28.03.2021, 09:25
Etwas nervös wartete Soula ab, welche Möglichkeit dem Captain am besten gefallen würde. Dann lehnte er ihren Vorschlag, später zu kommen, allerdings ab und machte sich auf den Weg zu ihnen runter. Soula verschränkte die Hände ineinander, da sie wusste, das sie sonst nervös herumspielen würde. Das wollte sie unter allen Umständen unterbinden. Wenn das hier die Chance werden würde, diese Insel zu verlassen, dann wollte sie es definitiv nicht versauen. Auf die beiläufigen Worte wusste sie erst Mal auch gar nichts zu antworten und wartete deswegen noch etwas mehr ab. Die Fremde schien mehr darauf antworten zu können und dabei beließ es Soula auch. „Ich habe auf jeden Fall großes Interesse daran bei euch anzuheuern“, antwortete sie und nickte bestärkend. „Vorausgesetzt ihr sucht noch neue Mitglieder.“ Dann folgte Soula dem Blick des Captains auf die Schwarzhaarige. ‚reizend‘ wäre jetzt nicht das Wort, das sie gewählt hätte, um sie zu beschreiben, aber vielleicht hatte das ja auch etwas mit Ironie zu tun. „Ja, sie hat erzählt, dass ihr Piraten seid“, stimmte sie zu und ließ nicht anmerken, dass sie nach diesem Wissen erst mal noch darüber nachdenken muss, ob sie sich wirklich anschließen wollte. Aber das musste sie auch eh noch mit Loki besprechen. „Wir wären zu zweit und es wäre toll die Insel verlassen zu können.“ WIE toll das wäre uns welche Gründe dahinter steckten, behielt sie lieber für sich.
Nur einen Moment lang verzog Lucien die Lippen zu einem zynischen Lächeln, warf Shanaya einen knappen Seitenblick zu. „Mit nichts weiter als festen Boden unter meinen Füßen. Bestimmt!“ Sein Ton triefte nur so vor gutmütigem Sarkasmus, womit er das Thema auch schon wieder fallen ließ. Vielmehr interessierte ihn die Antwort der Fremden auf die Frage, mit wem sie glaubte, es hier zu tun zu haben, doch wieder war es die Schwarzhaarige, die zu erst antwortete. Dieses Mal erschien wirkliche Belustigung auf seinen Zügen. Reizend war definitiv ironisch gemeint. Er wusste ganz genau, wie Shanaya sein konnte. Vor allem, wie gern sie testete. Er musste schmunzeln, behielt dabei jedoch die Brünette im Blick, die Shanayas Aussage bestätigte. Und ihren Wunsch beteuerte, unbedingt bei ihnen anheuern zu wollen. „Also schön...“ Was auch immer sie sich davon versprach, ausgerechnet auf einem Piratenschiff anzuheuern. Was auch immer sie dazu trieb – und ganz gewiss hatte sie ihre Gründe, die verhinderten, dass sie sich ein paar gesetzestreueren Bürgern anschloss – der Dunkelhaarige fragte nicht danach. Sie hatten alle ihre Gründe. Alle ihre Geschichten. Und sie interessierten Lucien nicht.
Doch als er zu einer Antwort ansetzte, unterbrach Shanaya ihn, lenkte seine Aufmerksamkeit kurz zu ihr. Sie streckte die Hand nach ihm aus, den Blick auf irgendetwas oberhalb seines Gesichtes gerichtet, was ihn ihr Vorhaben unterbewusst ahnen ließ. Er stieß ein leises, ergebenes Seufzen aus und neigte den Kopf ein wenig, damit sie was-auch-immer aus seinem Haar fischen konnte, bevor er sich selbst mit den Fingern hindurch fuhr, um das leichte Kribbeln zu vertreiben, das zurück blieb. „Herzlichen Dank.“, warf er mit sanftem Spott in der Stimme in ihre Richtung, bevor er sich doch noch an die Fremde wandte. „Kommt ganz drauf an, was ihr uns anbieten könnt. Helfende Hände kann eine Mannschaft immer gebrauchen, aber was könnt ihr uns darüber hinaus bieten? Mal ganz davon abgesehen...“ Er wandte sich halb zurück zum Schiff und nickte in dessen Richtung, womit er zugleich Shanayas Frage beantwortete. „...liegt unser Schiff gerade auf dem Trockenen. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir wieder in See stechen. Wie eilig haben du und dein Begleiter es denn?“
Die Fremde beachtete Shanaya nicht weiter, sprach nicht zu ihr, und genau das war der jungen Frau ganz Recht. Lucien hingegen, der wusste, wie er ihre Worte aufzunehmen hatte, schmunzelte nur. Shanaya lauschte halbherzig den Erzählungen der anderen Frau, ehe sie ihren Captain von dem Stück Holz in seinen Haaren befreite und ihm auf seinen kurzen Dank hin ein vielsagendes Grinsen zu warf. Die Verlockung war groß, es nicht sein zu lassen, vor allem, als der Mann sich selbst durch die Haare wuschelte. Aber ganz offensichtlich hatte er jetzt erst einmal mit der Fremden zu tun. Mit Worten, die er an die Dunkelhaarige richtete, beantwortete er auch halb eine ihrer Fragen, was die Schwarzhaarige leise zum Seufzen brachte. Vermutlich konnte niemand genau sagen, wann sie in See stechen würden. Eine Tatsache, die ihrer Ungeduld nicht gerade zuträglich war. Kurz verfolgte sie den Gedanken, irgendwelche Hafenarbeiter anzuheuern, sie teuer zu bezahlen, damit die Sphinx bald wieder in See stechen konnte. Aber wollte sie IRGENDWELCHE Leute an dem Schiff arbeiten lassen? Eher nicht. Ein erneutes Seufzen. Zum Trost kramte die junge Frau in ihrer Tasche, fischte ein Stück Dörrfleisch heraus, auf dem sie wenige Sekunden später herum kaute. „Ist dein Begleiter für irgendwas Bestimmtes zu gebrauchen?“ Fragend musterte sie die Dunkelhaarige. Vielleicht hatte er (Shanaya ging einfach Mal davon aus, dass es sich dabei um einen Mann handelte) ja irgendeine Ahnung, was er zu tun hatte. Einfach nur um das Unwissen der Frau auszugleichen, sollte sie der Crew wirklich beitreten.
