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Shall I compare thee to a summer's day?
Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Apr 2016
#6
Ein wenig hatte sie das Gewicht des Sattels unterschätzt, der wie ein lederner Stein auf ihre Arme hinab sank. Für einen Moment musste Skadi ihren Schritt stabilisieren, ehe sie Zur Seite trat und Jón Platz machte.
Schweigend folgte sie ihm dann. Zu den Trensen, wenig später zurück zu den Pferden. Beobachtete alles ohne ein Wort zu verlieren. Dieser Rúnar war seltsam verschlossen, wie sie feststellte. Der hatte wahrscheinlich genauso wenig Bock auf all das hier wie sie. Aber ihrem Vater „zu Liebe“ und weil sich der Dunkelhaarige redlich Mühe mit ihr gab, spielte sie einfach mit. Was besseres hatte sie ohnehin nicht zu tun.
Kurz zog Skadi den Mantel fester um ihre Schultern. Den Blick auf eines der Pferde gehoben und dicht bei Rúnar stehend. “Reitet ihr oft zusammen? Du und... Jón?“
Rúnar tätschelte Nótt geistesabwesend den Hals, während Jón Blærs Sattelgurt enger zog.

Rúnar nickte und lächelte. "Fast jeden Tag." Er dachte wieder daran, dass dies niemals seine Zukunft sein würde. Die von Jón, ja. Und auch die von Skaði. Aber er? Er würde seine Tage auf einem Walfänger verbringen und Jón und Skaði und ihre Kinder würden sich um Nótt und Rökkur kümmern, damit sie nicht außer Form gerieten und verwilderten und Rúnar seine Stunde, die er am Tag noch zum Reiten übrig hatte, auch gut dafür nutzen konnte.

Er blinzelte kurz--um die Gedanken loszuwerden. Er musste sich jetzt keine Gedanken darüber machen. Er sollte sich so oder so keine Gedanken darüber machen. Er hatte so oder so keine Wahl.

"So, fertig", sage Jón. "Ich zeige dir, wie man aufsteigt, in Ordnung?"
Seine Antwort fiel wie erwartet kurz aber präzise aus. Das war wohl eine seiner besonderen Eigenarten, sofern er mit Menschen zu tun hatte, die weder zur Familie gehörten, noch enge Freunde waren. Das sanfte Lächeln, das sie deutlich in seiner Stimme vernahm, war jedoch im ersten Moment unerwartet. Denn der kurzweilige Ausdruck in seinen Augen glich so gar nicht dem heiteren Gemüt seiner Lippen - zumindest bildete es sich die junge Nordskov ein, als sie den Blick aus braunen Augen von dem Hals des Pferde auf Rúnar gleichen ließ. Vom Gedanken eingenommen, dass es schön war mit jemandem einen Großteil seines Tages zu verbringen, den man (zumindest die meiste Zeit über) gut leiden konnte, bemerkte sie Jón kaum in ihrem Rücken. Zuckte für einen Sekundenbruchteil zusammen, als sein warmer Atem ihre Wange streifte und sie im selben Moment den dunklen Lockenkopf zu ihm wandte.
“ähm... okay.“ Was er jetzt so wirklich wollte, wusste Skadi nicht, als sie auf dem Absatz kehrt machte und nach wenigen Schritten neben Jón zum Stehen kam. Irgendwie fühlte sie sich wie bestellt und nicht abgeholt. Würde sogar auf die beiden Jungs eben jenen Eindruck machen, während ihr Blick immer wieder vom Dunkelhaarigen auf den Sattel glitt. “Und jetzt?“
Während Rúnar von sich aus aufstieg, blieb Jón vor Blærs Hals stehen. "Also. Du stellst deinen linken Fuß in den Bügel. Dann trittst du mit Schwung rein und schwingst dein rechtes Bein über die Kruppe--also, den Hintern. Heb dich dabei aber am Sattel fest." Er machte eine kurze Pause. "Oder--" Stockte. "Oder du nimmst dabei meine Hand." Er erhob seine Hand, sodass sie auf Augenhöhe war. Bereit für Skaði, um sie als Hilfestellung anzunehmen. Falls sie wollte.
Das Metall des Steigbügels klapperte in ihrem Rücken. Rúnar musste also schon auf dem Pferd sitzen, das kurz schnaubte und Skadi für einen Moment von Jóns Erklärung ablenkte. Doch sie nickte verstehend auf dessen Worte. Setzte bereits ihren Fuß in den Bügel und hob sich in einer fließenden Bewegung selbst in den Sattel. Es fühlte sich unfassbar komisch an so breitbeinig da zu sitzen. Wie von selbst streckten sich ihre Beine für einen Moment, ehe sie auf den dunklen Haarschopf neben sich hinab sah. “Okay... sitzt du bei mir mit drauf?“
Jón ließ seine Hand sinken. Rúnar sah sein Gesicht dabei nicht, aber er konnte es sich vorstellen. Aber auf Skaðis Frage hin klang er wieder etwas fröhlicher. "Natürlich", sagte er und lächelte zu Skaði hinauf. Sie war sicher aufgestiegen und ihr Sitz wirkte ebenfalls sicher. Rúnar konnte sich vorstellen, wie sie nach kurzer Zeit schon allein im Jagdgalopp über die Wiesen fegte. Irgendeinen der Hengste unter ihr, der genau so ein Wildfang war, wie sie selbst.

