Dieses Forum nutzt Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies, um deine Login-Informationen zu speichern, wenn du registriert bist, und deinen letzten Besuch, wenn du es nicht bist. Cookies sind kleine Textdokumente, die auf deinem Computer gespeichert sind; Die von diesem Forum gesetzten Cookies düfen nur auf dieser Website verwendet werden und stellen kein Sicherheitsrisiko dar. Cookies auf diesem Forum speichern auch die spezifischen Themen, die du gelesen hast und wann du zum letzten Mal gelesen hast. Bitte bestätige, ob du diese Cookies akzeptierst oder ablehnst.

Ein Cookie wird in deinem Browser unabhängig von der Wahl gespeichert, um zu verhindern, dass dir diese Frage erneut gestellt wird. Du kannst deine Cookie-Einstellungen jederzeit über den Link in der Fußzeile ändern.


Like a Letter printed in Red
Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Nov 2015
#1
Like a Letter printed in Red
bespielt von    Lucien Dravean   Skadi Nordskov
06.04.1822
Mîlui
Like a Letter printed in Red
Auf der Suche nach ein bisschen Ärger


Skadi & Lucien
06. April 1822 | Abends | Hafenviertel von Mîlui


In dem kleinen Wirtshaus nahe der Hafenanlage war noch nicht viel los. Nur zwei andere, reichlich traurige Gestalten teilten sich den ansonsten leeren, schummrig beleuchteten Schankraum, als der junge Captain von draußen herein kam. Der eine lag mit dem Gesicht auf seinem Tisch, eine Hand an der Flasche, die ihm beim Einschafen geholfen hatte. Der andere saß an einem Platz im hintersten Winkel, wo es noch dunkler war, und zog eine spärlich bekleidete junge Dame mit üppig ausgestattetem Ausschnitt näher an sich. Aber es war auch noch früh am Abend und ehe er sich versah, würde es hier von Seemännern auf Landgang und üblem Gesindel nur so wimmeln.
Im Moment war Lucien die Stille allerdings mehr als Recht. Er schenkte den beiden Fremden keine Beachtung, steuerte die Theke an, hinter der ein gelangweilter Wirt ein paar Bierkrüge trocknete und erst den Blick hob, als der Dunkelhaarige sich mit einem leisen Seufzen auf einen der Barhocker hatte fallen lassen. „Na? Beschissenen Tag gehabt?“ Es stand ihm wohl ins Gesicht geschrieben, denn er ließ Lucien gar keine Zeit, darauf irgendetwas zu erwidern.
Noch während er sprach, stellte er den Krug vor ihm auf die Theke und wandte sich der Rückwand des Ausschankes zu, auf dem sich in einem langen Regal Flasche um Flasche reihten. „Da hilft'n Whisky.“ Der junge Captain zweifelte ganz ernsthaft daran, dass er ausgerechnet hier guten Whisky fand – aber was verstand er schon davon?

Schon überredet.“, gab er mit einem fast dankbaren Unterton in der Stimme zurück, wartete kurz, bis der Krug zur Hälfte gefüllt war und der Wirt die Flasche wieder absetzte, bevor er danach griff und ihn an die Lippen hob. Kurz vorher zögerte er jedoch. „Nimm dir auch einen.

Er konnte jetzt gut jemanden gebrauchen, der ihm beim Trinken Gesellschaft leistete.
Hu, gleich so beschissen, ja?“ Der Wirt verzog kurz mitfühlend die Lippen und schenkte sich dann selbst von seinem Whisky ein. Dann hielt er den Krug hoch und Lucien stieß mit ihm an.



Ziellos steuerte der hoch gewachsenen Körper der Nordskov durch die Straßen Mîluis, ohne die vorbei hetzenden Bewohner auch nur eines Blickes zu würdigen. Eigentlich hatte sich nach ihrer ausgiebigen Jagd in den Wäldern nur deshalb in die Stadt zurück begeben, um sämtliche Gassen, Spielunken und Läden nach dem blonden Lockenkopf abzusuchen, der jedoch unauffindbar schien. Mit einem Seufzen machte Skadi also auf dem Absatz kehrt und schlenderte mit den Gedanken fernab dieser Realität in Richtung Hafen hinab. Blieb unvermittelt vor einer der zahlreichen Tavernen stehen, als ihr ein alter Mann totternd vor die Füße stolperte und ihm nur mit einem weiten Ausfallschritt ausweichen konnte.
Erhobenen Hauptes stakste der hagere Kerl von dannen. Streckte der Dunkelhaarigen mit unverständlichem Gebrabbelt seine Faust entgegen, die Skadi mit einem faszinierten Ausdruck auf den Zügen besah und den dunklen Haarschopf zur Seite kippte. Die Menschen auf dieser Insel hatten doch alle einen an der Waffel. Tief seufzend wandte sie sich wieder zum Gehen und war bereits auf halbem Wege an der Holztür vorbei, als ihr irgendetwas ins Auge fiel. Ein Schatten, der sich binnen weniger Sekunden ins Innere der Taverne schlich und den sie nur knapp aus den Augenwinkeln bemerkt hatte. Mit zusammengezogenen Augenbrauen wandte sich die Nordskov also herum, feilschte mit sich, ob sie dem Impuls nachgeben sollte oder sich lieber zurück auf den Weg zur Sphinx begab. Doch Enrique, ebenso wie Liam würden irgendwo in der Gegend herum schleichen und genauso wenig aufzufinden sein wie Talin. Und irgendwie dürstete es ihre Kehle gerade nach etwas Flüssigem.
Mit einem lauten Knarzen drückte sie die schwere Holztür ins Innere der Taverne. Schlüpfte leise durch die Öffnung und stand etwas irritiert inmitten des leeren Schankraums. Fernab der Innenstadt tummelte man sich wohl erst weit nach Feierabend in den Lokalen und kippte sich Liter für Liter an Rum, Bier und Hochprozentiges hinter die Binde. Einzig und allein drei Gestalten nebst des Barmannes erfüllten den Raum mit, zugegeben, etwas „kläglichem“ Leben. Und doch war es eine bestimmte Silhouette, die ihr verdammt bekannt vorkam. Auf federleichten Füßen schritt die Dunkelhaarige schweigend an den vereinsamten Stühlen und Tischen vorbei. Ließ sich wortlos auf dem Hocker neben Lucien nieder und musterte ihn aus den Augenwinkeln.