Die beiden Frauen beachteten sich kaum noch und deswegen galt die volle Aufmerksamkeit auch dem Captain der Crew. Soula wollte es definitiv nicht riskieren mit mit einer Crew zu segeln, die Recht und Ordnung zu schätzen wussten. Würde da auch nur einer herausfinden, was Soula dazu trieb Calbota zu verlassen, wusste sie auch nicht genau, was dann passieren würde. Deswegen würde sie diese Möglichkeit nur dann ergreifen, wenn es gar nicht mehr anders ging. Piraten waren davon zwar genau das Gegenteil, aber vielleicht auch nicht die schlechteste Wahl. Das würde sie sich nochmal durch den Kopf gehen lassen. Beides hatte Vor- und Nachteile, welche sie in Ruhe abwägen würde. Schmunzelnd beobachtete Soula, wie die Dunkelhaarige ihm das dünne Holz aus den Haaren zupfte, und der Captain sich seinem Schicksal zu ergeben schien, es zuließ und sich bedankte. Was Soula bieten konnte war aktuell vielleicht noch nichts, was man auf einem Schiff aktiv gebrauchen konnte. Dafür aber sehr gut an Land. „Auf dem Schiff braucht man es vielleicht weniger. Allerdings bin ich gut darin unbemerkt in andere Häuser zu schlüpfen und Dinge von Wert mitgehen zu lassen. So bin ich schon häufig an gewisse Schätze gekommen.“ Auch Karten von anderen Inseln waren oft darunter. „Ansonsten bin ich sehr lernfähig und kann an Board bei allem Möglichen Unterstützung leisten. Ich war noch nie auf See und kann deswegen in der Hinsicht keine Erfahrungen mitbringen. Mein Begleiter allerdings schon.“ Ob Loki jetzt aktiv kämpfen oder mit einer Waffe umgehen konnte, wusste Soula tatsächlich nicht so wirklich. Das hatte sie nie mitbekommen und auch nicht erfragt. Vielleicht konnten diese Angaben aber auch schon ausreichen, auch wenn Soula an Land wohl erst mal eine bessere Hilfe darstellen würde, als auf See, aber sie war sich sicher, dass sich das mit der Zeit ändern würde. Eigentlich... hatte es Soula sehr eilig, aber es gehörte eben auch ein bisschen Glück dazu. "Wie lange würde es denn noch dauern? So schnell wie möglich wäre natürlich gut." Sie hatte von der Dunkelhaarigen bereits den Eindruck erhalten, dass diese ebenfalls so schnell wie möglich wieder auf See wollte. Demnach waren das gute Voraussetzungen, oder?
Am Rande seines Blickfelds kramte Shanaya beiläufig in ihrer Tasche und förderte schließlich ein Stück Dörrfleisch zu Tage. Ein Anblick, der ihn flüchtig schmunzeln ließ. Langsam erhärtete sich wirklich der Eindruck, dass sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit etwas zwischen die Zähne brauchte. Fragte sich nur, wo sie das alles hin futterte. Doch Luciens Blick kehrte nur kommentarlos zu der Fremden zurück und auf seine Lippen legte sich ein Schmunzeln, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte. „Ah, ein Langfinger also. Damit wärst du bei uns in guter Gesellschaft.“ Shanayas ergänzende Frage und die Antwort darauf quittierte er mit einem verstehenden Nicken, während er sich eine zweite Musterung der schlanken Gestalt erlaubte, die da vor ihm stand. Die Kleine war also auf der Flucht. „Klingt, als wärt ihr in letzter Zeit bei den falschen Leuten eingestiegen“, stellte er fest, ohne wirklich nach den Hintergründen zu fragen. „Schwer zu sagen, wann wir wieder in See stechen können. In zwei, drei Wochen vielleicht. Aber wenn ihr schnell von der Bildfläche verschwinden müsst: Wir sind in einem Bordell untergekommen, das für seine Verschwiegenheit bekannt ist. Nicht weit von hier. Dort wärt ihr vorläufig sicher.“ Er hielt einen Moment inne, ließ sie diese Information erst einmal verarbeiten, bevor sich ein Lächeln gutmütigen Spotts auf seine Lippen stahl. „Ich vermute, ein ehrlicheres Angebot wirst du nicht bekommen. Jedenfalls nicht in den Kreisen, in denen du dich gerade bewegst. Also überleg' es dir. Wir nehmen euch mit, wenn die Sphinx wieder seetüchtig ist – sofern ihr dann noch eine Mitfahrgelegenheit braucht.“ Wären sie erst einmal tot oder verhaftet, brauchten sie wohl keine mehr, aber das musste er wahrscheinlich nicht extra betonen.
