01.07.2016, 22:12
Mit geschlossenen Augen stand sie einfach nur regungslos in der Mitte der Kajüte und ballte die Hand zur Faust. Das Papier darin raschelte und knisterte leise. Langsam öffnete sie die müden Augen, hob die Hände und entfaltete zum wahrscheinlich hundersten Male an diesem Tag den Brief. Die Worte hatten sich schon längst in ihren Kopf eingebrannt. Triff dich mit Ellhan. Er hat Informationen für dich. Der Rest waren Daten zum Treffpunkt, aber das erschien ihr im Moment nicht so wichtig. Informationen! Sie würde weitere Hinweise auf der Suche nach ihrem Bruder erhalten. Ihr Herz machte einen Satz und pochte so laut, dass sie es selbst in ihren Ohren spürte. Langsam, aber stetig kam das Ziel in Sicht und nach 4 Jahren konnte sie vielleicht endlich Lucien wiedersehen. Wieder ballte sie eine Faust um das Papier und von Ungeduld getrieben trat sie schließlich aus ihren Räumlichkeiten hinaus.
Als sie an Deck kam, blinzelte sie kurz ob der Helligkeit, obwohl es Abend war. Ihre Augen taten schlimmer weh, als sie gedacht hätte. Wenn sie an die letzte Nacht dachte, dann sollte sie eigentlich umkehren und sich kurz hinlegen. Doch die Tatsache, dass Adrenalin durch ihren Körper jagte und die anderen ebenfalls noch noch nicht schlafen konnten, hielt sie wach und auf den Beinen.
Nachdem sich ihre Augen wieder beruhigt hatten, sah sie sich einmal auf dem Deck um. Die anderen Crewmitglieder würden murren, wenn sie ihnen nicht Auskunft darüber gab, wohin die Reise gehen würde und warum sie gerade jetzt ausgelaufen waren. Sie verstand das. Wenn ihr jemand etwas vorenthielt, bohrte sie so lange nach, bis sie eine Antwort hatte. Doch in diesem Falle konnte sie nicht offen sein. Und dann hatte sie ja noch das Problem mit dem ungebetenen Gast an Bord. Kurz biss sie sich auf die Unterlippe, unterdrückte ein Fluch, und blieb schließlich mit dem Blick an einer Gestalt hängen. Nochmals schloss sie die Augen, ließ den Wind in ihrem Haar spielen, bevor sie leise seufzte und auf Shanaya zu ging. Lass das Löchern beginnen!
Von diesem Gedanken belustigt kam sie bei der Schwarzhaarigen an und besah sie sich kurz.
„N'abend, Shanaya. Wie geht’s dir nach der letzten Nacht?“