Als Jón zu Rúnar rübersah, war dieser schon dabei Nótt näher an Blær heranzubringen, sodass Jón gerade noch Platz hatte, sich zwischen den beiden Pferden umzudrehen. Brav wie Blær war, blieb sie problemlos stehen. Nótt war Rúnars und Jóns seltsame Experimente ohnehin gewohnt.

"Achtung, ich komme hoch", sagte Jón zu Skaði. Rúnar nahm den Fuß aus dem Bügel und legte ihn an Nótts Hals an und hielt seine Hand bereit. Jón stieg in den Bügel, nahm Rúnars Hand und schwang sein Bein vorne herum über Blærs Hals. Er ließ sich etwas unsanft auf Blærs Widerrist fallen, aber das störte die Stute kein bisschen.

"Na, das üben wir aber nochmal", sagte Rúnar scherzhaft. Jón streckte ihm die Zunge raus und nahm die Zügel auf. Rúnar lachte leise in sich hinein.

Jón dreht sich halb um, aber er konnte Skaði nicht sehen. "Am besten hältst du dich an mir fest."
Gerade im rechten Moment rückte Skadi ein paar Zentimeter zurück, ehe Jón sie über den Hals des Tieres schwang und vor ihr Platz nahm. Dem darauffolgenden Wortwechsel wohnte sie mit einem kurzen Blick auf Rúnar bei und grinste breit hinter den Schultern seines Freundes zu ihm hinüber. Fast hätte sie sich zu einem amüsierten Grunzen hinreißen lassen. Nickte stattdessen auf Jóns Anweisung und schlang unverwandt und fest ihre Arme um seine Hüfte.

"Okay... und jetzt?"

Ihr Herz klopfte ihr schlagartig bis zum Hals, als das Pferd seinen Schweif zur Seite schnellen ließ und ihr Bein streifte.
Rúnar musste lächeln, als er sah, wie Jóns dreister Ausdruck zu einem überraschenden wurde, als Skaði bedenkenlos ihre Arme um ihn schlang. (Wären sie ein paar Jahre älter gewesen, hätte man sie sicherlich für unsittlich gehalten -- alle beide.)

Jón blinzelte ein paar mal und sagte: "Jetzt reiten wir los." Er schnalzte mit der Zunge, Blær ging gemütlich los und Rúnar trieb Nótt an, um den beiden zu folgen. "Du suchst aus wohin", fügte er hinzu. Er nahm die Zügel in eine Hand und zeigte in die Landschaft. "Wir können runter an den Strand. Hier oben geht es zu einer Eben. Und hier in den Wald. Sind alles gute Reitwege."
Im ersten Moment musste Skadi einen kleinen Aufschrei unterdrücken, als sich das Tier in Bewegung setzte und sie ruckartig gegen Jón gepresst wurde. Spitze dann jedoch die Ohren und zog den Kopf so weit über seine Schulter, dass sie ihr Kinn problemlos darauf betten konnte.

"Wald."

Es kam wie aus der Pistole geschossen und zauberte der jungen Nordskov ein paar rote Flecken auf die Wangen.

"Wenn ihr nichts dagegen habt."

Fragend schielte sie zu Rúnar und schmunzelte.
Jón wurde selten rot. Und er war auch nicht so blass wie Rúnar, deswegen sah man es ihm nicht sofort an, aber jetzt -- jetzt sah man es deutlich.

Rúnar war froh, dass Ásta etwas zurückhaltender gewesen war, als Skaði. Aber dann wiederum -- er selbst war auch zurückhaltender als Jón. Sie waren wie eine Kompassnadel, immer in die entgegengesetzte Richtung zeigend, aber trotzdem untrennbar. Und Jón war meistens der Norden, der Rúnar an die Hand nahm und ihn mitzog und ihm sagte, wo es lang ging.

"Nein, Wald ist gut. Deswegen auch der Vorschlag", sagte Jón. Rúnar nickte zustimmend, als Skaði zu ihm sah.