Shanaya schob sich das zweite Stück des Fleisches in den Mund, kaute nachdenklich darauf herum und ließ den Blick zur Sphinx schweifen. Zwei, vielleicht drei Wochen. Sie wusste, dass es Lucien in etwa so ging, wie ihr, was dieses lange Verharren hier anging. Sie seufzte, richtete die blauen Augen dann zu der anderen Frau zurück, die auf ihre Frage antwortete. Ihr lag auf der Zunge, dass man sich dann vielleicht auf einen von den Beiden verlassen konnte – aber die Schwarzhaarige schluckte diese Worte einfach herunter. Stattdessen stützte sie sich auf ihre Krücke und musterte die Frau mit prüfendem Blick. Lucien bot ihr an, auch in dem Bordell unter zu kommen und Shanaya wollte die Reaktion darauf nicht verpassen. Sie kaute noch ein bisschen auf dem Fleisch herum, schluckte dann. „Wir müssen uns also auf noch mehr Verfolger einstellen, wenn ihr der Crew beitretet.“ Eine neutrale Feststellung, mit der sie den Kopf etwas zur Seite neigte. Nicht, dass sie das störte, aber sie wusste einfach gern, woran sie war. „Sieht dein Begleiter gut aus? Und ganz unter uns… ist er mehr so eine Mimose oder kann man ihn als Mann bezeichnen?“ Noch einmal fischte sie ein Stück Dörrfleisch heraus, warf Lucien nur einen kurzen Blick zu, ein Grinsen, ehe sich die blauen Augen wieder auf die Fremde legten. Wie erwähnt, wusste sie gern, woran sie war.
Sie schmunzelte und zuckte mit den Schultern, als er sie als Langfinger bezeichnete. Es klang aber sehr positiv, dass sie damit in guter Gesellschaft war. „Das freut mich sehr,“ erwiderte sie. Sie neigte auf die nächste Aussage kurz den Kopf. „Eher mit den falschen Leuten angelegt.“ So konnte man es tatsächlich etwas besser beschreiben. Immerhin hatte sie nicht aus einem Haus direkt gestohlen, um ihre aktuelle Situation zu erleben, sondern hatte betrogen. Aber das war bei Piraten auch hoffentlich völlig egal, denn Betrug stand da doch an der Tagesordnung, oder? Als die junge Frau neben ihr auf die Verfolger zu sprechen kam zögerte sie kurz. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich die Mühe machen würden die Insel zu verlassen.“ Aber sicher war sie sich eben auch nicht, was sie auch zum Ausdruck brachte. Soula selbst schätzte sich nicht für besonders wichtig, als dass man solche Mühen auf sich nahm, um sie weiter zu jagen. Damit konnte sie sich aber durchaus täuschen. Auf Calbota selber würde man sie weiter verfolgen, da war sie sich sicher, aber auf See? Sie sah nicht den Sinn und Zweck ihre Vermutung für sich zu behalten, auch wenn sie damit bestätigte, dass sie verfolgt wurde. Immerhin ahnten die beiden es schon selbst. Zwei oder drei Wochen klang schon ziemlich lange. Aber bisher hatte Soula noch kein anderes Angebot erhalten, davon abgesehen erhielt sie noch ein weiteres, was sie merkte, als er von dem Bordell erzählte. Sie horchte auf, das klang gut. „Vielen Dank, da werde ich mich mal erkundigen.“ Nicht, dass sich dahinter doch noch eine Falle versteckte. Bei Piraten und Dieben wusste man schließlich nie. Blindes Vertrauen war nie gut. Dann wandte sie sich wieder der Fremden zu und grinste. „Ob er gut aussieht, muss wohl jeder selbst entscheiden, spielt das für dich etwa eine Rolle?“, fragte sie und lächelte amüsiert. „Eine Mimose ist er definitiv nicht.“ Er sagte Soula auch mal seine Meinung, wenn es sein musste. Sie sah zum Captain „Ich werde das mit ihm besprechen und sonst läuft man sich wahrscheinlich in besagtem Bordell über den Weg.“
Lucien folgte dem kurzen Austausch der beiden Frauen mit einem amüsierten Ausdruck in den tiefgrünen Augen. Schließlich stieß er einen leisen Laut aus, der verdächtig nach dem Anflug eines ironischen Lachens klang. „Ich würde sagen, das ist nichts, womit wir nicht inzwischen umgehen könnten“, erwiderte er auf die Sorge der einen und die Feststellung der anderen. Ob die Verfolger der Fremden sich die Mühe machten, die Insel zu verlassen, oder auch nicht: Sie waren nicht die ersten, die sich an die Fersen eines Crewmitglieds hefteten. Was machte also schon einer mehr oder weniger? Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die junge Frau direkt vor ihm und verzog die Lippen zu einem Schmunzeln. Sie würde sich erkundigen. Gut. Vorsichtig jedenfalls war sie. Lucien nickte knapp, dachte für einen Herzschlag lang darüber nach, wie sicher es war, der Fremden einen Namen zu nennen und kam zu dem Schluss, dass es hier auf dieser Insel ohnehin kaum eine Rolle spielte. Also fügte er an: „Solltet ihr euch entscheiden, zum Bordell zu kommen, sagt den Mädchen, ihr seid eine Freundin Talin Draveans. Dann werden sie wissen, dass ihr zu uns wollt und euch einen Unterschlupf bieten.“ Was ihren mysteriösen Begleiter anging, so schwieg Lucien sich aus. Die Berichte anderer nützten ihm in einer Einschätzung ohnehin nichts und zudem war er sich absolut sicher, dass die Schwarzhaarige neben ihm auch diesen Kandidaten auf Herz und Nieren testen würde. Dann und nur dann würde sich wohl herausstellen, ob er eine Mimose war, oder nicht. Ein hintergründiges Lächeln konnte sich der Dunkelhaarige über diesen Gedanken nicht verkneifen, nickte der jungen Frau aber nur noch einmal bestätigend zu und sah dann von ihr zu Shanaya. „Gut, wenn das dann alles wäre, mache ich mich wieder an die Arbeit.“ Außer, sie hatte noch etwas?