Wow… das war wohl deine dunkle Wolke vor der Tür, was?



Als das Knarzen der schweren Eingangstür das Kommen eines weiteren Gastes ankündigte, den das Verlangen nach einer befeuchteten Kehle in die armselige Spelunke gelockt hatte, sah Lucien nicht einmal auf. Er kippte den Whisky hinter, stellte den Krug ab und verzog fast schmerzhaft das Gesicht, als sich der Alkohol durch seinen Mund, seine Kehle und seinen Magen brannte und einen selbst für seine Vorlieben geradezu wiederlich torfigen Geschmack auf seiner Zunge hinterließ. Der erste tat immer weh.
Der Wirt grinste selbstgefällig. "Das Zeug ist verdammt gut, wa? Brennt einem dem Kopf weg."
Statt ihm darauf eine ehrliche Antwort zu geben, stellte der Dunkelhaarige sein Trinkgefäße unmittelbar in Reichweite des Mannes - oder vielmehr der Flasche auf der Theke.

"Gib mir einfach noch einen."

Der Wirt lachte trocken auf und schenkte nach. In diesem Moment knarzte der Hocker unmittelbar neben Lucien und ließ ihn den Kopf gerade so weit drehen, dass er die Person aus den Augenwinkeln mustern konnte, die sich einfach ungefragt neben ihn setzte. Für einen Herzschlag lag dem jungen Captain eine alles andere als freundliche Begrüßung auf der Zunge - dann erkannte er die schlanke Gestalt neben sich und auf seine Lippen stahl sich ein flüchtiges, aber distanziertes Lächeln.

"Skadi." Er griff nach dem inzwischen wieder vollen Krug. "Ich hoffe, du hast sie draußen gelassen. Sie ist gerade nicht sehr willkommen..", erwiderte er mit einem Anflug von Selbstironie. „Willst du auch einen?

Mit einem leichten Kopfnicken wies er auf die Flasche, die der Wirt noch immer in der Hand hielt. Wohl in Erwartung dessen, ob die junge Frau den Mumm hatte, sein Gebräu zu probieren.



Lucien kippte sich das Zeug wie Saft in den Rachen. Entweder hatte er einen Stahlmagen oder eine sehr hohe Schmerzgrenze. Manchmal fragte sich Skadi, wieso es Menschen immer wieder zum Alkohol hin trug. Er machte nichts auf Dauer besser, zugegeben aber auch nicht zwangsläufig schlimmer. Ganz offensichtlich war jedoch, dass man für einen kurzen Augenblick den Berg an Problemen vergaß, den man mit Unmengen an Spanngurten am Rücken mit sich herum trug. Als er ihren Namen über seinen Lippen gleiten ließ, wandte sie den dunklen Schopf ein wenig mehr herum und spürte, wie sich bereits ein sanftes Zucken in ihren Mundwinkeln einnistete.

Sie hat sich mit meiner in eine dunkle Gasse verzogen und wird wohl die nächsten Stunden reichlich beschäftigt sein.

Ob sie ihn gerade aufmuntern und zu einem Lachen bewegen wollte? Womöglich war das ein Teil des Planes, den ihr Unterbewusstsein gerade vor sich hin schmiedete. Doch nichts davon kam an die Oberfläche, während sie zu dem Barmann hinauf blickte und bei Luciens Frage nickte. Wenn das Zeug genauso ungenießbar war wie das, was sie sich mit Talin hinter die Binde gekippt hatte, konnte sie sich den Rest des Tages mal wieder getrost klemmen. Aber hey… wenn ihr Captain dafür mal diese schlechte Miene ablegte, sollte ihr das Recht sein. Und angesichts dessen, was in 2 Tagen auf sie wartete, war sie ohnehin gewillt den Gedanken daran vorerst zu verdrängen.

Ich bin nicht hier um Tee zu trinken.

Wobei ihr ein Bier auch vollkommen ausgereicht hätte. Geräuschvoll sauste der zweite Krug auf den Tresen. Füllte sich Herzschlag um Herzschlag mit dem rotbraunen Getränk, bis Skadi ihn in eine Hand nahm und anhob.

Skål.

Alles was folgte war ein kurzer Seitenblick. Dann rann bereits der Alkohol brennend ihre Kehle hinab und ließ sie kurz schmerzvoll das Gesicht verziehen. Der Geschmack war absolut widerlich.

Wow… ihr Draveans steht wirklich auf hartes Zeug.“, gestand die Dunkelhaarige unter einem kurzen Husten und schenkte dem Barmann ein verzogenes Lächeln, der lachend auf ihren Ausrutscher reagierte.



Die mehr als zweideutige Antwort der jungen Frau entlockte Lucien ein ehrliches Lachen. Sie kam ihr mit einer solch unverfälschten Leichtigkeit über die Lippen, die ihm wieder einmal zeigte, dass sie die gleiche Art von unschicklichem Humor teilten. Das, was die feinen Herrschaften pikiert die Nase rümpfen und ein unschuldiges Bauernmädchen erröten ließ. Zumindest das ein oder andere auf Kelekuna.

"Hört, hört..."

