06.06.2021, 15:11
Shanaya schloss einen Moment die hellen Augen, konzentrierte sich auf ihre Atmung und dann auf die ganzen Probleme, die um sie herum entstanden. Der Nebel, die Vögel… und das verdammte Stechen in ihrer Schulter, von dem ihr schwindelig war. Vielleicht sollte sie sich aus einer bestimmten Höhe einfach noch einmal auf die Schulter werfen, um sie wieder in die richtige Position zu bringen? Ein Gedanke, der sie ein wenig hämisch auflachen ließ. Sie allein würde wohl nicht genug Kraft aufbringen können, um das mit einem Ruck zu richten. Für einige Zeit hieß es also noch, dass sie die Zähne zusammen beißen musste.
Talin war es, die sie aus diesem unwirschen Gedankengang zurück holte. Die Berührung an ihrem Arm ließ die Schwarzhaarige zusammen zucken, auch wenn ihre Freundin den gesunden Arm streichelte. Die Blonde richtete sich jedoch mit ihren Worten nicht direkt an sie, sodass Shanaya ihrem Blick folgte, von einem zum anderen schaute und stumm den Worten der anderen Frau lauschte. Das ‚länger fest stecken‘ gefiel ihr dabei nicht wirklich, aber so schnell Talin zu ihr gekommen war, so schnell machte sie sich auch wieder auf den Weg. Sie drückte den Arm der Schwarzhaarigen, die ihr damit ein müden Lächeln zu warf.
Greos Frage nahm sie kaum wahr, da rief der Dunkelhaarige schon eine Antwort nach oben. Talin ging es um irgendwelche Tücher (Shanaya war sich nicht ganz sicher, ob sie die Bedeutung davon nicht mitbekommen oder schlicht vergessen hatte), Greo nahm Stimmen wahr, die nicht zu ihr durch drangen. Gott. Dieser Gedanke kam ihr selten, aber in diesem Moment wünschte die Schwarzhaarige sich, ihren Kopf einfach einmal komplett zu entleeren. Jeglichen Gedanken zu entfernen und einfach bei Null anzufangen. Es fühlte sich an, als würde sie sich in ihrem eigenen Kopf im Kreis drehen – und das war absolut kein schönes Gefühl. Die Frage ihres Freundes konnte sie dann doch beantworten, auch wenn sie zuvor noch einen Blick auf die Karte warf.
„Nach Süden und nach Westen… jeweils etwa zwei bis drei Tage, wenn wir gute Fahrt machen.“ (Luc, ich hatte das noch so im Kopf, wenn falsch, please Bescheid geben :D)
Vermutlich eher schneller, wenn blutrünstige Vogelechsen hinter ihnen her waren. Mit diesem Gedanken und einem lautlosen Seufzen lauschte Shanaya der nächsten Stimme, die zu ihr durch drang. Zuerst fühlte sie sich nicht angesprochen, immerhin sollte Greo ja… Moment! Ohne den Kopf zu drehen richtete Shanaya die hellblauen Augen zu dem Captain herum, der noch auf dem Achterdeck stand. Sie blinzelte, ehe ihr in stummen Protest der Mund aufklappte. Erst, als Lucien sich direkt an sie wandte, klappte ihr der Mund wieder zu und sie holte Luft für einen Protest. Auf einmal erschien ihr die Möglichkeit, die Schulter selbst wieder ein zu renken, gar nicht mehr so schlecht. Aber der Widerspruch blieb aus, wurde im nächsten Moment von einer kräftigen Böe davon getragen und ließ die junge Frau noch einmal blinzeln.