Auf Luciens Worte hin legte sich ein amüsiertes Schmunzeln auf die Lippen der jungen Frau, mit dem sie den Kopf etwas zur Seite neigte und ihren Captain einen Moment lang musterte. „Ich habe schließlich auch so meine Erfahrungen mit Verfolgern.“ Was die beiden folgend besprachen, ließ Shanaya wieder zur stillen Zuhörerin werden, deren heller Blick aufmerksam die Umgebung betrachtete. Erst, als Soula auf ihre Fragen antwortete, wandte sie den Blick zu ihr herum, ohne den Kopf dabei zu bewegen. Ein tiefgründiges Lächeln legte sich auf ihre Lippen. „Ich bin ein oberflächliches Mistvieh, also zählt das für mich schon.“ Das tat es nicht wirklich, aber… wer hatte nicht gern etwas… leckeres in der Nähe. Shanaya schmunzelte selbst über diesen Gedanken, warf Lucien einen kurzen Blick zu und fügte dann für Soula noch ein ruhiges „Davon kann er mich dann ja selbst überzeugen“ an. Dann sprach Lucien wieder und die Schwarzhaarige überlegte auf seine Frage hin für einen Moment. „Ich würde gern noch kurz unter vier Augen mit dir sprechen. Geht ganz schnell.“ Sie wollte ihn ja auch nicht davon abhalten zu sorgen, dass sie schnell von dieser Insel weg kamen. Damit richtete sich Shanayas blauer Blick auf Soula, abwartend, ob sie noch etwas zu sagen hatte, oder gehen würde.
Ein breites Grinsen erschien auf Soulas Zügen. Entweder hatte sie hier gerade großes Glück oder überaus viel Pech. Sie hoffte einfach, dass es sich um Glück handelte und es wäre zu begrüßen, wenn es sie wieder öfter ereilen würde. Dass es Verfolger gab, schien keinen der beiden groß in Sorge versinken zu lassen und das war bestimmt gut! Noch überraschter von der gesamten Situation schien Soula zu sein, als der Captain ihr einen Namen nannte, den sie im Bordell verwenden konnte. Es sorgte allerdings noch mehr dafür, dass die Diebin vorsichtig wurde. Fremden irgendein Vertrauen schenken war nichts, was Soula gerne tat. Wenn man ihr Hilfe anbot, war sie aber auch nicht abgeneigt, sie würde nur sehr bedacht vorgehen. „Vielen Dank, das weiß ich sehr zu schätzen.“ Shanaya selbst schien ein sehr interessanter Charakter zu sein. Soula schmunzelte bei ihren Worten und nickte zustimmend. Das konnte Loki sicher selbst zeigen. Damit schien das Gespräch vorerst beendet zu sein. Sie wollte den Captain auch nicht länger als nötig von seiner Arbeit abhalten. „Ich bedanke mich für eure Zeit“, meinte sie und sah von Lucien zu Shanaya, die sich ebenfalls die Zeit genommen hatte. Selbstverständlich war das in Soulas Welt definitiv nicht. „Wir sehen uns bestimmt bald wieder“, sagte sie dann abschließend und verließ die beiden Piraten.
Dass Shanaya im Anschluss noch etwas mit ihm besprechen wollte, überraschte den Dunkelhaarigen zwar, doch er nickte nur kurz und wandte sich dann wieder der Fremden zu. Sie schien damit zu haben, was sie wollte. Wirkte insgesamt zufrieden – wenn auch bedacht. Als sie sich verabschiedete, lächelte Lucien nur, neigte den Kopf zum Gruß und hielt sie nicht weiter auf. Ob sie ihre Worte wahr machte und die Gelegenheit nutzte, die sich ihr geboten hatte, würde sich noch früh genug zeigen. Er jedenfalls wartete mit durchaus regem Interesse. Schließlich jedoch wandte er sich an Shanaya. Auf den Lippen ein ruhiges Lächeln, auch wenn sie ihm wahrscheinlich ansah, dass er zumindest gedanklich schon wieder halb auf dem Sprung war. „Was gibt es denn noch?“, fragte er ohne jeden Ärger in der Stimme.
Shanaya beantwortete den Dank und den kurzen Blick der anderen Frau mit einer neutralen Miene. Vielleicht sahen sie sie ja nie wieder – dann wäre diese Zeit vertane Zeit gewesen. Ob sie den Schneid hatte, sich einer Piratencrew anzuschließen? Eigentlich war es Shanaya egal und als die Dunkelhaarige sich abwandte, warf sie ihr nicht einmal einen Blick hinterher. Stattdessen richteten sich die blauen Augen auf Lucien, jetzt ein beinahe vorsichtiges Lächeln auf den Lippen. „Nichts Großes, ich übe mich nur in Nettigkeit…“ Was gelogen war – und das das war an ihrer Stimme und an dem Blick in den hellen Augen zu erkennen. „Sonst hätte ich ihr ja sagen müssen, dass ich keine Lust habe, zeitgleich mit ihr zu gehen, sonst quatscht sie mich nur von der Seite an.“ Damit umfasste die Schwarzhaarige ihre Krücke wieder etwas fester, neigte leicht den Kopf. „Und jetzt sorg am besten dafür, dass wir hier so schnell wie möglich wieder weg kommen.“ Ein warmes Lächeln galt Lucien, ehe sie sich zum Gehen herum wandte.