Mit einem unmissverständlich Wink der freien Hand bedeutete er dem Wirt, Skadi auf seine Kosten einen Krug Whisky einzuschenken und griff aus der gleichen Bewegung heraus nach der Geldkatze an seinem Gürtel. Darin gerade genug Geld, um einen sehr erfüllten Abend zu verbringen. Das klimperne Ledersäckchen landete vor dem Wirt auf dem Thresen, damit der ja nicht auf die Idee kam, ihre Kehlen trocken werden zu lassen, dann griff der Dunkelhaarige wieder nach seinem Krug, drehte sich auf seinem Hocker leicht seiner neuen Gesellschaft zu und hob auf ihren Trinkgruß hin seinen eigenen Whisky. (Dass es ein Trinkspruch war, schloss er rein intuitiv aus ihrer damit einher gehenden Gestik. Er kannte ihn nämlich nicht.) Der scharfe Schnapps brannte sich ein weiteres Mal durch seine Kehle, entlockte Lucien ein leichtes Schaudern. Aber er tat schon nicht mehr so weh, wie der erste.
Fast simultan kehrten die beide Krüge auf die Theke zurück und ohne Umschweife machte sich der Wirt daran, sie wieder zu füllen. Zunächst den Luciens, dann hielt er über dem Skadis inne und warf ihr einen belustigt fragenden Blick zu. "Na, noch einen?" Auch die tiefgrünen Augen des jungen Captains wanderten zu der Jägerin zurück. Er zweifelte nicht daran, dass sie die kleine Herausforderung annehmen würde, die im der Stimme des bärtigen Mannes gelegen hatte.

"Früh übt sich.", erwiderte er schließlich auf ihre Feststellung zu ihm und seiner Schwester. Ein kleines Schmunzeln lag dabei auf seinen Lippen. Dann jedoch kehrte er zu ihren Begrüßungsworten von vorhin zurück. "Was ist denn der Grund für deine 'dunkle Wolke'."

Er hatte schon so eine leise Ahnung...



Sein Lachen vibrierte im Raum, durch ihren eigenen Kehlkopf und rückte die schlaffen Rippen in ihrem Brustkorb zurecht. Ein Schmunzeln legte sie auf die feinen Züge der Jägerin. Strahlte für einen Herzschlag bis in die dunklen Augenpaare hinauf, ehe sie sich dem angebotenen Krug zuwandte und unter dem herben Geschmack des Rums die Mundwinkel verzog.
Wie zu erwarten erntete sie einen amüsierten Blick, den sie fast schon stur entgegnete. Ihre Kehle brannte und jammerte. Doch sie würde sich weiß Gott nicht nachsagen lassen, dass sie ob dieser Tatsache den nicht vorhandenen Schwanz einzog. Zwar würde sie selbst dann noch ihr Gesicht wahren, wenn sie die Öffnung des Kruges mit ihrer flachen Hand verschloss und klar stellte, dass sie lieber den guten Fusel trank, statt sich noch einmal dieses Zeug in den Rachen zu schieben. Doch eine leise Stimme in ihr flüsterte ihr etwas zu, was stark danach klang, sich dem Angebot hinzugeben. Nicht um sich zu beweisen, sondern um des Captains Willen. Was auch immer DAS schon wieder bedeuten sollte.

Könntest du denn einer Lady wirklich etwas abschlagen?“, entgegnete die Nordskov dem Wirt mit einem verschmitzten Lächeln und nickte dann mit einem Augenzwinkern bestätigend auf seine Frage.

Ganz sicher hielt sie sich weder für eine Lady, noch für jemanden, dem man besonders gefallen wollte. Ihr Leben lang hatte es wenn überhaupt nur einen Mann gegeben, der ihr das so offen ins Gesicht gesagt hatte. Und der weilte seit 5 Jahren schon nicht mehr auf dieser Erde. Skadi machte also keinen Hehl daraus, dass sie um diesen Umstand wusste. Es interessierte sie auch schlichtweg nicht. Schön zu sein war kein Talent – Menschen bedeuteten weit mehr als ihre bloße Hülle.

Ich sollte mir merken, nie mit euch in einen Wettstreit zu treten. Sonst liege ich noch wehrlos unter dem Tisch.

Für einen kurzen Augenblick musterte sie den Dunkelhaarigen aus den Augenwinkeln. Wirkte gleichsam amüsiert wie skeptisch. Seit ihren ersten Tagen auf der Sphinx hatte sie die Vermutung gehabt, dass bei den Geschwistern mehr in der Vergangenheit vergraben war, als man es zumindest Talins fröhlicher Gestalt anmerkte. Doch mit jedem weiteren Tag zeichnete sich dieses Gefühl als immer klarere Form der Realität ab. Nichts Ungewöhnliches an Deck dieses Schiffes – ein jeder hatte schließlich sein Päckchen zu tragen.
Dennoch verwunderte es die Nordskov dass sich die zwei nach dieser endgültigen Widervereinigung nicht pausenlos verbal wie körperlich in den Armen lagen. Dass die Stimmung nicht positiver war. Dass nach all dem, was sie auf sich genommen hatten, noch immer dunkle Wolken über ihren Köpfen hingen. Wolken die seit dem Tod Cornelis auch über ihr Einzug hielten. Mit einem tiefen Seufzend wandte sich Skadi dem Krug zu. Fuhr nachdenklich mit den Fingerspitzen über die raue Oberfläche.

Ich wusste, dass er irgendwann Ärger machen würde…“, murmelte sie leise und schnaubte. Sie wollte nicht wütend auf den Rotbart sein. Und doch war sie es. Wann immer sie Enrique oder Scortias in die Augen sah und ihre tief sitzende Traurigkeit und Wut entdeckte. “… aber das es so sein wird… mit euch Männern hat man manchmal nichts als Ärger… so ein Dummkopf.

Kurz legte sich ein Schatten über ihre Züge. Dann nahm sie bereits den Humpen in die Hand und setzte ihn an ihre Lippen. Ließ den Rum das Zittern ihrer Nerven betäuben und alsbald schnell ihre Blutbahn erreichen.
Geräuschvoll sank der Krug wieder auf den Tresen hinab. Ruhte wenig später dort allein, als sich Skadi erst abwesend über die Lippen leckte und dann den dunklen Haarschopf zu Lucien herum wandte.

