06.10.2020, 17:41
Mit dem nächsten Geld, das er verdiente, würde sich Rúnar eine Füllfeder kaufen. Hundertprozentig. Seit es aufgehört hatte zu Regnen, hatte er an Deck gesessen und versucht, für seinen Brief an Ásta den letzten Rest Tinte aus der Füllfeder herauszuschütteln, welche er sich von Ceallagh geliehen hatte. (Mit dem nächsten Geld, das er verdiente, würde er dann wohl auch Tinte kaufen.)
Aber er wäre ohnehin nicht dazu gekommen, den Brief zu Ende zu schreiben, da Trevor angefangen hatte, das Deck zu putzen und Trevor offensichtlich nie nur eine Sache gleichzeitig machen konnte und deshalb beschlossen hatte, nebenbei auch Rúnar zu unterhalten.
Bis der Nebel gekommen war. Rúnar hatte es zuerst nicht bemerkt. Er hatte mit Trevor gesprochen und gelacht und Josiah mit einem stummen Nicken begrüßt und dann war es Trevor gewesen, der den Nebel bemerkt hatte. Rúnar hatte sich umgedreht um auf das offene Meer hinauszusehen und da war sie gewesen. Eine dicke, auf dem Wasser hängende Masse, die sich wie eine weitere Erdschicht über die die Welt spannte. Für einige Momente fühlte Rúnar sich so, als würde er ersticken.
Es ist nur Wasser. Nebel ist auch nur Wasser.
Aber Svavar.
Rúnar hörte Trevor schon gar nicht mehr zu. Irgendwas mit Schwänzen, Köpfen, Tentakeln ...
Seine Antworten waren nunmehr abwesendes Nicken. Obwohl er sich selbst dessen nicht mehr sicher war. Er zwang sich, seine Finger von der Reling zu lösen -- sie hatten sich unwillkürlich daran festgekrampft.
Svavars Herde hatte vier Begleiter. Der Nebel war nur einer. Keine leuchtenden Augen, kein Kreischen, kein Unwetter. Aber eines dieser Dinge reichte. Für den Bruchteil einer Sekunde wollte Rúnar der ganzen Crew jetzt sofort zu sagen, dass sie nach Svavar Ausschau halten mussten und dann schlug sein Herz wieder bis in seine Schläfen hinein und er--
Durfte. Keine. Angst haben. Wenn er Svavar jemals gegenüberstehen wollen würde, dann durfte sein Wille nicht mal einen Hauch schwächer sein als der Svavars.
Ich hab keine Angst vor dir.
Einatmen. Ausatmen. Weitermachen. Aufmerksam bleiben.
"Wie viele Beine hat dein Pferdeungeheuer, hm?"
Rúnar sah zu Trevor und gab ihm ein resolutes Lächeln. "Vier." Wie ein ganz normales Pferd.
Rúnars Kopf zuckte herum -- erst zum Krähennest, aus dem Liam etwas rief, dann zu Lucien, der einen Befehl erteilte. Rúnar tat es Trevor nach: Er lehnte sich etwas nach vorn und kniff die Augen zusammen. Ja, da war etwas. Ein Schiff, halb vom Nebel bedeckt. Es zu verfolgen hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt. Nun gut ... es war seine Entscheidung gewesen, sich Piraten anzuschließen. Und er bereute es nicht. Aber er versuchte, dabei nicht an die erste Nacht zu denken, in der er die Crew kennengelernt hatte. (Lucien wird wohl wissen, was er seiner Crew zutraute und das letzte Mal waren sie die Verfolgten gewesen, nicht die Verfolger.)
Rúnar drehte sich um, als die Sphinx leicht zur Seite kippte. Die Segel wurden gehisst und spannten sich als der Wind begann, an ihnen zu ziehen.
"Wie kann ich helfen", hörte er Isa fragen.
Er nahm seine Harpune von seiner Schulter. "Hast du eine Waffe?"
{ bei Trevor, Josiah und Isala }