Sein Mundwinkel zuckte spöttisch, verwandelte das ruhige Lächeln in ein trockenes, voller Ironie. „Ah, verstehe. Du wolltest also ihre Gefühle nicht verletzen“, erwiderte er nun doch eine Spur weniger gelassen. Den kleinen Seitenhieb, so versteckt er auch sein mochte, konnte er sich an dieser Stelle nicht verkneifen. Denn so ganz verziehen hatte Lucien ihr noch immer nicht, auch wenn er sich Shanaya gegenüber nicht elendig nachtragend benahm und den Kontakt mit ihr mied. Nur manchmal, manchmal erlaubte er sich so eine Anspielung.
Doch der Dunkelhaarige griff das Thema nicht weiter auf, sondern hob nur die Hand, um sich zum Abschied an den imaginären Hut zu tippen, und sein Lächeln wurde wieder ehrlicher. „Ich gebe mein Bestes. Wir sehen uns dann nachher.“ Noch einen kurzen Augenblick ruhten die tiefgrünen Augen auf der Schwarzhaarigen, dann wandte er sich dem Schiff zu, um sich wieder an die Arbeit zu machen.
Nur einen Moment lang verzog Lucien die Lippen zu einem zynischen Lächeln, warf Shanaya einen knappen Seitenblick zu. „Mit nichts weiter als festen Boden unter meinen Füßen. Bestimmt!“ Sein Ton triefte nur so vor gutmütigem Sarkasmus, womit er das Thema auch schon wieder fallen ließ. Vielmehr interessierte ihn die Antwort der Fremden auf die Frage, mit wem sie glaubte, es hier zu tun zu haben, doch wieder war es die Schwarzhaarige, die zu erst antwortete. Dieses Mal erschien wirkliche Belustigung auf seinen Zügen. Reizend war definitiv ironisch gemeint. Er wusste ganz genau, wie Shanaya sein konnte. Vor allem, wie gern sie testete. Er musste schmunzeln, behielt dabei jedoch die Brünette im Blick, die Shanayas Aussage bestätigte. Und ihren Wunsch beteuerte, unbedingt bei ihnen anheuern zu wollen. „Also schön...“ Was auch immer sie sich davon versprach, ausgerechnet auf einem Piratenschiff anzuheuern. Was auch immer sie dazu trieb – und ganz gewiss hatte sie ihre Gründe, die verhinderten, dass sie sich ein paar gesetzestreueren Bürgern anschloss – der Dunkelhaarige fragte nicht danach. Sie hatten alle ihre Gründe. Alle ihre Geschichten. Und sie interessierten Lucien nicht.
Doch als er zu einer Antwort ansetzte, unterbrach Shanaya ihn, lenkte seine Aufmerksamkeit kurz zu ihr. Sie streckte die Hand nach ihm aus, den Blick auf irgendetwas oberhalb seines Gesichtes gerichtet, was ihn ihr Vorhaben unterbewusst ahnen ließ. Er stieß ein leises, ergebenes Seufzen aus und neigte den Kopf ein wenig, damit sie was-auch-immer aus seinem Haar fischen konnte, bevor er sich selbst mit den Fingern hindurch fuhr, um das leichte Kribbeln zu vertreiben, das zurück blieb. „Herzlichen Dank.“, warf er mit sanftem Spott in der Stimme in ihre Richtung, bevor er sich doch noch an die Fremde wandte. „Kommt ganz drauf an, was ihr uns anbieten könnt. Helfende Hände kann eine Mannschaft immer gebrauchen, aber was könnt ihr uns darüber hinaus bieten? Mal ganz davon abgesehen...“ Er wandte sich halb zurück zum Schiff und nickte in dessen Richtung, womit er zugleich Shanayas Frage beantwortete. „...liegt unser Schiff gerade auf dem Trockenen. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir wieder in See stechen. Wie eilig haben du und dein Begleiter es denn?“
Die Fremde beachtete Shanaya nicht weiter, sprach nicht zu ihr, und genau das war der jungen Frau ganz Recht. Lucien hingegen, der wusste, wie er ihre Worte aufzunehmen hatte, schmunzelte nur. Shanaya lauschte halbherzig den Erzählungen der anderen Frau, ehe sie ihren Captain von dem Stück Holz in seinen Haaren befreite und ihm auf seinen kurzen Dank hin ein vielsagendes Grinsen zu warf. Die Verlockung war groß, es nicht sein zu lassen, vor allem, als der Mann sich selbst durch die Haare wuschelte. Aber ganz offensichtlich hatte er jetzt erst einmal mit der Fremden zu tun. Mit Worten, die er an die Dunkelhaarige richtete, beantwortete er auch halb eine ihrer Fragen, was die Schwarzhaarige leise zum Seufzen brachte. Vermutlich konnte niemand genau sagen, wann sie in See stechen würden. Eine Tatsache, die ihrer Ungeduld nicht gerade zuträglich war. Kurz verfolgte sie den Gedanken, irgendwelche Hafenarbeiter anzuheuern, sie teuer zu bezahlen, damit die Sphinx bald wieder in See stechen konnte. Aber wollte sie IRGENDWELCHE Leute an dem Schiff arbeiten lassen? Eher nicht. Ein erneutes Seufzen. Zum Trost kramte die junge Frau in ihrer Tasche, fischte ein Stück Dörrfleisch heraus, auf dem sie wenige Sekunden später herum kaute. „Ist dein Begleiter für irgendwas Bestimmtes zu gebrauchen?“ Fragend musterte sie die Dunkelhaarige. Vielleicht hatte er (Shanaya ging einfach Mal davon aus, dass es sich dabei um einen Mann handelte) ja irgendeine Ahnung, was er zu tun hatte. Einfach nur um das Unwissen der Frau auszugleichen, sollte sie der Crew wirklich beitreten.