Manchmal würde ich mir wünschen, dass mir einfach alles gleichgültig ist.



In die tiefgrünen Augen trat unverhofft ein zwiespältiger Ausdruck. Belustigung auf der einen Seite – ein unauffälliges, aber unleugbar amüsiertes Leuchten, als Skadi die Herausforderung des Wirts annahm und sich mit offenherzigem Geschäker nachschenken ließ. Nichts anderes hatte der junge Captain erwartet, auch wenn ihm ihre Gründe nicht ersichtlich waren. Gleichzeitig jedoch ließ sich der nachdenkliche Unterton in seinem Blick nicht verleugnen.
Er nahm sich aus der Situation heraus, beobachtete nur von außen, während sich in seinem Kopf die Gedanken im Kreise drehten. Wann war Skadi eigentlich mit Talin unterwegs gewesen? Seit wann vertrug seine kleine Schwester überhaupt so viel Alkohol, um mit der Jägerin – zumindest danach klang es – halbwegs Schritt halten zu können? Letztere war es, der er eine gewisse Robustheit in diesem Sinne von vornherein geradezu unterstellt hatte. Talin hingegen... Aber wahrscheinlich hielt er sich wieder einmal zu sehr an das vierzehnjährige Mädchen aus seiner Erinnerung, als an die junge Frau, die sie nun war.
Für einen Moment wandte er den Blick von Skadi und dem Wirt ab, hob dabei seinen nunmehr vollen Krug an die Lippen und trank einen kräftigen Schluck – vor allem, um den Frust zu verbergen, der sich möglicherweise auf seinen Zügen offenbarte. Erst, als die Dunkelhaarige sich wieder an ihn wandte, neigte Lucien leicht den Kopf und richtete den Blick auf seine neue Trinkgefährtin.
Augenblicklich verschwand der Frust, hinterließ nur zustimmende Belustigung. Doch er ließ den Gedanken fallen – vor allem, weil er ihn nicht weiter zerdenken wollte – und beobachtete stattdessen, wie Skadi sich ihrem Krug zuwandte und so tief seufzte, dass seine Mundwinkel verdächtig zuckten. Als Kinder hatten sie immer behauptet, bei einem so tiefen Seufzen starb irgendwo eine Elfe.

Ich gehe mal so weit und behaupte, du meinst Cornelis? Oder Enrique? Ich habe nämlich von beiden erwartet, sie würden irgendwann Ärger machen.

Es schwang nichts Negatives in seiner Stimme mit. Sein Kommentar bewegte sich vielmehr – zumindest im Falle des Lieutenants – auf geradezu freundschaftlich spöttischer Ebene. Er rechnete auch immer noch damit, dass Enrique ihm auf seine ganz typisch verworrene Art noch das ein oder andere graue Haar wachsen ließ.

Aber falls du dich auf Cornelis' Ableben beziehst... Ich hatte eher den Eindruck, er ist dir nicht ganz geheuer... Kann es dir dann nicht eigentlich egal sein?

Wieder warf er der jungen Frau einen Seitenblick zu, dieses Mal fragend, und hob den Krug an die Lippen, ohne zu trinken.



Luciens Miene wandelte sich innerhalb der letzten Augenblicke so oft, dass Skadi es nicht einmal mehr intensiv verfolgte, um irgendetwas daraus lesen zu können. Er machte es ihr ohnehin nicht einfach in seine Gedankenwelt hinab zu steigen, wenngleich seine Erscheinung offen und ehrlich wirkte. Zumindest, wenn sie sich mit ihm unterhielt. Wie es bei anderen aussah war ihr gleichgültig. Daran etwas zu ändern lag weder in ihrer Macht, noch in ihrem Interesse. Und dennoch ahnte sie, dass vieles hinter den leuchtend grünen Augen verborgen blieb, die sie für einen Moment intensiv musterte. Dass Lucien zeitgleich süffisant lächeln konnte, während er seinen Gegenüber innerlich regelrecht zerfleischte. Irgendwie kribbelte dieser Gedanke kurzweilig in ihren Nervenbahnen. Machte sie positiv nervös und hinterließ ein tiefes und vielsagendes Lächeln in ihren Mundwinkeln.
Bis zu jenem Moment indem er sie an Cornelis erinnerte und ihr ein abgekämpftes Seufzen entlockte. Ärger machen war das eine. Das Leben eines anderen zu zerstören und eine Kettenreaktion sondergleichen auszulösen, weil man verdammt noch eins glaubte der gewiefteste Pirat dieser Welt zu sein eine ganz andere.

"Wäre es dir egal, wenn Talin an solch einer Situation zerbrechen würde?"

Bitter entwich dieser Vergleich ihren Lippen, während die dunklen Augenpaare Luciens Miene unvermittelt aus den Augenwinkeln ansahen. Denn eben SO verhielt es sich bei ihr und Enrique. Ganz gleich wie egal ihr der Rothaarige war, so galt das auf keinen Fall für den Dunkelhaarigen Wirbelwind, der bis vor wenigen Tagen noch gebrochen und schluchzend in ihren Armen gelegen hatte. Ganz gleich welches Versprechen sie Enrique auf der einsamen Insel gegeben hatte, hasste sie Cornelis regelrecht dafür, dass er all das zu verantworten hatte. Ob das in jenem Moment gerecht oder fair war, stieß bei der Nordskov auf taube Ohren.

"Ich schätze wohl nicht."

