12.03.2021, 16:04
Irgendwo in diesem Schwindel, der ihr jede Orientierung nahm, hörte Shanaya die Stimmen der Crew. Sie waren weit entfernt, schrien etwas, dessen Bedeutung nicht zu ihrem Verstand durch sickerte. Jedoch sickerte keine Information zu ihr durch, erst Recht nicht, als jemand nach ihr griff, sie festhielt. Für sie nur gefühlte zwei Herzschläge später spürte Shanaya eine sanfte Berührung, die sie dennoch zusammen zucken ließ. Zuerst wollte sie sich wehren, bis eine vertraute Stimme zu ihr durch drang, mit der sich die junge Frau sofort entspannte. Greo war da. Er passte auf. Für den Hauch einer Sekunde entspannte Shanaya nicht, antwortete nur mit leiser Stimme.
„Geht schon. Bei dir?
Das dem nicht so war, würde er ihrer Stimme entnehmen können, aber sie hatte nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie konnte die Schulter nicht bewegen, also musste es für den Moment eben mit einer funktionieren. Immerhin blieb ihr gar nichts anderes übrig.
Greo half ihr auf die Beine und auch wenn die Schwarzhaarige kurz taumelte, stand sie recht fest – hörte dennoch nicht den Ruf, der von abseits des Schiffes kam. Jemand war über Bord gegangen, eine Information, die die junge Frau beunruhigt hätte, wäre sie nicht vollkommen darauf fixiert, das Schiff wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Sphinx stand wieder aufrecht, der Vogel war vorerst nicht mehr zu sehen. So sehr der Schmerz ihr Bewusstsein beeinträchtigte, so stark war der Wille, sie alle sicher von hier weg zu bringen. Fest entschlossen hielt die junge Frau auf das Steuer zu, den linken Arm vor ihrem Körper verschränkt, um möglichst wenig Schmerz zu provozieren. Sie mussten nur aus diesem Nebel heraus, damit wäre ihnen sicher schon einmal geholfen. Kurz bevor die junge Frau das Steuer erreichte, schlug Greo die Schiffsglocke, was der Schwarzhaarigen jedoch nur einen kurzen, verwirrten Blick entlockte. Noch immer war ihr nicht bewusst, dass nicht jeder noch auf der Sphinx war.
Kaum am Steuer angelangt, das sich zwar noch immer drehte, aber längst nicht mehr mit solcher Gewalt wie zuvor, spannte Shanaya ihren ganzen Körper an, setzte jegliche Kraft ein, um das Rad wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Schmerz, der mit dieser Anspannung dafür sorgte, dass ihr einen Moment schwarz vor Augen wurde lockte auch einen der seltenen Flüche von ihren Lippen und ließ Tränen über ihre Wangen rinnen. Ihr Atem raste, ihr Körper schien ihr kaum gehorchen zu wollen. Und zu all dem mischte sich mehr und mehr die Angst in ihrem Empfinden. Zwei Namen lagen ihr auf der Zunge, Greo konnte sie von hier aus sehen. Die Sorge ließ sich nicht herunter schlucken, ihr Blick strich hoffnungsvoll über den Nebel, ohne eines ihrer Ziele zu erkennen.
„Greo, weißt du wo...“
Die Angst, der Kloß in ihrem Hals und die Tränen, die nicht versiegten, ließen sie innehalten, schwer schlucken. Was tat der Dunkelhaarige da an der Reling? Shanaya umfasste mit der gesunden Hand das Steuer, so fest sie konnte, um nicht noch einmal die Kontrolle zu verlieren. Ihren Kompass sicherte sie so gut es ging, so war er jetzt nur minimal verrutscht und auch, wenn die Karte nicht mehr am richtigen Ort lag, verließ die junge Frau sich auf ihre Erinnerung daran. Sie wusste, wohin sie mussten, um diesem Nebel zu entkommen und zumindest davor in Sicherheit zu sein. Nur um durch den Nebel zu rufen fehlte ihr jede Kraft, und noch immer lagen die Namen der beiden Geschwister ihr schwer auf der Zunge, die Ungewissheit. Was blieb ihr also, außer sie aus diesem Nebel heraus zu steuern? Solange dieser Vogel nicht zurück kam, würde das mit einem funktionierenden Arm kein Problem sein. Zumindest hoffte Shanaya darauf.
[Achterdeck, wieder am Steuer | Nahe bei Greo | Fängt an, die Sphinx aus dem Nebel zu steuern]