Mit der Hand des gesunden Armes hielt sich Shanaya ein paar schwarze Strähnen aus den Augen, hob die blauen Augen dann an, um sich umzusehen. Die Sicht war etwas besser geworden, womit sich noch viel mehr Möglichkeiten ergaben. So schnell es Shanayas schmerzendem Kopf möglich war, ging sie die verschiedenen Optionen durch. Sie konnte bleiben, wo sie war. Sich von Zairym helfen lassen (da Lucien ihn ja netterweise auf sie angesetzt hatte). Ein weiterer Gedanke war, dass sie sich selbst ins Krähennest begab, um sich einen Überblick zu verschaffen. Über den Nebel, die Vögel und alles, was man da noch in Erfahrung bringen konnte. Und neben anderen Ideen kam auch der Gedanke auf, dass sie sich vielleicht erst einmal ins Wasser schmeißen sollte, um die aufgewühlten Gedanken wieder herunter zu kühlen.
Aber all das war hinfällig, als James das Achterdeck betrat – einen ihr vollkommen unbekannten Mann im Schlepptau. Die zwei steuerten Lucien an, woraufhin Shanaya Greo einen verwirrten Blick zu warf, sich dann mit der Hand, die eh noch an ihren Haaren lag, durch die dunklen Strähnen fuhr. Normalerweise waren es genau solche Situationen, in denen sie aufblühte. Da, wo anderen jegliches Denken versagte. Es war zum Haare raufen. Und jetzt spielten sie auch noch Kutschier-Schiff. Ein weiterer Blick galt ihrem älteren Freund, ehe sich die Dunkelhaarige in Bewegung setzte. Zairym hatte auf die anderen Schiffe schießen wollen – vielleicht lenkte ihn das ja von Luciens glorreicher Idee ab.
Auf der Höhe der kleinen Gruppe blieb Shanaya wieder stehen, warf zuerst einen fragenden Blick zu Lucien, zu der Wunde, die noch immer leicht blutete. Ein vorsichtiges Lächeln galt ihm, die Hand, die die junge Frau jedoch an ihr Tuch gehoben hatte, sank einfach wieder zurück neben ihren Körper. Noch wenige Herzschläge musterte sie ihren Captain, ehe sich die hellblauen Augen auf den Fremden richteten. Ein charmant amüsierter Ausdruck auf ihren Zügen – auch wenn ihr nach wie vor schwindelig war und sie den Arm möglichst ruhig vor sich hielt.
„Vielleicht können wir ihn auch den Vögeln opfern und sie lassen uns dafür in Ruhe?“
In ihrer Stimme lag nur ein zarter Hauch von Ernsthaftigkeit, mit der sie den Fremden betrachtete. Vielleicht machte er sich ja ganz gut als Opfer in einer Art Vogelschnabel? Aber, sie musste ihm Recht geben, gerade in solch einer Situation konnten sie ein helfendes Paar Hände vielleicht gebrauchen. Wenn er nicht in der erstbesten Situation einfach um sich schoss, um wieder von ihnen weg zu kommen. Dann blieb immernoch die Option mit den Vögeln.
„Noch irgendwen habt ihr ihm nicht nachschwimmen sehen?“
Diese Frage galt James, auf dem nun auch ihr heller Blick ruhte. Erst dann huschte ihr Blick zu dem Schiff, das sie verfolgt hatten und das… eigentlich... Moment. Irgendetwas schien in ihrem Kopf doch noch zu funktionieren. Oder vielleicht auch nicht? Um das Ganze genauer zu betrachten, trat die Schwarzhaarige an die Reling, betrachtete einige Momente schweigend das Bild, das sich ihr bot.
„Liegt es an mir? Bin ich verwirrt… oder dürfte dieses Schiff eigentlich nicht… hier sein? Die Sphinx ist schnell… aber… Versteht ihr, was ich meine?“
War sie jetzt komplett verwirrt? Hatte sie sich so verschätzt? Das konnte nicht sein, aber… was machte dieses Schiff dann hier? Und wo zum Teufel kam dieses Wrack jetzt her? Noch einmal schloss Shanaya die Augen, fuhr sich mit einer Hand über die geschlossenen Lider. Zu vieles lief hier irgendwie falsch. Und genau diese Verwirrung lag auf ihren Zügen, als ihr Blick zurück zu Lucien und den Männern bei ihm glitt.
[Achterdeck der Sphinx | James, Greo, Zairym (dem sie schön ausweicht!), Peregryne & Lucien ]