Die beiden Frauen beachteten sich kaum noch und deswegen galt die volle Aufmerksamkeit auch dem Captain der Crew. Soula wollte es definitiv nicht riskieren mit mit einer Crew zu segeln, die Recht und Ordnung zu schätzen wussten. Würde da auch nur einer herausfinden, was Soula dazu trieb Calbota zu verlassen, wusste sie auch nicht genau, was dann passieren würde. Deswegen würde sie diese Möglichkeit nur dann ergreifen, wenn es gar nicht mehr anders ging. Piraten waren davon zwar genau das Gegenteil, aber vielleicht auch nicht die schlechteste Wahl. Das würde sie sich nochmal durch den Kopf gehen lassen. Beides hatte Vor- und Nachteile, welche sie in Ruhe abwägen würde. Schmunzelnd beobachtete Soula, wie die Dunkelhaarige ihm das dünne Holz aus den Haaren zupfte, und der Captain sich seinem Schicksal zu ergeben schien, es zuließ und sich bedankte. Was Soula bieten konnte war aktuell vielleicht noch nichts, was man auf einem Schiff aktiv gebrauchen konnte. Dafür aber sehr gut an Land. „Auf dem Schiff braucht man es vielleicht weniger. Allerdings bin ich gut darin unbemerkt in andere Häuser zu schlüpfen und Dinge von Wert mitgehen zu lassen. So bin ich schon häufig an gewisse Schätze gekommen.“ Auch Karten von anderen Inseln waren oft darunter. „Ansonsten bin ich sehr lernfähig und kann an Board bei allem Möglichen Unterstützung leisten. Ich war noch nie auf See und kann deswegen in der Hinsicht keine Erfahrungen mitbringen. Mein Begleiter allerdings schon.“ Ob Loki jetzt aktiv kämpfen oder mit einer Waffe umgehen konnte, wusste Soula tatsächlich nicht so wirklich. Das hatte sie nie mitbekommen und auch nicht erfragt. Vielleicht konnten diese Angaben aber auch schon ausreichen, auch wenn Soula an Land wohl erst mal eine bessere Hilfe darstellen würde, als auf See, aber sie war sich sicher, dass sich das mit der Zeit ändern würde. Eigentlich... hatte es Soula sehr eilig, aber es gehörte eben auch ein bisschen Glück dazu. "Wie lange würde es denn noch dauern? So schnell wie möglich wäre natürlich gut." Sie hatte von der Dunkelhaarigen bereits den Eindruck erhalten, dass diese ebenfalls so schnell wie möglich wieder auf See wollte. Demnach waren das gute Voraussetzungen, oder?
Am Rande seines Blickfelds kramte Shanaya beiläufig in ihrer Tasche und förderte schließlich ein Stück Dörrfleisch zu Tage. Ein Anblick, der ihn flüchtig schmunzeln ließ. Langsam erhärtete sich wirklich der Eindruck, dass sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit etwas zwischen die Zähne brauchte. Fragte sich nur, wo sie das alles hin futterte. Doch Luciens Blick kehrte nur kommentarlos zu der Fremden zurück und auf seine Lippen legte sich ein Schmunzeln, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte. „Ah, ein Langfinger also. Damit wärst du bei uns in guter Gesellschaft.“ Shanayas ergänzende Frage und die Antwort darauf quittierte er mit einem verstehenden Nicken, während er sich eine zweite Musterung der schlanken Gestalt erlaubte, die da vor ihm stand. Die Kleine war also auf der Flucht. „Klingt, als wärt ihr in letzter Zeit bei den falschen Leuten eingestiegen“, stellte er fest, ohne wirklich nach den Hintergründen zu fragen. „Schwer zu sagen, wann wir wieder in See stechen können. In zwei, drei Wochen vielleicht. Aber wenn ihr schnell von der Bildfläche verschwinden müsst: Wir sind in einem Bordell untergekommen, das für seine Verschwiegenheit bekannt ist. Nicht weit von hier. Dort wärt ihr vorläufig sicher.“ Er hielt einen Moment inne, ließ sie diese Information erst einmal verarbeiten, bevor sich ein Lächeln gutmütigen Spotts auf seine Lippen stahl. „Ich vermute, ein ehrlicheres Angebot wirst du nicht bekommen. Jedenfalls nicht in den Kreisen, in denen du dich gerade bewegst. Also überleg' es dir. Wir nehmen euch mit, wenn die Sphinx wieder seetüchtig ist – sofern ihr dann noch eine Mitfahrgelegenheit braucht.“ Wären sie erst einmal tot oder verhaftet, brauchten sie wohl keine mehr, aber das musste er wahrscheinlich nicht extra betonen.
Shanaya schob sich das zweite Stück des Fleisches in den Mund, kaute nachdenklich darauf herum und ließ den Blick zur Sphinx schweifen. Zwei, vielleicht drei Wochen. Sie wusste, dass es Lucien in etwa so ging, wie ihr, was dieses lange Verharren hier anging. Sie seufzte, richtete die blauen Augen dann zu der anderen Frau zurück, die auf ihre Frage antwortete. Ihr lag auf der Zunge, dass man sich dann vielleicht auf einen von den Beiden verlassen konnte – aber die Schwarzhaarige schluckte diese Worte einfach herunter. Stattdessen stützte sie sich auf ihre Krücke und musterte die Frau mit prüfendem Blick. Lucien bot ihr an, auch in dem Bordell unter zu kommen und Shanaya wollte die Reaktion darauf nicht verpassen. Sie kaute noch ein bisschen auf dem Fleisch herum, schluckte dann. „Wir müssen uns also auf noch mehr Verfolger einstellen, wenn ihr der Crew beitretet.“ Eine neutrale Feststellung, mit der sie den Kopf etwas zur Seite neigte. Nicht, dass sie das störte, aber sie wusste einfach gern, woran sie war. „Sieht dein Begleiter gut aus? Und ganz unter uns… ist er mehr so eine Mimose oder kann man ihn als Mann bezeichnen?“ Noch einmal fischte sie ein Stück Dörrfleisch heraus, warf Lucien nur einen kurzen Blick zu, ein Grinsen, ehe sich die blauen Augen wieder auf die Fremde legten. Wie erwähnt, wusste sie gern, woran sie war.
