27.07.2020, 13:10
Weder Gregory noch Trevor hatten je viel von ihrer Familie gesprochen, wenn er sich recht entsann. Auf der Sphinx fiel das allerdings kaum auf. Liam frage nicht. Zum einen, weil die wenigsten wirkliches Interesse an mehr hatten als oberflächlichem Geplänkel. Und zum anderen, weil er das Gefühl nicht los wurde, dass nur die wenigsten von ihnen eine Familie hatten, an die sie gerne dachten. Umso spannender war es, als Trevor ihm grob und in einem atemberaubenden Tempo seine Familiengeschichte aufführte, die alle möglichen Tätigkeiten beinhaltete. Aus irgendeinem Grund war ihm nie der Gedanke gekommen, dass Trevor aus einer richtigen Piratenfamilie stammte. Vielleicht, weil er sich eine derartige Kindheit irgendwie weniger schön vorstellte, wenn man bereits früh damit konfrontiert wurde, andere überfallen zu müssen. Aber was wusste er schon – vielleicht war Trevors Art auch eine Art Selbstschutz. Oder seine Familiengeschickte klang einfach rosiger als sie eigentlich war.
„Dann seid ihr vorher unter einem eurer Onkel gesegelt?“, fragte Liam aus reinem Interesse und aus der Hoffnung heraus, dass der dortige Captain – er hatte den Namen selbstverständlich vergessen – vielleicht mehr wusste.
Mit nachdenklich gesenktem Blick folgte er der Schlussfolgerung Trevors, die durchaus sinnig war. Bemerkenswert, wie ehrgeizig er sein konnte, wenn ihm etwas wirklich wichtig erschien. Die ein oder andere Kleinigkeit wäre mit Sicherheit nicht jedem von ihnen aufgefallen. Gedankenverloren brummte er zustimmend, als der Jüngere endete. Es war eigenartig, den Quatschkopf derart mitgenommen und ernst zu erleben. Er schien durchaus darunter zu leiden, nicht zu wissen, wo sich seine Eltern gerade herumtrieben. Liam konnte es nur zu gut nachempfinden, aber das würde er dem Dunkelhaarigen nun nicht unter die Nase binden. Stattdessen verspürte er viel mehr den Drang, ihm irgendwie dabei behilflich zu sein, seine Gedanken besser ordnen zu können – zumindest so gut, dass ihm die Sorgen nicht mehr derart auf das Gemüt drückten. Trevor hielt den Brief noch immer zwischen den Fingern. So mitgenommen, wie das Papier aussah, hatte er ihn die letzten Tage nur selten aus den Fingern gelegt. Als er fortfuhr, sah der Lockenkopf auf und lächelte ehrlich – Trevor blieb eben, wie er war. Ganz gleich, wie sehr ihn etwas beschäftigte.
„Vermutlich, ja.“, überlegte er laut, runzelte aber die Stirn, als ihm eine Passage wieder in den Sinn kam. „Oder aber es wäre zu gefährlich gewesen, es in einen Brief zu schreiben. Für den Fall, dass er abgefangen wird. Deine Mutter schrieb doch, es sei ihr verboten, mehr zu schreiben?“
Mit einer Handbewegung deutete er erneut auf die zwei mitgenommenen Seiten Pergament in seinen Fingern.
„Es gibt sicherlich noch mehrere Hinweise auf diesen zwei Seiten. Sie mussten sich wieder ihrer Aufgabe widmen – weißt du, welche Aufgabe sie gerade haben? Oder die Pflanzen. Nicht jede Pflanze kann mit ihrer Wirkung Leben retten. Wenn man also wüsste, inwiefern… ließe sich daraus vielleicht auch enger eingrenzen, ob nun die dritte oder die siebte Welt infrage käme.“
In erster Linie dachte Liam laut und versuchte währenddessen, die Informationen ranzuholen, die ihm fehlten. Es gab genügend Bücher über die verschiedenen Welten, über die Flora und Fauna, die Kultur. Aber selbst, wenn sie es auf eine der beiden Welten eingrenzen konnten, waren die Welten selbst noch viel zu groß, um wirklich ein Schiff, eine Person zu finden.
„Willst du nur wissen, wo sie sich herumtreiben oder willst du sie finden?“
Liam sah auf. Trevor war nicht so einfach zu lesen wie andere Menschen. Liam gab sich immer damit zufrieden, zu wissen, dass sein Vater noch lebte, ohne wirklich nach Anhaltspunkten zu suchen, wo er sich gerade herumtrieb. Trevors Bemühungen gingen tiefer.