03.10.2020, 17:41
Er hatte noch nicht richtig angefangen, da kam ihm bereits Tarón zur Hilfe, um das mittlere Segel voll in den Wind zu drehen. Ihm galt ein kurzer Blick und die stille Zusammenarbeit zwischen ihnen war besiegelt. Indes lauschte Alex den Worten des Captain, der ihm antwortete, selbst wenn er ihm inzwischen den Rücken zugedreht hatte, um mit aller nötigen Kraft an den Tauen zu ziehen, um das Segel auszurichten. Vielleicht gar nicht so verkehrt, denn das Schmunzeln auf seinen Zügen trug eine Mischung aus Zweifel und Erwartung in sich, das Shanaya mit Sicherheit nicht gefallen hätte. Aber woher sollte der Lockenkopf auch wissen, dass Luciens Worte nicht als bloßer Scherz und aus dem Vertrauen heraus gemeint waren, sondern die Wahrscheinlichkeit wirklich hoch stand, dass er Recht hatte? Alex zweifelte nicht an den Fähigkeiten der Schwarzhaarigen, ihren Posten zuverlässig zu besetzen – aber fremde Gewässer waren immer tückisch. Und mit Nebel nur um so tückischer. Er würde sich überraschen lassen.
„Aye!“, rief er Lucien entgegen, kaum, dass dieser geendet hatte und drehte den Kopf dann doch kurz über die Schulter, als Shanaya sich selbstbewusst und zuverlässig wie eh und je zu Wort meldete. Das Lächeln auf den Zügen des Dunkelhaarigen wuchs. „Dein Wort in den Ohren der Sirenen.“Auf die Distanz hin blieb ihr die Herausforderung und die Bereitschaft, sich davon überzeugen zu lassen, dass sie Recht hatte, vermutlich verborgen, doch seine Stimme verriet genug, um sie wissen zu lassen, wie seine Worte gemeint waren. Gerade, als er das Ende des Taus wieder befestigte, trat eine weitere Gestalt zu ihnen – die andere junge Frau, die weitaus weniger Erfahrung mit der See hatte als ihre Altersgenossin, die sich nun mit Tarón abstimmte. Alex‘ Blick streifte die Bereitschaft auf ihren Zügen, doch er konnte sich diesen gewissen Anteil an Spott in der Mimik nicht verkneifen – so wenig böse wie er ihn meinte. Natürlich fingen sie alle einmal klein an und mussten lernen, wie die Dinge liefen. Jetzt, bei den Vorbereitungen, würde sie sich vermutlich wirklich noch nützlich machen können. Später dann würde sie der Eifer und die Schnelligkeit des Gefechts aber wahrscheinlich eher übermannen. Immerhin erklärte sie sich bereit, Befehle entgegenzunehmen. Mit dem Schnösel würde Lucien vermutlich mehr Arbeit haben.„Dann komm mit.“, rief er sie an und verdeutlichte Tarón mit einem Blick, dass er sich dran machen würde, Luciens Anweisung an die Betroffenen unter Deck weiterzugeben.Der Spott hatte sich nicht lange gehalten, doch seine Stimme drängte ein wenig zur Eile. Je früher sie bereit waren, desto weniger konnte man sie überraschen. Ohne viel Feingefühl drückte er die Tür auf, die unter Deck führte und hielt sie hinter sich mit dem ausgestreckten Arm offen, damit Soula hindurch schlüpfen konnte.„Wenn wir das Schiff eingeholt haben, ist’s keine Schande, dich erstmal im Hintergrund zu halten. Allemal besser, als im Weg zu stehen und vermutlich jedem hier lieber, als dich wieder zusammenflicken zu müssen.“Ein Rat, den er absolut ernst meinte. Der Ton würde rauer werden und jeder Handgriff musste sitzen, ohne, dass man groß Zeit hatte, darüber nachzudenken oder gar große Erklärungen zu schwingen. Mit der Zeit fand man sich rein, man wuchs an Erfahrungen. Und wenn Alex darüber nachdachte, seine Schwester anstelle Soula hier stehen zu haben, wäre ihm wirklich mehr daran gelegen, sie irgendwo außerhalb der Gefahrenzone zu wissen.„Ceallagh, mein Lieber!“ Seine Stimme hallte durch den Bauch der Sphinx, kaum dass sie am Ende der Treppe angekommen waren. „Deine Person wird oben verlangt, um uns alle ins Verderben zu führen!“ Der Blondschopf würde sicher nicht lange auf sich warten lassen, wenn sein heißgeliebter Captain nach ihm verlangte. Ein Wunder eigentlich, dass er noch nicht Gewehr-Beifuß gestanden hatte. „Skadi, Enrique! Einer von euch soll die vorderste Kanone an steuerbord bemannen.“ Noch bevor er nach den genannten Personen Ausschau hielt, wandte er sich wieder an Soula. „Unten müsste eine Kiste mit den Enterhaken und Tauen sein. Bring‘ die Lucien nach oben. Und bring‘ einen Degen mit nach oben und verstaue ihn griffbereit beim Hauptmast. Ich kenn‘ Liam doch. Danach kannst du Skadi zur Hand gehen.“Aus den Augenwinkeln heraus hatte er den gelockten Schopf der Dunkelhaarigen erkannt, der ihn ihre Richtung kam.