12.09.2021, 20:28
Talin biss die Zähne zusammen, unterdrückte den Wunsch, noch einmal auf Lucien einzureden und ihn dazu zubringen, von hier zu verschwinden. Es passte ihr nicht, dass er den vorgebrachten Vorschlag so einfach abschlug, auch wenn der abenteuerlustige Teil von ihr es verstand. Doch nicht, wenn der Nebel ihr eine solche Gänsehaut bereitete.
Die Frage ihres Bruders, sollte sie vielleicht von der Unruhe ablenken, die sich in ihr aufgestaut hatte, doch soweit kam er gar nicht, dass er nach den Tüchern hätte fragen können. Das Geräusch eines Schusses – weiter getragen durch das offene Meer um sie herum – hallte laut in ihren Ohren und die blonde zuckte für einen Moment zusammen, bevor sie sich nach Lucien umsah, der schon wie ein Schild bei ihr stand. Ein rationaler Teil in ihr wusste, von wo der Schuss kam und dass die Kugel niemals so einfach ein Ziel auf der Sphinx hätte treffen können. Dennoch raste ihr Puls bei dem Gedanken, dass Lucien sich vor sie warf, um einen möglichen Schaden abzufangen. Gerade noch schaute sie ihren Bruder von unten mit großen Augen an, als sie auch schon kurz darauf die Zähne fest zusammen biss, um nicht unkontrolliert sauer auf ihn zu sein. Über diesen Beschützerinstinkt mussten sie ganz dringen noch einmal reden.
Doch sie ließ ihn ihre Wut nicht spüren, egal wie sauer sie sein mochte. Ebenso wenig schüttelte sie seine Hand ab, die immer noch leicht an ihrer Hüfte lag, während sie den Blick von dem Dunkelhaarigen abwandte und sich kurz auf dem Achterdeck umsah, ob doch jemand getroffen wurde. Doch das war nicht der Fall. Fast hätte sie sich entspannte, wartete aber gleichzeitig darauf, dass erneut ein Schuss ertönte. Nur geschah es nicht. Stattdessen hörte sie mehr als deutlich, wie auf dem anderen Schiff jemand Parley rief.
Talins Augenbrauen wanderten in die Höhe, während sie halb belustigt, halb ungläubig schnaubte. Lucien ließ ihr nur keine Zeit, einen abfälligen Kommentar zu der spontanen Aufgabe des anderen Schiffes abzugeben. Stattdessen warf sie ihm einen schweigenden Blick zu, bevor sie nur auf seinen Kommentar nickte. Auf seine Anweisung, Shanaya nicht ans Steuer zu lassen, bis sie ihren Arm wieder benutzen konnte, belächelte sie ein wenig, obwohl sie verstand, was er damit bezweckte. Doch sie sah sich nicht zu der Dunkelhaarigen oder dem Mann, der bei ihr stand, um. Stattdessen nahm sie ein Tuch und reichte sie dem Neuankömmling, bevor sie sich selbst eins nahm und den Rest James hinhielt.
„Verteil die an alle, die noch keines haben. Sie sollen sich damit Mund und Nase zudecken oder meinetwegen ihre Wunden, wenn die genauso gebrannt haben, wie bei allen anderen.“
Sie warf James noch kurz einen Blick zu, bevor sie sich an den triefendnassen Neuankömmling wandte. Sie konnte sich vorstellen, was sein plötzliches Auftauchen im Wasser zu bedeuten hatte, dennoch neigte sie nur neugierig den Kopf und musterte ihn kurz von oben bis unten.
„Interessanter Zeitpunkt, den du gewählt hast, um zu uns zustoßen. Ich nehme an, Lucien hat dich schon gefragt, woher du kommst?“ Sie wartete einen Moment, bevor ihr Blick an ihm vorbei zu dem anderen Schiff glitt. „Falls die Herren der Schöpfung auf dem anderen Schiff es sich doch noch einmal anders überlegen sollten und doch kämpfen möchten, kannst du eine Waffe halten? Bestenfalls in die richtige Richtung?“
Sie schenkte ihm ein süßes Lächeln, damit er wusste, was die richtige Richtung sein sollte.
[Auf dem Achterdeck | bei Per und James, vorher auch Lucien | in der Nähe von Greo, Shanaya und Zairym]