18.04.2021, 21:16
Das Chaos brach herein. Schwappte über die Reling des Schiffes und verwirbelte sich mit jedem Schritt, den die Mannschaft übers Deck setzte. Schemen und Schatten kamen und gingen. Rufe durchbrachen den dichten weißen Schleier, der allmählich bis hoch zum Krähennest reichte. Ceallagh hob den Kopf. Lauschte in die Stille zwischen all den Lauten. Etwas setzte sich wie ein dickes Kind in seinen Magen. Wälzte sich. Streckte sich explosionsartig gegen seine Rippen. Und zog sich wieder zu einem festen Ball zusammen. Es war nur eine Vorahnung, dass dies noch immer das Vorgeplänkel war. Eine lange Ouvertüre für den eigentlichen ersten Akt.
Irgendetwas übersehen wir…
Langsam wandte er sich herum. Spürte wie die Sohle seines Stiefels auf dem feinen Wasserfilm über die Planke rutschte, den der Nebel mit jeder verstreichenden Minute hinterließ. Ignorierte das sanfte Kribbeln auf Händen und Gesicht und war drauf und dran Josiah an den Segeln Gesellschaft zu leisten, als er blind gegen etwas stieß. Ein Schmerz durchzog seine linke Schulter. Bohrte sich tief durch die verheilte Narbe, die Ceallagh augenblicklich mit einer Hand bedeckte. Hitze strahlte durch den dunklen Stoff seines Hemdes hindurch. Fast als hätte ihn ein Schlag getroffen.
“ Was beim Klabautermann…“
Er wandte den Kopf herum. Sah zur Seite in das endlose Nichts aus diffusem Weiß. Hatte er sich den Druck gegen seine Seite nur eingebildet? Irritiert suchten die blau-grünen Augen nach einem Fremdkörper. Einem „Etwas“ das nicht hier her gehörte. Doch es gab nichts. Keine Anzeichen irgendeiner anderen Person, die er übersehen hatte. Keine Kiste. Kein Mast.
Soulas Geschrei rückte die Gedanken des Schmugglers in die Gegenwart zurück. Zog den wachsamen Blick und zusammengezogene Brauen magnetisch auf sich. Lucien und die anderen waren in seinem Rücken längst verschwunden. Das spürte er mehr, dass er es genau wusste. Und wenngleich er die Schemen der jungen Frau und einer weiteren Person nur schwach erkannte, brauchte es keine Minute, in der er verstand, was vorgefallen war. Ihre Körperhaltung. James Hände im Gesicht der Jüngeren. Zwei Schritte und er hatte sie erreicht. Zwei Schritte in denen sie sich von dem anderen losriss und die Netze vom Boden aufraffte. Weitere zwei in denen er ihnen wortlos, aber mit einem amüsierten Schmunzeln auf den Lippen folgte. James musste wohl panische Angst gehabt haben, dass ihm dermaßen die Sicherungen durchgebrannt waren. Oder er fand es den besten Zeitpunkt einen auf dicke Hose zu machen. So oder so belustigte es den Hünen mehr, als dass er mit Soula mitfühlte. Angesichts ihres vehementen Widerstands, hätte sie ihm einfach ein hübsches Veilchen verpassen sollen. Und erst als Alex über das Deck raunte, räusperte sich der Blondschopf. Ließ einen vielsagenden Blick auf James gleiten, als er an der kleinen Gruppe vorbei zu dem Lockenkopf hinüber lief.
“James könnte Unterricht im Küssen gebrauchen, wie es aussieht. Soula schien nicht sonderlich begeistert.“
Tief in Wunden bohren. Das war, was ihm Zeit seines Lebens schon Spaß gemacht hatte. Und letztlich konnte er immerhin behaupten, dass ihm der Fremde eine passende Steilvorlage geboten hatte.
[erst allein, gegen etwas rennend | dann in der Nähe bei Soula und James | später ihnen folgend und in Richtung Alex unterwegs]