Der Tonus ihrer Miene wurde weicher, nahm mehr den Ausdruck von Müdigkeit an. Skadi versteckte nicht, wie sehr sie die letzten Tage ausgezehrt hatten. Psychisch wie physisch. Sie sehnte sich so sehr nach Ablenkung, dass sie sogar kurzweilig überlegt hatte, an geheimen Untergrundkämpfen der Stadt teilzunehmen. Zumindest ihrem Körper musste sie gestatten all den Frust von sich abzuschütteln, wenn sie schon niemanden hatte, der ihre Emotionen aufsaugte. Sie verpuffen ließ wie Luft und ihr diese Leichtigkeit zurück gab, die damals noch in jeder Faser ihres Körpers vibriert hatte.
Beiläufig kramte sie nach dem kleinen Geldbeutel in ihrer Hüfttasche und schob den leeren Krug mit einem Nicken zum Barmann hinüber.

"Also erschieß ihn bitte nicht, wenn er Ärger macht.", fügte sie mit einem schiefen Schmunzeln auf den Lippen hinzu. "Meine medizinischen Fähigkeiten reichen leider nicht aus, um jemanden wiederzubeleben."

Und sie gäbe einiges darum, es zu können. Säße wohl kaum hier, wenn dem so wäre. Mit einem knappen Nicken dankte sie dem Barmann für den gefüllten Krug vor ihrer Nase und drückte ihm schweigend die Münzen in die Hand. Nippte dann an ihrem Rum und wandte sich dann in einer fließenden Bewegung auf dem Hocker herum.

"Da ich nicht davon ausgehe, dass wir hier eine Mädchenrunde eröffnen und du mir deine Probleme beim gemeinsamen Haareflechten anvertraust... worauf hast du Lust?"

Und sie ließ sich gerade für nahezu alles begeistern - trug es dem Braunhaarigen in keinster Weise nach, dass er ihr alles aus der Nase zog, während er sich in Schweigen hüllte. Immerhin hatte sie keine Erwartungen an ihn, wie es ihre offene und sichtlich entspannte Miene verdeutlichte. Sie selbst hatte die Wahl ihre Gefühle für sich zu behalten, sah jedoch absolut keine Notwendigkeit darin. Wenigstens wusste er jetzt woran er war und was er von ihr in Zukunft erwarten konnte, wenn er das Thema Enrique betrachtete.



Hinter seinem Whisky verdüsterte sich der Ausdruck in den tiefgrünen Augen für einen Moment. Was für eine Frage. Selbstverständlich wäre es ihm nicht egal. Es gab nichts, das ihm weniger gleichgültig war, als das Glück seiner kleinen Schwester – und jedem, der es wagte, ihr auch nur ein Haar zu krümmen, riet er inständig, zu rennen. So weit und so schnell ihn seine Beine trugen. Niemals stehen zu bleiben. Immer einen Blick über die Schulter zu werfen. Denn er würde ihn finden. Früher oder später. Es gäbe nichts anderes, das ihn von dieser Jagd würde abhalten können, bis die Rechnung beglichen war. Nichts, aber auch gar nichts. Mit diesem Gedanken... konnte Lucien wahrscheinlich besser verstehen, was die Jägerin so unglaublich wütend, so hasserfüllt machte. Und in ihr das Verlangen weckte, alles dafür zu tun, damit der Mensch, der ihr am Herzen lag, wieder glücklich sein konnte.
Er stieß ein leises Seufzen aus – bei dem wohl auch irgendwo auf dieser Welt eine Elfe starb – und nickte schließlich zum Zeichen, dass er begriff. Dann genehmigte er sich einen großen Schluck seines Whiskys und warf der Nordskov einen Seitenblick zu, während sie in ihrer Tasche nach ihrem Gold kramte. Auf seinen Lippen erschien daraufhin ein kleines Lächeln.

Keine Sorge. Über den Punkt sind wir inzwischen hinaus...“, meinte er fast gelassen. Eine Gelassenheit, die sich über die Bitterkeit in seinem Inneren seltsam befremdlich und zugleich wohlig vertraut anfühlte. Ja. Das konnte er gut.
Dafür müsste er schon gewaltig Scheiße baun.

Der junge Captain hob erneut den Krug. Doch bevor er trinken konnte, durchkreuzte ein breites Grinsen seinerseits sein Vorhaben. Zwar schluckte er das Lachen, doch es spiegelte sich ganz offensichtlich in seinen Augen wider.

Nicht? Verdammt schade.

Und damit kippte er den Rest seines Whiskys hinter, stellte den leeren Krug wieder auf dem Thresen ab und ließ sich ihr Angebot noch einmal durch den Kopf gehen. Schließlich winkte er dem Wirt und bedeutete ihm mit einem Fingerzeig, noch einmal nachzuschenken.
Schon nach dem zweiten spürte er die Auswirkung des schnell getrunkenen Alkohols. Ein Krug mehr konnte das eigentlich nur besser machen.

Weißt du was?“ Er griff nach dem Gefäß und wandte sich nun ebenfalls seiner Trinknachbarin zu. „Für mich klingt das verdammt danach, als täte uns beiden etwas Ablenkung gut. Was hältst du davon, wenn wir das Zeug hier hinter kippen und uns einen Ort suchen, an dem ein bisschen mehr los ist.

Er hob den Krug mit einem kleinen Lächeln und in den tiefgrünen Augen erschien ein unergründlich Ausdruck, der flüchtig aber eindeutig über die Erscheinung der Jägerin wanderte. Ganz genau wie Skadi war der Dunkelhaarige für so gut wie alles zu haben.