Sie schmunzelte und zuckte mit den Schultern, als er sie als Langfinger bezeichnete. Es klang aber sehr positiv, dass sie damit in guter Gesellschaft war. „Das freut mich sehr,“ erwiderte sie. Sie neigte auf die nächste Aussage kurz den Kopf. „Eher mit den falschen Leuten angelegt.“ So konnte man es tatsächlich etwas besser beschreiben. Immerhin hatte sie nicht aus einem Haus direkt gestohlen, um ihre aktuelle Situation zu erleben, sondern hatte betrogen. Aber das war bei Piraten auch hoffentlich völlig egal, denn Betrug stand da doch an der Tagesordnung, oder? Als die junge Frau neben ihr auf die Verfolger zu sprechen kam zögerte sie kurz. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich die Mühe machen würden die Insel zu verlassen.“ Aber sicher war sie sich eben auch nicht, was sie auch zum Ausdruck brachte. Soula selbst schätzte sich nicht für besonders wichtig, als dass man solche Mühen auf sich nahm, um sie weiter zu jagen. Damit konnte sie sich aber durchaus täuschen. Auf Calbota selber würde man sie weiter verfolgen, da war sie sich sicher, aber auf See? Sie sah nicht den Sinn und Zweck ihre Vermutung für sich zu behalten, auch wenn sie damit bestätigte, dass sie verfolgt wurde. Immerhin ahnten die beiden es schon selbst. Zwei oder drei Wochen klang schon ziemlich lange. Aber bisher hatte Soula noch kein anderes Angebot erhalten, davon abgesehen erhielt sie noch ein weiteres, was sie merkte, als er von dem Bordell erzählte. Sie horchte auf, das klang gut. „Vielen Dank, da werde ich mich mal erkundigen.“ Nicht, dass sich dahinter doch noch eine Falle versteckte. Bei Piraten und Dieben wusste man schließlich nie. Blindes Vertrauen war nie gut. Dann wandte sie sich wieder der Fremden zu und grinste. „Ob er gut aussieht, muss wohl jeder selbst entscheiden, spielt das für dich etwa eine Rolle?“, fragte sie und lächelte amüsiert. „Eine Mimose ist er definitiv nicht.“ Er sagte Soula auch mal seine Meinung, wenn es sein musste. Sie sah zum Captain „Ich werde das mit ihm besprechen und sonst läuft man sich wahrscheinlich in besagtem Bordell über den Weg.“
Lucien folgte dem kurzen Austausch der beiden Frauen mit einem amüsierten Ausdruck in den tiefgrünen Augen. Schließlich stieß er einen leisen Laut aus, der verdächtig nach dem Anflug eines ironischen Lachens klang. „Ich würde sagen, das ist nichts, womit wir nicht inzwischen umgehen könnten“, erwiderte er auf die Sorge der einen und die Feststellung der anderen. Ob die Verfolger der Fremden sich die Mühe machten, die Insel zu verlassen, oder auch nicht: Sie waren nicht die ersten, die sich an die Fersen eines Crewmitglieds hefteten. Was machte also schon einer mehr oder weniger? Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die junge Frau direkt vor ihm und verzog die Lippen zu einem Schmunzeln. Sie würde sich erkundigen. Gut. Vorsichtig jedenfalls war sie. Lucien nickte knapp, dachte für einen Herzschlag lang darüber nach, wie sicher es war, der Fremden einen Namen zu nennen und kam zu dem Schluss, dass es hier auf dieser Insel ohnehin kaum eine Rolle spielte. Also fügte er an: „Solltet ihr euch entscheiden, zum Bordell zu kommen, sagt den Mädchen, ihr seid eine Freundin Talin Draveans. Dann werden sie wissen, dass ihr zu uns wollt und euch einen Unterschlupf bieten.“ Was ihren mysteriösen Begleiter anging, so schwieg Lucien sich aus. Die Berichte anderer nützten ihm in einer Einschätzung ohnehin nichts und zudem war er sich absolut sicher, dass die Schwarzhaarige neben ihm auch diesen Kandidaten auf Herz und Nieren testen würde. Dann und nur dann würde sich wohl herausstellen, ob er eine Mimose war, oder nicht. Ein hintergründiges Lächeln konnte sich der Dunkelhaarige über diesen Gedanken nicht verkneifen, nickte der jungen Frau aber nur noch einmal bestätigend zu und sah dann von ihr zu Shanaya. „Gut, wenn das dann alles wäre, mache ich mich wieder an die Arbeit.“ Außer, sie hatte noch etwas?
Auf Luciens Worte hin legte sich ein amüsiertes Schmunzeln auf die Lippen der jungen Frau, mit dem sie den Kopf etwas zur Seite neigte und ihren Captain einen Moment lang musterte. „Ich habe schließlich auch so meine Erfahrungen mit Verfolgern.“ Was die beiden folgend besprachen, ließ Shanaya wieder zur stillen Zuhörerin werden, deren heller Blick aufmerksam die Umgebung betrachtete. Erst, als Soula auf ihre Fragen antwortete, wandte sie den Blick zu ihr herum, ohne den Kopf dabei zu bewegen. Ein tiefgründiges Lächeln legte sich auf ihre Lippen. „Ich bin ein oberflächliches Mistvieh, also zählt das für mich schon.“ Das tat es nicht wirklich, aber… wer hatte nicht gern etwas… leckeres in der Nähe. Shanaya schmunzelte selbst über diesen Gedanken, warf Lucien einen kurzen Blick zu und fügte dann für Soula noch ein ruhiges „Davon kann er mich dann ja selbst überzeugen“ an. Dann sprach Lucien wieder und die Schwarzhaarige überlegte auf seine Frage hin für einen Moment. „Ich würde gern noch kurz unter vier Augen mit dir sprechen. Geht ganz schnell.“ Sie wollte ihn ja auch nicht davon abhalten zu sorgen, dass sie schnell von dieser Insel weg kamen. Damit richtete sich Shanayas blauer Blick auf Soula, abwartend, ob sie noch etwas zu sagen hatte, oder gehen würde.
