04.05.2021, 12:25
Ein Hauch von Geheimnis ...Der Wind frischte auf, blies Skadi und Isala ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Der Nebel um sie herum geriet träge in Bewegung, hob und senkte sich in Wellen wie eine ruhige aber doch lebendige See. Für ein paar Herzschläge tauchte das Krähennest deutlicher aus der weißen Masse auf, die sogar den Blick auf ein Stück Mast und das gereffte Segel freigab. Doch außerhalb des Nebels saßen sie auf der kleinen, hölzernen Plattform wie auf einem Präsentierteller.
Beinahe sofort erklang über ihnen ein unheilverkündendes Rauschen, das beide Frauen dazu zwang, die Köpfe zu heben. Einer der beiden Vögel – das große Weibchen, an dessen Bein noch Blut klebte – setzte unvermittelt zum Sturzflug an, warf den Unterkörper nach vorn und streckte die Klauen nach ihnen aus, um sich eine der beiden Piratinnen zu greifen. Doch bevor die Kreatur sie erreichte, schwappte erneut eine Welle weißen Dunstes über das Holz, stülpte sich für einen Moment gänzlich über das Krähennest und nahm sowohl Skadi, als auch Isala die Sicht. Nur das hektische Schlagen gewaltiger Flügel und ein protestierender Schrei sagte den beiden, dass der Vogel abgebremst und kehrt gemacht hatte, um dem Nebel nicht zu nahe zu kommen. Und als sich die weiße Masse um sie herum wieder legte, hatte sich das Tier längst um die hundert Schritt in die Höhe geschraubt und in Sicherheit gebracht.
Derweil schien sich die Aussicht nun mit rasender Geschwindigkeit zu verändern. Das Nebelmeer, auf das sie hinabblickten, zog weiter nach Westen, wurde unruhiger, bewegte sich stürmischer, schlug höhere Wellen. Es breitete sich aus, bis fast das gesamte Blau zwischen ihnen und dem Horizont heckseits verschwand. Lediglich nordöstlich ihrer Position zeichnete sich noch blass die Kontur der Insel ab, die Isala zu sehen gemeint hatte – und, wenn sie sich nicht irrten, ein deutlich breiterer Streifen Ozean, als gerade eben noch. Es blieb ihnen also kaum verborgen, dass der Nebel nach Westen zog und das Meer im Osten wieder frei gab. Und dass sich Schiff und Crew nun in seinem unmittelbaren Zentrum befanden.
Spielleitung für Isala & Skadi
Auch an Deck der beiden Schiffe spürte jeder einzelne, wie der Wind auffrischte. Die gerefften Segel der Sphinx raschelten laut. Holz schlug gegen Holz und Wellen klatschten gegen den Rumpf. Der Nebel um sie herum bildete kleine Wirbel, Verwerfungen, tanzende Schatten, in denen ein jeder etwas anderes erkennen konnte. Waren da Umrisse? Gestalten über dem Wasser?
Wenige hundert Schritt weit entfernt lief durch das Handelsschiff ein Beben, als würde unter Wasser etwas an ihrem Rumpf entlang schaben. Das Deck neigte sich ein wenig zur Seite, die Planken knarzten protestierend und ein loser Segelbaum krachte unweit der Stelle aufs Deck, an der Néniel über Bord gegangen war. Plötzlich wurde das Geräusch der Wellen, die sich am Rumpf brachen, lauter. Ein Rauschen überlagerte die Rufe der wenigen, verbliebenen Männer. Wie das Geräusch eines Bugs, der durch die Wellen schnitt. Und die ganze Zeit über erbebte der Schoner unter Jón und Griffiths Füßen.
Dann lichtete der aufkommende Wind das undurchdringliche Weiß um sie herum plötzlich und offenbarte, was er die ganze Zeit über verborgen hatte: Ihr Schiff war tatsächlich auf etwas aufgelaufen. Jedoch nicht auf eine Insel, eine Landmasse oder dergleichen – sondern auf das Wrack eines anderen Schiffes. Der Bug des Schoners hatte sich in das halb versunkene Deck eines kleinen Zweimasters gebohrt und darin hoffnungslos verkeilt. Direkt unterhalb des Spriets ragte das halb zerfallene Achterdeck in die Höhe. Ein verwitterter Schriftzug auf dem Rumpf verriet ihren Namen: Die „Salamander“.
Überhaupt wirkten die Überreste ganz so, als läge das fremde Schiff bereits seit Jahrzehnten hier, was jedoch angesichts der zerstörerischen Eigenschaften dieses Nebels kein Wunder war. Und noch etwas stimmte an dieser ganzen Situation nicht: Sie befanden sich nach wie vor weit draußen auf See. Die nächste Insel lag Meilen entfernt und es sollte hier kein Riff, keine Felsformation unter Wasser geben, auf der das Wrack hätte liegen können. Warum also lag es immer noch halb über der Oberfläche? Was verhinderte, dass es sank? Und sie mit ihm.
„D...d...d... Die Piraten!“, rief plötzlich einer der überlebenden Seemänner nicht weit von Griffith entfernt und deutete mit zitternd ausgestrecktem Finger nach steuerbord. Dort, keine fünfzehn Schritt von ihnen entfernt, schaukelte die Sphinx mit gerefften Segeln auf den Wellen, als hätte sie bereits die ganze Zeit dort gestanden und gewartet, dass der Nebel sich lichtete. Nah genug, um nun, da die Sicht sich schlagartig besserte, jedes einzelne Gesicht an Bord erkennen zu können.
Nur von Néniel fehlte jede Spur.
Spielleitung für Jón & Griffith
Spielleitung für die gesamte Crew
Shortfacts
# Der Wind frischt spürbar auf und bringt den Nebel in Bewegung
# Skadi und Isala erkennen deutlich, dass der Nebel nach Westen zieht
# Alles nördlich und östlich davon scheint wieder sicher zu sein
# Die Sphinx und das Handelsschiff befinden sich genau im Zentrum des Nebels
# Die Vögel meiden den Nebel inzwischen konsequent und greifen nur an, wenn sich eine Gelegenheit bietet
# Auf Höhe der Decks lichtet sich der Nebel, die Sichtweite steigt auf mehr als 50 Meter
# Das Handelsschiff ist auf ein Wrack aufgelaufen und steckt fest; Sein Heck sinkt allerdings weiter
# Als der Nebel sich lichtet, befindet sich die Sphinx plötzlich unmittelbar neben dem Handelsschiff, obwohl sie noch mehrere hundert Meter entfernt hätte sein sollen
# Die Entfernung zwischen beiden Schiffen beträgt etwa 15 Meter
# Der Name des Wracks ist von beiden Schiffen aus gut lesbar
# Das Handelsschiff ist Leck geschlagen, zwei Masten sind zerstört, die Beiboote unbrauchbar. Die Planken sind bereits merklich rauer geworden, die Reling an vereinzelten Stellen regelrecht morsch und brüchig.
# Die Sphinx scheint den Nebel besser zu vertragen. Alles, was jüngst in der Werft bemalt oder überteert wurde, oder aktuell unter Wasser liegt, ist intakt. Lediglich das Holz der Masten, der Reling und der Deckplanken wird spürbar rauer. Alles aus Eisen ist von einer dünnen Rostschicht überzogen, Messing bleibt jedoch gänzlich unversehrt. Unter Deck dringt nur wenig Nebel ein, hauptsächlich durch offene Türen oder Kanonenluken, sodass sich der Schaden am Holz in Grenzen hält.