Lucien verstand. Ohne ein weiteres Wort, weil es wohl kaum mehr bedurfte. Instinktiv hatte sich Skadi des stärksten Mittels angenommen, das man sich ihm gegenüber zu Nutze machen konnte. Und als Frau war die Nordskov nach wie vor noch emphatisch genug, um diese feste Bindung zwischen den Geschwistern zu begreifen und zu spüren, ohne sie leibhaftig gesehen zu haben. Femininer Instinkt. Die wohl größte Waffe, die sie von Geburt an besaß.
Luciens darauf folgende Worte lockte die braunen Augen unweigerlich zu sich herüber. Ließen sie prüfend über seine Miene tanzen und erlaubten es der Nordskov mit einem halben Schmunzeln auf den feinen Zügen tief durchzuatmen. Zwar glaubte sie dem Dunkelhaarigen durchaus, immerhin hatte er keinen Grund sie diesbezüglich anzulügen. Dennoch wusste sie genauso gut, dass Enrique ein komplizierter Mensch war, der manchmal unergründliche Dinge tat und deshalb missverstanden wurde. Seine mangelnde Kommunikation hätte ihn nicht zum ersten Mal in Schwierigkeiten gebracht und seine immer noch sehr direkte und befehlsähnliche Redeweise machte es ihm nach wie vor auf der Sphinx nicht einfach.
Dennoch hob Skadi in einer stillen Abmachung ihren Krug, prostete dem jungen Kapitän zu und nahm einen kleinen Schluck nun mehr weniger intensiv schmeckenden Rums. War wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis der Alkohol wohlig warm durch ihren Körper strömte und den Ausgang dieses Abends in einen dichten Nebel hüllte.
Und wenn sie Luciens brummendem Lachen lauschte, konnte sie wohl getrost davon ausgehen, dieser Gesellschaft etwas Angenehmes abgewinnen zu können. Allzu oft lachte der Dunkelhaarige zumindest nicht – wirkte in gewisser Weise gern so ernst und nachdenklich wie Enrique.
Somit zierte ein amüsiertes Grinsen ihre vollen Lippen, intensivierte sich bei jedem seiner Worte, bis es ein kleines Grübchen in ihrer Wange hinterließ.

Diese Idee könnte mir durchaus gefallen.“, entgegnete die Nordskov sichtlich vergnügt und ließ die dichten Brauen für einen kurzen Augenblick tänzelnd in Richtung ihres Haaransatzes hinaufschnellen.

Fast schon als wollte sie sich dem eindringlichen Blick Luciens entgegen stellen, der definitiv nicht unbemerkt geblieben war – er machte aber auch kaum den Anschein, als wäre das seine Absicht gewesen.
Laut schlugen die zwei Krüge aneinander, als Skadi dem Jüngeren zuprostete und den Rum mit nur einem Zug ihre Kehle hinab gleiten ließ. Das kurzweilige Brennen ignorierte sie, fokussierte sich auf die fließenden Bewegungen, die sie von ihrem Hocker hinab und das Tongefäß auf den Tresen gleiten ließ.

Dann verschwenden wir mal keine Zeit…

Eigentlich war es schon fast unnötig mit solcher Energie an ihren Ausflug heran zu gehen und sich mit einem breiten Grinsen Lucien entgegen zu lehnen. Doch Skadi fühlte sich – höchst wahrscheinlich dank der Unmengen an brennendem Alkohol – dazu beflügelt auf federleichten und tanzenden Sohlen nach einer neuen Beschäftigung zu suchen. Ganz gleich welchen Ausmaßes.

… denn die Nacht ist noch jungfräulich.

Ein herzhaftes Lachen entglitt ihrer Kehle und ließ den hoch gewachsenen Körper der Nordskov zurück weichen und zwischen den Tischreihen hindurch in Richtung Eingangstür schreiten. Beinahe konnte man den Eindruck gewinnen, dass sie ungewöhnlich aufgeweckt und lebenslustig wirkte.

Komm schon… oder muss ich deinen hübschen Hintern hier hinaus tragen?“, mit einem intensiven Blick wandte sich Skadi zu Lucien herum, kaum dass sie die Tür kraftvoll ins Rauminnere gezogen und den schmalen Körper durch den Spalt geschoben hatte. Wartete mit einem leisen Schnalzen der spitzen Zunge darauf, bis sich der junge Kapitän auf einige Armlängen genähert hatte und verschwand dann leise hinaus.



Skadis vergnügtes Lächeln war ansteckend – und Lucien ließ sich mitreißen. Ihre Krüge stießen aneinander und um die unergründlich tiefgrünen Augen bildeten sich amüsierte Lachfältchen. Sein Blick ruhte auf der Jägerin, die den Inhalt ihres Bechers hinter stürzte, noch bevor er den seinen überhaupt an die Lippen setzte. Beobachtete, wie sie mit einer fließenden Bewegung von ihrem Hocker glitt und ihr Verhalten sich wandelte. Mit einem Mal wirkte sie unbeschwert und abenteuerlustig. Schlicht und ergreifend bereit für das, was die Nacht ihr bieten könnte. Nicht die Jägerin, die sie war, sondern vielmehr eine junge Frau auf dem Weg zum nächsten Fest.
Seinen Blick nahm sie dabei mit solcher Gelassenheit hin, wie es nur jemand tat, der für jeden Spaß zu haben war. Und der das Terrain kannte, auf dem er gewohnheitsmäßig spielte. Als sie sich zu ihm lehnte, der Tatendrang in den dunklen Augen, konnte sich der Dunkelhaarige dem nicht mehr entziehen – selbst, wenn er gewollt hätte. Die Gedanken an Talin, an Enrique und die Schatten, die hinter dem Horizont auf Lucien lauerten, rückten in den tiefsten Hintergrund seines Unterbewusstseins. Machten der aufgeregten Bereitschaft Platz, zu nehmen, was da kam. Eben jene Bereitschaft, die Skadi ausstrahlte, die in ihrem Lachen erklang und ihre Bewegungen beflügelte, als sie zur Tür lief.

Also schön.

