, dass sie jede helfende Hand an Deck gebrauchen könnten. Die Blonde würde es gewiss schon verstehen. Allerdings war deutlich herauszuhören, dass er selbst diese Aufsicht nicht mimen würde. Da sollte der Kerl lieber ins Wasser geworfen werden und verschwinden, wie Aspen es bereits bei seiner Entdeckung vorgeschlagen hatte - damals in dem Wissen, dass der Vorschlag abgelehnt werden würde, heute war es alleine die Sicht auf die rettenden Brandung, die ihm den Gedanken wieder wärmer gestalteten.