20.04.2021, 19:33
Absurderweise dämpfte seine ausgesprochene Vorstellung seine Unruhe tatsächlich ein bisschen. Nicht, weil er komplett davon überzeugt war, dass es Meerjungfrauen wirklich gab (genauso wenig allerdings auch davon, dass es sie nicht gab). Auch nicht, weil er glaubte, dass sie irgendeinen Grund hätten, sie wirklich zu retten. Aber der Gedanke ließ ihn der Realität ein bisschen entfliehen und machte die umringende Gefahr leichter. Ein Abenteuer. Eines, das beendet sein würde, sobald er die Augen wieder aufschlug, solange er nur das Brennen in seiner Hand ignorieren konnte. Und solange er sich davon abhielt, sich weiter Gedanken zu machen.
Irgendwo im Nebel schwoll ein Brabbeln heran. Liam verengte die Augen und lauschte auf die Stimme, die keinen direkten Gesprächspartner zu haben schien. Jedenfalls wurde sie von keinem unterbrochen, führte viel mehr Selbstgespräche und stellte sich schließlich unweigerlich als Trevor heraus, als die Wortfetzen, die im Wirrwarr bei ihnen ankamen, deutlicher und klarer wurden. Ein Teil von Liam war froh, ihn unversehrt und an Deck zu wissen. Ein anderer Teil von ihm verabschiedete sich gerade von der Vorahnung, dass er es gewesen war, der spektakulär über die Reling katapultiert worden war und zog den Knoten in seinem Magen fester zusammen. Der Schatten des Jüngeren tauchte schließlich im Dunst auf und schälte sich immer weiter aus der verschommenen Suppe, bis sie gefährlich nah kam und schließlich ohne zu bremsen in Rayon hinein rannte. Eine Sekunde zuvor war der Künstler ganz automatisch einen Schritt zurückgetreten, um nicht selbst Opfer des Zusammenpralls zu werden. Das, was Trevor berichtete, deckte sich mit ihren Erkenntnissen. Liams Stirn legte sich abermals nachdenklich und beunruhigt in Falten, bis ihn ein anderer Ruf aus dem Gespräch riss und ihm etwas leichter um die Brust wurde.
„…Drachen?“, wiederholte er das Ende von Trevors Bericht zögerlich, weil er während des restlichen Teils in seinen eigenen Gedanken versunken gewesen war. Er brauchte eine Sekunde, bis er wieder an das Gespräch angeknüpft hatte. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. „Ja, haben wir. Habt ihr ihn vom Himmel geholt?“
Oder warum hatte er von ihnen abgelassen? Hatten sie ihn zumindest verletzt? So, dass er von ihnen abgelassen und sich lieber zurückgezogen hatte?
„Trevor, wer ist über Bord gegangen?“, fuhr er fort, während er dem Chaoten eines der Tücher reichte, die sie dabei hatten. „Hier, binde dir eins um die Wunde, das nimmt den Schmerz ein bisschen. Und eins, um den Nebel nicht direkt einzuatmen.“