05.01.2021, 15:34
Der Nebel rückte näher. Streckte allmählich seine kleinen unsichtbaren Fühler nach ihnen aus. Und noch immer wusste niemand so wirklich, was vor sich ging. Was die andere Crew so leichtsinnig in den Nebel lenken ließ. Furcht? Ein Ausweg, den keiner von ihnen sah? Das Rumoren in seinem Magen wurde mit jeder verstreichenden Minute stärker. Als übersähe er etwas. Etwas von Bedeutung, dass ihnen entweder den Tod bringen oder ihre verdammten Ärsche retten konnte. Doch der Himmel über ihnen schwieg. Ebenso der undurchsichtige Schleier, der bald den Rumpf ihres Schiffes erreichte und ihm eine Gänsehaut über den Nacken schob. Noch nie hatte er so etwas hier vor Calbota gesehen. In den ganzen Jahren, in denen er auf dieser Welt wandelte. Und es zermürbte ihn, keine logische Erklärung dafür zu haben. Nicht einmal eine Legende, aus der sich irgendetwas spinnen ließ. Gerade wollte er Lucien antworten, als ein Geräusch die Luft zerschnitt. Ein Schrei. Mehr noch. Der Laut eines Vogels. Sie waren hier. Und sie brauchten mehr als nur gutes Können, um nicht als Schiffsbrüchige zu enden.
“Das ist Antwort genug für dich, oder?“
Das Lächeln war verschwunden. Klebte nicht mehr wie süßer Honig auf seinen Wangen, sondern machte der Abgeklärtheit eines Mannes Platz, der zu viele Jahre auf See gelebt hatte. Mit kitzelnder Abenteuerlust im Blut und der Gewissheit, dass die kommenden Minuten und Stunden ein Drahtseilakt werden würden.
“Jetzt wird es ernst.“
Ein Raunen durchfuhr seine Gestalt, ehe er sich zum Gehen herum wandte, um Lucien zu folgen. Wie aus einem Automatismus, den er sich angewöhnt hatte. Hier, in diesem Gebiet, war sein Wissen von Vorteil. Neben Lucien war er jetzt besser zu gebrauchen, als anderswo auf dem Schiff. Und allem voran: er behielt die Kontrolle. Über sich. Über das, was der Crew passierte, wenn überlegte Entscheidungen getroffen wurden. Doch kaum ragte Tárons Gestalt eine Armlänge vor ihm auf, war es James Geschrei, das ihn innehalten ließ.
Augenblicklich wandten sich die grünblauen Augen herum. Versuchten die Geschehnisse zu einem sinnvollen Bild zu vervollständigen. Trevor hing für eine Sekunde in den Wanten. Am anderen Ende des schlacksigen Körpers stand James, die Hand an dessen Hosenbund und mit wütendem, nein, entsetztem Gesichtsausdruck. Der Luftikus hatte wohl versucht seine Hand in den Nebel zu halten. Verrückte, brillanter Narr.
“HEY!“
Ceallagh löste sich aus seiner Starre und überwand die letzten Meter zu den beiden hinüber mit ausladenden Schritten. Lucien war in seinem Rücken für eine Sekunde vergessen. Die Neugierde zu groß, wie Trevors Körper aussah. Dem Tumult um Táron konnte er nur vermuten, dass die diesige Wand seltsame Dinge anstellte. Dinge, die dafür sorgten, dass sich gut die Hälfte der Mannschaft um den Seebären scharrte. Schaulustig. Erschrocken.
Trevor stolperte. Unter dem Ruck und der Zugkraft, die ihn zurück beförderte. An James vorbei, direkt gegen Ceallagh, der James mit einem skeptischen Blick bedachte.
“Willst du selbst deine Hand da rein halten?“
Er konnte sich nicht daran erinnern, dass irgendjemand bereits etwas Sinnvolles auf diesem Schiff getan hatte, das der Lösung um dieses seltsame Phänomen näher kam, als Trevors Leichtsinn. Genau aus diesem Grund schätzte er Menschen wie ihn – ganz gleich in wie viele Probleme der Kindskopf sie auch verwickelte.
“Dachte ich’s mir.“
Das kurze Schweigen war ihm Antwort genug. Die Zeit ohnehin zu knapp, um sich mit derlei Dingen aufzuhalten. Stattdessen umfasste er Trevor bei den Schultern und trat einen Schritt zurück, um auf seine Hand zu sehen. Dem ersten Hinweis darauf, ob die Crew des anderen Schiffes bereits tot, am zersetzen oder kerngesund war.
“Alles klar Kumpel?“
[erst bei Lucien, Talin und Skadi | am Ende bei James und Trevor]