27.09.2020, 00:30
Ein Wasserrinnsal lief über die ohnehin feuchten Planken am Bug der Sphinx, teilte sich links und rechts eines hölzernen Eimers in zwei, und schließlich in drei, vier, fünf Rinnsale, die sich ihren Weg durch ein Gewirr aus Tauen und Seilen suchten. Der Nieselregen hatte endlich nachgelassen und Trevor hatte beschlossen, dass es das perfekte Wetter war, um das Deck zu schrubben. (Und dass das wiederum dir perfekte Tarnung war für etwas, das ganz sicher auf keinen Fall so etwas wie eine Wasserschlacht gewesen war.) Ging ja quasi von allein! Und selbstverständlich hatte er es auch auf sich genommen, unter den Tauen zu putzen, schließlich waren die wichtig.
Dieser Entschluss und alle, gut, die meisten seiner Folgen waren jetzt etwa zehn Minuten her. Trevor lehnte an Steuerbord über der Reling, in der Hand noch immer den tropfenden Wischmop, und tat so, als würde er Josiahs Beschwerden über das Chaos nicht hören.
„Es ist aber kein Pferd!“, erklärte er in diesem Moment mit der Inbrunst eines Piraten, der in seinem Leben zweihundert Seeungeheuer und fünf Pferde gesehen hatte. (Eins davon war ein Esel gewesen, aber das zählte.)
„Es hat Streifen! Und sieben Köpfe! Und drei Schwänze! Vielleicht auch drei Köpfe und sieben Schwänze, die Quellen –“
Er hielt inne, um zu überlegen, wer seine Quellen eigentlich waren, und kam zu dem Schluss, dass das nicht so wichtig war. Bald würde er das Seeungeheuer ja mit eigenen Augen sehen!
„– die Quellen sind sich da uneinig. Es könnte natürlich auch zehn Beine haben – besser, Tentakeln! – und dann tut es abwechselnd so, als wären manche davon Köpfe und manche Schwänze, um seine Opfer zu verwirren!“
Zur Veranschaulichung schüttelte er den Wischmop, als wären die nassen Zotteln hunderte kleiner Tentakeln. Wasser spritzte zu allen Seiten.
„Wie viele Beine hat dein Pferdeungeheuer, hm?“
Er sah Rúnar neben ihm für einen kurzen Moment neugierig an. Als er die Augen wieder aufs Meer richtete, schien die Nebelwand bereits näher gekrochen zu sein. Liam aus dem Krähennest rief irgendetwas, und Trevor beugte sich noch weiter über die Reling, und noch ein bisschen weiter, um zu schauen, ob er schon irgendwelche Seeungeheuerköpfe oder Schwänze oder Beine oder Tentakeln oder vielleicht ja doch Hufe unter der schwarzen Wasseroberfläche entdecken konnte. Erst Luciens Stimme ließ ihn aufhorchen.
„Verfolgung?!“
Dann sah er es auch, schemenhaft zumindest. Vor ihnen. Keine Tentakeln. Segel! Im nächsten Moment klapperte der Wischmop zu Boden und Trevor schnappte sich zielgerichtet das Tau aus dem Chaos, das sie brauchten, um Luciens Befehl nachzukommen.
„Ooh, das ist so viel besser! Wir dürfen Seeungeheuer spielen!“
[Am Bug, Steuerbords an der Reling > keine Ahnung, was er da mit dem Segel tut, aber es ist was Sinnvolles | bei Josiah, Rúnar und wer sonst noch mag :)]