15.12.2020, 14:54
Josiah ließ seinen Blick nicht von Trevor, als dieser seinen Stock auf ihn richtete und die Tatsache, dass er ihn nicht glaubte, theatralisch in seine Stimme legte. Josiah war nicht überrascht. Er kreiste seine Schultern ein wenig während er zuerst die Stockspitze verfolgte, die sich wieder auf ihn richtete, und dann abwartend Trevor ansah, als dieser ansetzte, ihn der Lüge zu bezichtigen, nur um mitten im Wort abzubrechen und ihn anzustarren. Josiah blinzelte überrascht. Neugierig verfolgte er wie sich Trevors Blick im Wald verlor und fast schon hektisch hin und her glitt, bis sich ein Ausdruck auf dessen Gesicht breit machte, der fast schon Erkenntnis glitt. Der Stock sank zu Boden und Trevor richtete sich auf. Diesmal stand ihm die Entschlossenheit ins Gesicht geschrieben.
Kein Schatz. Natürlich.
Der Satz mit dem Werblümchen ließ Josiah fast auflachen, bis er Trevors Blick in die Richtung der Büsche aufschnappte. Die kurze, schnelle Bewegung der Augen, ohne den Kopf zu wenden. Da war er wieder, einer der Momente, der Fragen darüber aufwarf, wie Trevor die Situation selber wahrnahm. Er war entweder sehr gut, oder sehr dämlich.
Josiah unterdrückte das Bedürfnis, diese Fragen auf seinen Gesicht widerspiegeln zu lassen.
Der blonde Pirat fuhr derweil fort, und Josiah die Frage wurde von der Überlegung ersetzt, ob er anfangen sollte, zu raten, was er mit seinen Gestiken ausdrücken wollte (sollten das Hasenohren sein? Ein Fuchsschwanz? Ein heulender Wolf?), als Trevor endlich das passende Tier einfiel und es aus ihm herausplatzte.
Bär.
War ja klar. Für einen kurzen Moment kräuselte sich Josiahs Stirn. Doch noch bevor Josiah Veto einlegen konnte, blinzelte Trevor ihm zu, sprang auf einen umgekippten Baumstamm und verschwand in der Hecke. Josiah sah ihm hinter her.
Trevor war das perfekte Beispiel für jemanden, den die alte Frau „Kind der Feen“ genannt hätte. Gab es in diesem Wald überhaupt Bären?
Die Armbrust sackte samt Armen nach unten und Josiah griff sich mit der freien Hand intuitiv an die Schulter, um sie kurz zu massieren, während von Trevor ein leises Fluchen kam. Jetzt hatte er also Trevor im Schlepptau. Josiah verbrauchte kaum einen Gedanken damit, sich zu überlegen, ob die Chance bestand, Trevor irgendwie nochmal los zu werden. Er konnte jetzt zwar einfach umdrehen und in die genau die andere Richtung losziehen, und er vertraute seinen Fähigkeiten genug um zu wissen, dass er auch in einem Wald untertauchen konnte, aber es war Trevor. Wer wusste schon, was der Kerl anstellen würde, sobald er Josiah dann wieder zu Gesicht bekommen würde.
Für einen kurzen Moment wägte Josiah ab, ob es das Risiko nicht vielleicht doch wert wahr, zumal er irgendwie neugierig auf Trevors Reaktion wäre, wenn er so darüber nachdachte. Dann aber schüttelte er ein letztes mal seine Schulter und machte sich daran, die Hecke zu durchqueren. Ohne den Stamm, die Füße bedacht gesetzt und den Körper immer wieder so drehend, dass möglichst wenig Geräusche entstanden, oder gar seine Kleidung riss. Als er nur wenige Atemzüge später sich auf der anderen Seite aus dem Geäst schälte, konnte er selber behaupten, dass es erfolgreich „mühelos“ gewirkt hatte. Unauffällig zupfte er sich sein Hemd zurück und wendete sich dann an Trevor:
„Einen Bären willst du also jagen.“
Er würde seine anderen Fallen besser erst im späteren Verlauf des Tages abklappern, nachdem er Trevor wieder beim Schiff abgesetzt hatte.
Er ließ seinen Blick kurz gleiten, ehe er aufs geratewohl in eine Richtung davon stapfte. Irgendwo musste man ja anfangen. Er legte es zwar nicht gerade darauf an, einen Bären zu erlegen, aber irgendetwas zu erlegen wäre schon nett, und er wusste, dass er weiter im Westen ein paar Spuren entdeckt hatte.
Theatralisch beiläufig richtete er sich wieder an Trevor:
„Wann hast du das erste mal von Werbüschen gehört? Du bist der erste, den ich treffen, der dazu auch noch Werblümchen kennt.“