Die Worte galten nur ihm selbst, waren kaum eine wirkliche Antwort auf ihre gescherzte Drohung. Mit einem Schmunzeln setzte er den Krug an die Lippen, stürzte den gesamten Inhalt hinunter. Dann stellte er das Gefäß ab, griff nach dem Beutel mit seinen restlichen Münzen und rutschte von seinem Hocker. Die ganze Zeit über ließ er Skadi dabei nicht aus den Augen, begegnete ihrem intensiven Blick unerschrocken und folgte ihr schließlich bis zur Tür, durch die sie bereits hinaus schlüpfte. Der Alkohol brannte sich warm und verlockend durch seine Adern, machte die Welt um ihn herum etwas weicher. Etwas weiter entfernt.
Draußen vor der Tür umfing ihn kühle Nachtluft, beschwichtigte die Wirkung des Whiskys ein wenig, sodass er sie zwar spürte, aber nicht sofort sein Gleichgewicht einbüßte. Genau der richtige Zeitpunkt, um weiter zu ziehen. Und was eignete sich für ihrer beider Stimmung besser, als die besonders verrufenen Ecken des Hafenviertels? Lucien schob den Geldbeutel in seine Gürteltasche, verschloss sie sorgsam und warf seiner dunkelhaarigen Begleiterin dabei einen Seitenblick zu. Ein Grinsen auf den Lippen.

Ich kenne einen Ort, der dir gefallen könnte.



Er sollte häufiger lächeln. Mit diesem letzten Gedanken war sie zur Tür in die Nacht hinaus getreten. Hatte sich mit ausgestreckten Armen und einem tiefen Atemzug der aufkommenden Nacht entgegen gestreckt und fast schon selbstverständlich das breite Lächeln auf ihren Zügen zugelassen. Wie schnell die trüben Gedanken doch verblassten, wenn sie sich in guter Gesellschaft befand. Nicht zum ersten Mal hatte sie jemand mit ungewohnter Leichtigkeit dazu ermuntert, dem üblichen Verdrängungstrieb nachzugeben. Sich mit jeglicher Hingab in die Ablenkung hinein zu stürzen, die sich ihr bot, ohne dass sie auch nur einen weiteren Gedanken an die Folgen verschwendete. War sie schon immer so gewesen? Skadi wusste es nicht.
Versuchte jedoch genauso wenig es zu ergründen, als sie sich auf den Zehenspitzen zu Lucien herum drehte und dessen Miene mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck in Augenschein nahm. Die dunklen Gestalten in den Ecken und um sie herum ignorierte sie geflissentlich. Wie so oft, wenn sie sich auf etwas konzentrierte, das von weitaus größerem Interesse für sie war.

Ein Ort der MIR gefallen könnte?“ Beinahe wäre ihr ein Lachen über die Lippen gehuscht, wand sich jedoch nur als amüsiertes Glucksen aus ihrer Kehle heraus und hinterließ ein sanftes Blitzen in den dunklen Augen. “Da bin ich aber mal gespannt…

Skadi machte sich keine Gedanken darüber, was der Dunkelhaarige tief in seinem Inneren wirklich von ihr hielt. In welche Schublade er sie verfrachtete oder ob er überhaupt der Typ war, der Menschen aus anerzogenem Pragmatismus in Kategorien einordnete. Letztlich zählte für sie die Offenheit, die er ihr gegenüber immer wieder an den Tag legte und mit einer solchen Selbstverständlichkeit einforderte, dass es sich kaum anfühlte, als stünde sie einem, oder vielmehr IHREM Kapitän gegenüber.

…aber wehe du verschacherst mich an irgendeinen schmierigen Fleischberg. Dann muss ich dich leider übers Knie legen, mein Lieber.

Ein breites Lächeln zierte jäh ihre Züge, weitete sich zu einem amüsierten Grinsen und Auflachen, während sie ihm folgte. Dann und wann huschte das dunkle Augenpaar auf ihre Umgebung. Beobachtete die Umstehenden eher beiläufig, als dass sie versuchte sich auf Gesichter oder Landmarken zu fokussieren. Die Arme entspannt an ihren Seiten, der Schritt beschwingt und federleicht. Nichts an der Nordskov erweckte den Anschein, als wollte sie sich just in ein tiefgründiges Gespräch verwickeln lassen.



Ihre Antwort entlockte Lucien ein amüsiertes Auflachen. Von der Seite her warf er ihr einen kurzen Blick zu, versuchte tatsächlich, sich das Szenario für einige Sekunden vorzustellen und kam zu dem eher scherzhaften Ergebnis, dass ihre Idee – die sie ihm ja eigentlich ausreden wollte – wahrscheinlich lukrativer war, als sie dachte.

Nur, um erst das Gold für dich einzustreichen und den Herren, der so dumm war, hinterher auszurauben, sobald du ihn ins Reich der Träume verbannt hast.

Das Grinsen auf seinen Lippen, das er der Jägerin zuwarf, zeugte davon, dass er die kleine Geschäftsidee doch nicht ernsthaft in Betracht zog. Kurz darauf bogen sie jedoch in eine spürbar dunklere Gasse ab und der erheiterte Ausdruck verschwand. Wirkte stattdessen jungenhaft unschlüssig, während die tiefgrünen Augen über die schäbigen Haus- und Kellereingänge huschten, die hier und da die Mauern durchbrachen.

Das Problem ist... dass ich von diesem Ort bisher nur gehört habe, aber noch nicht dort gewesen bin.



Skadi blinzelte für einen Moment verdutzt, ehe ihr Körper aus purer Gefühlsexplosion ein Glucksen kaum unterbinden konnte. Damit hätte sie jetzt nicht gerechnet. Und sein Vorschlag war durchaus im Bereich des Machbaren.

Du bringst mich schwer in Versuchung, Dravaen.

Erwiderte die Nordskov mit einem sanften Stupser in seine Seite und folgte ihm wortlos in die Gasse. Sonderlich vertrauenswürdig wirkte der düstere Schatten der hohen Hauswände wohl kaum. Und ein knapper Seitenblick verriet ihr, dass der Jüngere wohl ähnliches dachte, wie sie selbst.

