02.10.2021, 11:46
Rym hatte früh gelernt, geduldig zu sein. Wenn man plante, jemanden auszurauben oder jemanden mit einem gezielten Schuss zu töten, dann musste man warten können. Allerdings hatte er sich noch nie die Mühe gemacht, sich einem verletzten Tier zu nähren. Und genauso kam ihm die kleine Königin gerade vor. Eine in die Ecke getriebene, verwundete Katze, deren Fell gesträubt war und ihn nicht nur böse anfunkelte, sondern auch anfauchte. Anscheinend musste er den Namen, den er ihr gegeben hatte ändern. Kätzchen kam ihm auf einmal viel passender vor, auch wenn er nicht daran zweifelte, dass sie ihn kratzen würde, wenn er eine falsche Bewegung machte. Vielleicht war das auch der Grund, warum Hütchen nicht kam, um das Kätzchen festzuhalten. Oder der andere Mann hatte einfach nicht auf Ryms fast schon hilfesuchenden Blick geachtet. Das machte es zumindest nicht gerade leichter.
Zumindest war das sein Gedanke, als das Kätzchen ihn wieder anfauchte. Der Dunkelhaarige seufzte und schluckte dann jeden Kommentar hinunter. Er wollte nicht, dass sie das Wasser seiner Gesellschaft vorzog, wenn er jetzt etwas Falsches sagte. Und so, wie er das Mädchen einschätzte, konnte er nur das Falsche sagen. Er rechnete auch fest damit, dass ihre Abneigung gegen seine Anwesenheit noch schlimmer werden würde, als jemand neues zu ihnen stieß und sie ansprach. Vielleicht sprang sie den Schönling auch einfach an, das wäre auf jeden Fall einmal ein Schauspiel. Doch sie überraschte ihn.
Statt weder ihm noch dem anderen ins Gesicht zuspringen, schien sie bereit, sich von ihm behandeln zu lassen. Da konnte er doch glatt seine Überraschung nicht verbergen und zog eine Augenbraue in die Höhe.
„Du bist doch immer für eine Überraschung gut, Kätzchen.“ Auch einen Kommentar konnte er sich nicht verkneifen. „Keine Sorge, ich renke Schultern ein, seit ich 13 bin, du bist wirklich in guten Händen.“
Seine Worte klangen ernst, fast feierlich, als wollte er dem Mädchen zeigen, dass sie nicht solche Angst vor ihm haben musste. Doch er dachte nicht, dass ihm das irgendwelche Pluspunkte bei ihr einbringen würde. Statt also länger um den heißen Brei herumzureden, griff er mit beiden Händen, nachdem verletzten Arm und tastete ihn bis zur Schulter hin ab. Dann sah er für einen Moment zu dem Neuankömmling.
„Stell dich hinter sie, Schönling. Du musst sie festhalten, für den Fall, dass sie sich zu sehr bewegt.“
Er wartete kurz, bis der Mann hinter dem Mädchen Stellung bezogen hatte und ließ dann eine Hand in die Achselhöhle des Kätzchens gleiten, während er mit der anderen Hand, den Arm ein wenig anhob. Kurz bewegte er den Arm des Mädchens – was ihr mit ziemlicher Sicherheit schmerzen bereiten würde – bevor er mit einem Ruck nach oben und einem lauten Knallen, die Schulter wieder einrenkte. Dann bewegte er ihren Arm vor ihre Brust und hielt ihn dort fest.
„Hast du was, damit wir deinen Arm festbinden können. Du solltest ihn nicht bewegen, wenn du keine Schmerzen leiden willst.“
[Auf dem Achterdeck | bei Shanaya und James | in der Nähe von Greo, Per, Talin und Skadi]