Ein breites Grinsen erschien auf Soulas Zügen. Entweder hatte sie hier gerade großes Glück oder überaus viel Pech. Sie hoffte einfach, dass es sich um Glück handelte und es wäre zu begrüßen, wenn es sie wieder öfter ereilen würde. Dass es Verfolger gab, schien keinen der beiden groß in Sorge versinken zu lassen und das war bestimmt gut! Noch überraschter von der gesamten Situation schien Soula zu sein, als der Captain ihr einen Namen nannte, den sie im Bordell verwenden konnte. Es sorgte allerdings noch mehr dafür, dass die Diebin vorsichtig wurde. Fremden irgendein Vertrauen schenken war nichts, was Soula gerne tat. Wenn man ihr Hilfe anbot, war sie aber auch nicht abgeneigt, sie würde nur sehr bedacht vorgehen. „Vielen Dank, das weiß ich sehr zu schätzen.“ Shanaya selbst schien ein sehr interessanter Charakter zu sein. Soula schmunzelte bei ihren Worten und nickte zustimmend. Das konnte Loki sicher selbst zeigen. Damit schien das Gespräch vorerst beendet zu sein. Sie wollte den Captain auch nicht länger als nötig von seiner Arbeit abhalten. „Ich bedanke mich für eure Zeit“, meinte sie und sah von Lucien zu Shanaya, die sich ebenfalls die Zeit genommen hatte. Selbstverständlich war das in Soulas Welt definitiv nicht. „Wir sehen uns bestimmt bald wieder“, sagte sie dann abschließend und verließ die beiden Piraten.
Dass Shanaya im Anschluss noch etwas mit ihm besprechen wollte, überraschte den Dunkelhaarigen zwar, doch er nickte nur kurz und wandte sich dann wieder der Fremden zu. Sie schien damit zu haben, was sie wollte. Wirkte insgesamt zufrieden – wenn auch bedacht. Als sie sich verabschiedete, lächelte Lucien nur, neigte den Kopf zum Gruß und hielt sie nicht weiter auf. Ob sie ihre Worte wahr machte und die Gelegenheit nutzte, die sich ihr geboten hatte, würde sich noch früh genug zeigen. Er jedenfalls wartete mit durchaus regem Interesse. Schließlich jedoch wandte er sich an Shanaya. Auf den Lippen ein ruhiges Lächeln, auch wenn sie ihm wahrscheinlich ansah, dass er zumindest gedanklich schon wieder halb auf dem Sprung war. „Was gibt es denn noch?“, fragte er ohne jeden Ärger in der Stimme.
Shanaya beantwortete den Dank und den kurzen Blick der anderen Frau mit einer neutralen Miene. Vielleicht sahen sie sie ja nie wieder – dann wäre diese Zeit vertane Zeit gewesen. Ob sie den Schneid hatte, sich einer Piratencrew anzuschließen? Eigentlich war es Shanaya egal und als die Dunkelhaarige sich abwandte, warf sie ihr nicht einmal einen Blick hinterher. Stattdessen richteten sich die blauen Augen auf Lucien, jetzt ein beinahe vorsichtiges Lächeln auf den Lippen. „Nichts Großes, ich übe mich nur in Nettigkeit…“ Was gelogen war – und das das war an ihrer Stimme und an dem Blick in den hellen Augen zu erkennen. „Sonst hätte ich ihr ja sagen müssen, dass ich keine Lust habe, zeitgleich mit ihr zu gehen, sonst quatscht sie mich nur von der Seite an.“ Damit umfasste die Schwarzhaarige ihre Krücke wieder etwas fester, neigte leicht den Kopf. „Und jetzt sorg am besten dafür, dass wir hier so schnell wie möglich wieder weg kommen.“ Ein warmes Lächeln galt Lucien, ehe sie sich zum Gehen herum wandte.
Sein Mundwinkel zuckte spöttisch, verwandelte das ruhige Lächeln in ein trockenes, voller Ironie. „Ah, verstehe. Du wolltest also ihre Gefühle nicht verletzen“, erwiderte er nun doch eine Spur weniger gelassen. Den kleinen Seitenhieb, so versteckt er auch sein mochte, konnte er sich an dieser Stelle nicht verkneifen. Denn so ganz verziehen hatte Lucien ihr noch immer nicht, auch wenn er sich Shanaya gegenüber nicht elendig nachtragend benahm und den Kontakt mit ihr mied. Nur manchmal, manchmal erlaubte er sich so eine Anspielung.
Doch der Dunkelhaarige griff das Thema nicht weiter auf, sondern hob nur die Hand, um sich zum Abschied an den imaginären Hut zu tippen, und sein Lächeln wurde wieder ehrlicher. „Ich gebe mein Bestes. Wir sehen uns dann nachher.“ Noch einen kurzen Augenblick ruhten die tiefgrünen Augen auf der Schwarzhaarigen, dann wandte er sich dem Schiff zu, um sich wieder an die Arbeit zu machen.