Und was für ein Ort soll das sein? Oder bleibt das ein Geheimnis, bis wir angekommen sind?

Auf ihren Zügen thronte noch immer ein sanftes Lächeln. Bis auf weiteres sah sie keinen Grund darin zu glauben, dass der Dunkelhaarige sie in eine Falle lockte.



Nicht weit von ihnen, nur etwa zehn Schritte voraus, bemerkte eine düstere Gestalt das Kommen der beiden Piraten und drückte sich mit grimmig-abweisendem Gesicht tiefer in den Schatten eines Hauseingangs. Vor seinem Mund glühte etwas in der Dunkelheit auf. Kurz danach erhob sich weißer Rauch in die Luft. Lucien bemerkte ihn früh, beobachtete ihn jedoch nicht länger als nötig und wirkte darüber hinaus alles andere als angespannt, als er den Blick nach ihrem geradezu kumpelhaften Knuff in seine Seite wieder seiner Begleiterin zuwandte. Nicht zuletzt mochte das an dem Alkohol liegen, der sich wohlig warm durch seine Adern fraß und seinen Körper ungewohnt leicht werden ließ.

Wenn uns zu langweilig wird, können wir uns das ja als Option offen lassen.“, gab er mit einem Grinsen zurück und zuckte im gleichen Moment mit der Schulter. „Ich hab bisher nur ein paar versoffene Kerle beim Pokern drüber reden hören. Irgendwo hier in der Stadt soll es eine Art... hm...“ Er suchte augenscheinlich nach dem passenden Wort und senkte ob des möglichen Zuhörers unwillkürlich die Stimme etwas. „... Untergrund geben? Ein Ort, an dem sich das ganze Gesocks an Dieben, Spielern und Säufern trifft. Reichlich Gelegenheit, schnelles Geld zu machen, wette ich.



Nur kurz folgte sie seinem Blick in die Schatten. Bemerkte die blasse Rauchsäule und verweilte ein wenig länger auf ihr, während Lucien sprach und ihr dann, mit gesenkter Stimme ein tiefes Brummen entlockte. Lucien sprach von einer Untergrundtaverne. Voller Menschen, die gern als Abschaum der Gesellschaft betitelt wurden und von denen sich Skadi in den meisten Fällen fern hielt. Aus gutem Grund. Wieso Lucien glaubte, dass ihr ein Ort wie dieser gefallen würde? Sie wusste es nicht, stellte unausgesprochene Vermutungen an und tat letztlich nichts anderes als die dunklen Augen in einem beharrlichen Lächeln auf ihren Lippen zur Seite zu richten.

Braucht es für einen solch geheimen Ort nicht einen geheimen Eingang und einen... Türsteher?

Erneut richtete sie ihren Blick auf jene Stelle, an der noch vor wenigen Augenblicken ein Mann gestanden haben musste - so sie die Rauchsäule und das kurze Aufblitzen richtig interpretierte. Und irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass dieses Augenpaar nicht das einzige zu sein schien, dass auf sie gerichtet war.



Dieses Mal konnte er sich ein kleines Schnauben nicht verkneifen. Weniger, weil das, was sie sagte, keinen Sinn ergab – das tat es nämlich sehr wohl – sondern vielmehr... sollte es wirklich so einfach sein? Sollten sie nur wenige Schritte, nachdem sie ihr Vorhaben, einen spannenderen Ort ausfindig zu machen, in die Tat umsetzen wollten, bereits auf den Eingang zu jener Untergrundspielwiese gestoßen sein? Dann sollten sich deren 'Betreiber' beim Verstecken wahrscheinlich mehr Mühe geben.

Wir können ja einfach mal klopfen...“, meinte er mit der geradezu unbefangenen Gelassenheit eines kleinen Jungens, warf Skadi einen kurzen, weiterhin amüsierten Seitenblick zu und brachte die letzten Meter mit zielstrebigeren Schritten hinter sich.

Der Türeingang war inzwischen leer, der Mann samt Glimmstengel verschwunden – wahrscheinlich nach drinnen. Das Gebäude selbst, zumindest das Erdgeschoss – bestand aus brüchig grauem, grob behauenem Feldstein. Die zweite Etage dagegen lediglich aus Holz. In den Fenstern brannte kein Licht. Die tiefgrünen Augen wanderten von der Fassade wieder zurück zur Tür, dann hob er die Linke und klopfte drei mal kräftig dagegen. Im ersten Moment geschah überhaupt nichts. Dann brummte jemand auf der anderen Seite ein grimmiges:

Wer da??



Skadi fühlte sich jäh wie ein kleines Kind, das kurz davor war, einen Klingelstreich zu begehen. Jede Faser ihres Körpers wollte auflachen und mit einem Glucksen hinter der nächsten Ecke in Deckung gehen. Bisher hatte der Alkohol allerdings noch nicht vollends eingeschlagen, sodass sie Lucien mit gemächlichem Schritt folgte und instinktiv die Waffen an ihrem Körper zählte. Sicher war sicher, wenn sie sich auf dieses kribbelnde Abenteuer mit dem Dunkelhaarigen einließ. Dumpf hallte der Schlag seiner Hand auf dem Holz erst in der Luft, dann in ihrem Körper nach. Ließ sie in einem breiteren Stand schräg neben ihm innehalten und die Gasse ins Visier nehmen. Selbst die dunkle Stimme am anderen Ende ignorierte sie vorerst. Versuchte dem Gefühl nachzugehen, das sich kribbelnd ihren Nacken hinauf schob, ehe sie sich herum wandte und über Luciens Schulter auf die Tür blickte.

Zwei gelangweilte Streuner, die nach etwas Ablenkung suchen.

Als ob der Kerl sie vorhin nicht gesehen hätte!
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Like a Letter printed in Red - von Lucien Dravean - 11.10.2020, 17:16

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste