03.06.2021, 19:26
Strömungen. Alex brummte halblaut. Nicht, dass es keine Erklärung dafür gewesen wäre. Aber die gesamte Situation – der Nebel, das Modern, der Rost – ließ diese simple Erklärung irgendwie naiv wirken. Trotzdem widersprach er Ceallagh nicht. Weil er keine bessere Antwort darauf hatte. Und scheinbar – so klang es für Alex zumindest im ersten Moment – schien auch der Blondschopf recht zeitnah auf einen anderen Schluss zu kommen. Er verzog die Lippen und wandte sich der ausbleibenden Antwort ihres Captains wegen herum in Richtung Achterdeck, statt nachzusehen, was genau dem Bärtigen nun plötzlich die Augen geöffnet hatte. Ihm war das Wrack unter dem halbgesunkenen Handelsschiff nämlich noch nicht aufgefallen. Auf dem Achterdeck erkannte er den Schopf ihres selbsternannten Casanovas, dem man zu seiner Genugtuung noch immer die verhagelte Stimmung ansah. Luciens Stimme zufolge waren sie gerade im Gespräch. Eine gefühlte Ewigkeit starrte er hinauf, knirschte ungeduldig mit den Zähnen und wartete darauf, dass endlich der Befehl kam, den Anker wieder zu lichten. Für einen ungeduldigen Menschen wie ihn allerdings konnten schon wenige Sekunden quälend lange wirken.
„Hm?“, lenkte ihn schließlich Ceallaghs Stimme ab, dem er letztlich mit wachsamem Blick gen Handelsschiff zur Reling folgte. „Strömungen. Hast du mir doch gerade selbst erklärt.“Skeptisch war eine seiner Augenbrauen in die Höhe gerutscht, als ihm schien, dass der Hayes sich nicht einmal mehr an das erinnerte, was er ihm Sekunden zuvor selbst offenbart hatte. Im nächsten Moment erst fiel sein Blick auf die Wrackteile, in dem sich die andere Crew scheinbar verfangen hatte. Sein Blick wurde finsterer. Jetzt verstand er, was Ceallagh meinte. Nicht nur, dass die Position des Schiffes noch immer keinen Sinn ergab – auch war hier seines Wissens nach nichts, worauf man auflaufen konnte. Sie waren auf offener See. Keine Felsen, keine Riffe. Keine Wracks. Eigentlich. Eigentlich auch kein ätzender Nebel, was seine Gedanken dann doch irgendwie relativierte.„Du kennst dich doch mit dem Zeug aus.“, begann er, die Hände um die raue Reling geschlossen und sich leicht nach vorne beugend. „Gibt’s irgendwas, was leicht genug ist, um zu schwimmen und zwei Schiffe über Wasser zu halten? Irgendwas, was man verschifft, um’s zu verticken? Irgendwelche… Keine Ahnung – magischen Artefakte? Erze aus einer anderen Welt?“Seine Stirn war noch immer nachdenklich gerunzelt, während er weiter nach irgendwelchen Gedankengängen suchte, die sie weiterbringen würden. Aber ihm fiel nichts ein. Nichts, was er irgendwo einmal aufgeschnappt hatte. Eher zufällig wanderte sein Blick wieder nach oben und blieb an einem der verängstigen Matrosen auf dem Handelsschiff hängen, dessen Bewegung mit einem Gewehr ihm bedrohlich ins Auge stach.„Ceallagh. Achtung.“, zischte er kaum hörbar mit einem unauffälligen Nicken in die Richtung der anderen Mannschaft. „Die sind sich scheinbar noch nicht so sehr im Klaren darüber, dass wir ihre einzige Chance sind, hier lebend wegzukommen. Solange, wie die Sphinx uns jedenfalls noch nicht unter dem Arsch zerfällt.“