Als sie an der Hengstweide vorbeiritten, erklang ein beinahe klägliches Wiehern und Sólfari kam vom anderen Ende der Weide angetrabt. Sólfari war der ganze Stolz von Rúnars Onkel. Ein dreijähriger Hengst. Flachsfarben und minimal gescheckt mit weißem Kopf und weißen Beinen. Silberne Augen. Wie der Reiter. Sólfari war störrisch und ließ kaum etwas mit sich machen, aber er war dennoch ein liebes Pferd und alle warteten drauf, dass jeden Tag etwas geschehen könnte, was ihnen bestätigen würde, dass er tatsächlich gesegnet war -- und somit die ganze Familie, jetzt und für alle folgenden Generationen. Und Sólfari liebte Blær abgöttisch. Er protestierte lautstark, jedes Mal, wenn sie von der Weide geholt wurde. (Wenn man ihn von der Weide holte war das kein Problem, denn dann schenkte man ihm ja Aufmerksamkeit, die er sich abgesehen davon, nur von Blær wünschte.)

Jón rollte mit den Augen. "Sólfari!", rief er, lang gezogen, mit einem genervten aber mitleidigem Unterton. "Das ist doch kein Weltuntergang."

Sólfari schrie weiter.
Bildete sie es sich ein oder zitterte seine Stimme, als er antwortete? Für einen Sekundenbruchteil zogen sich die dunklen Brauen zusammen, während das aufmerksame Augenpaar zur Seite huschte und versuchte durch die dunklen Haare einen Blick auf Jóns Gesicht zu erhaschen. Fehlanzeige. Nicht als tanzende Locken und dunkle Spitzen kurzer Haare.
Das Trappeln von Hufen lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Weide und das Geschehen außerhalb des Pferdes, auf dem sie saß. Fasziniert starrte sie dem Hengst entgegen, dessen Augen… irgendwie denen Rúnars ähnelten. Weniger blau. So viel war gewiss. Doch genauso stechend und unnatürlich hell.

“Hey… Wer bist du denn?“

Langsam zog Skadi einen Arm von Jón und streckte ihn zur Seite in Sólfaris Richtung. Lächelte verschmitzt.

“Du hast wohl auch keine Lust hier allein rumzuhängen, was?“
Jón stoppte Blær, als er bemerkte, dass Skaði ihren Arm nach Sólfari ausstreckte. Der Hengst hob den Kopf über den Zaun und machte den Hals lang, um ihre Hand zu erreichen. Seine Nüstern blähten sich kurz, dann zuckte er zurück und streckte sich weiter nach vorn, zu Blær.

Jón warf Rúnar einen vielsagenden Blick zu: Was für eine Nervensäge. Nehmen wir ihn einfach mit, bevor er noch den ganzen Hof zusammenschreit.

Rúnar nickte und bewegte Nótt zum ein paar Schritte zurückliegenden Gatter. Sólfari wusste, was passierte und kam sofort, zwängte sich durch die Öffnung, als Rúnar das Gatter auch nur ein kleines Stück geöffnet hatte und drängte Nótt damit unsanft zur Seite. "Hey! Du Blödmann", beschwerte Rúnar sich, aber Sólfari war schon bei Blær und begrüßte sie; dann begrüßte er Skaði ordentlich, indem er ausgiebig ihren Arm beschnupperte.
Schweigend beobachtete die Nordskov die Szenerie. Grinste bis über beide Ohren, als der Hengst auf sie zu gerannt kam, um erst die Stute, dann sie zu begrüßen. Immer berührten ihre Fingerkuppen die feinen, glatten Nüstern. Das Kribbeln fühlte sich seltsam angenehm an. Fast vergaß sie Jón vor sich, den sie mit ihrem anderen Arm fest umklammert hielt und ihren Kopf gegen seine Schulter lehnte, während ihr Blick auf Sólfari gerichtet blieb.

"So einen Bruder wie dich habe ich auch. Aber macht bloß keine Dummheiten, hörst du?"

Und dann war es unaufhaltsam. Sie kicherte. Für einen kurzen Moment, indem der Hengst wie zur Antwort gegen ihre Hand schnaubte.
Als Skaði loskicherte, musste Rúnar auch mitkichern. Er konnte sehen, wie Jón sich zuerst zurückhielt, aber dann konnte er auch nicht mehr an sich halten.

"Ne, ne, mache ich ja gar nicht", sagte Jón in sein Lachen hinein. ""Wir machen das immer so." Kurze Pause, in der er einen tiefen Atemzug nahm. "Achtung, es geht weiter." Und er trieb Blær an. Sólfari passte sich der gemütlichen Schrittgeschwindigkeit an und lief entspannt neben ihnen her.
Sólfari verschwand. So auch Skadis Arm, der sich an Jóns Hüfte einquartierte. Den weiteren Weg verbrachte sie für ein paar Minuten schweigend auf dem Rücken der Stute. Den Kopf wie zuvor auf die Schulter des Jungen gebettet, dessen Anwesenheit von Herzschlag zu Herzschlag immer selbstverständlicher wurde.

"Meine Mo sagt immer, dass man Wildfänge nicht einsperren sollte, weil sie sonst unglücklich sind."

Was sich sowohl auf Tiere, als auch auf Menschen ummünzen ließ.
Rúnar warf einen Blick auf Sólfari. Seine lange Mähne wippte auf und ab mit seinem Gang und er ließ entspannt den Kopf hängen. Sah nur ab und zu zu Nótt und Blær, als ob er sicher gehen wollte, dass es allen gut ging.

Und Rúnar sah zu Jón und zu Skaði, die sich immer noch an ihm festhielt. Wildfänge.

"Ich denke, sie hat recht", sagte Rúnar. "Hast du mehrere Geschwister? Oder nur einen Bruder?"
Aus den Augenwinkeln sah Skadi zu Rúnar hinüber, der, wenn sie sich nicht irrte, zum ersten Mal an diesem Tag eine direkte Frage an sie gestellt hatte. Nicht, dass sie darüber jetzt übermäßig erfreut wäre. Doch es hob ihre Mundwinkel dennoch zu einem anerkennenden Lächeln. Er schien wohl langsam warm zu werden.

"Ich habe insgesamt 4. 3 Brüder und eine Schwester."
"Wirst du sie--" Er stoppte sich. Er hatte fragen wollen, ob sie ihre Geschwister nicht vermissen würde, wenn sie hier her kommen würde. Und hier bleiben würde. Aber er wollte keinen falschen Nerv treffen.

Dann kam Jón ihm ohnehin zuvor. Er gab ein aufgesetztes Jammern von sich, das reif fürs Theater gewesen wäre. "Immer bin ich der einzige, der nur eine Schwester hat."

Rúnar lächelte. "Er macht nur Witze", sagte er zu Skaði.

Jón hob einen Finger in Rúnars Richtung. "Na ja. Es hat schon seine Gründe, warum ich lieber mit dir Zeit verbringe, als mit ihr."

Die Pferdehufe klapperten auf dem kleinen, festgetretenen Pfad der sich den Hügel hochschlängelte. Baumkronen erschienen am oberen Rand des Hügels.
"Hey."

Mit einem sanften Schlag presste Skadi ihre flache Hand gegen Jóns Schulter, kaum dass sie sich von ihm löste und protestierend gegen seinen Hinterkopf sah.

"Du solltest dankbar für deine Schwester sein. Es hätte gut sein können, dass du auf ewig allein geblieben wärst. Alle Augen auf dich gerichtet."

Man merkte sichtlich, dass die Nordskov als loyaler Familienmensch erzogen worden war. Zwar ärgerte sie sich nicht weniger über ihre Geschwister, doch hätte sie niemals einen von ihnen zum Teufel gewünscht. Zumindest nicht für immer.
Jón führte seine Hand an seinen Hinterkopf. Gab ein nervöses aber auch gleichzeitig belustigtes Lachen von sich.

Jón drehte seinen Kopf ein wenig zur Seite, damit Skaði ihn besser hörte.

"Ich bin ja nicht undankbar für sie. Wir verstehen uns nur nicht immer so gut." Eine kurze Pause. "Und es sind sowieso alle Augen auf mich gerichtet. Wenn sie nicht auf Rúnar gerichtet sind."

Das trieb Rúnar schon wieder die Röte ins Gesicht. Es war tatsächlich so. Auch, wenn er und Jón nicht wirklich wussten warum. Rúnars Vater sagte ihm immer wieder, wie wichtig es sei, dass sie die Familie "weiterführten" und irgendwas von Baumstämmen und dass er das später noch besser verstehen würde und ihm bis dahin einfach vertrauen musste. Und Onkel Nói tat dasselbe mit Jón. Nur nicht ganz so eindringlich.
Langsam lehnte sie sich leicht zur Seite. Folge Jóns Blick zu Rúnar hinüber und umriss seine Gestalt mit wachsamen dunklen Augen. Auf ihren Zügen zeichnete sie kein Lächeln ab. Eher wirkte die Nordskov, als durchfuhr sie tiefstes Bedauern. Sogar ein Tropfen von Trotz, den sie ihrem Vater gegenüber nur all zu gern an den Tag legte.

"Das stell ich mir unfassbar anstrengend vor. Du bist der Älteste?"

Während sie auf eine Antwort wartete schob sich der rechte Arm wieder ungefragt um Jóns Hüfte. Der Gang seiner Stute wurde schließlich mit zunehmendem Anstieg holpriger.
Rúnar sah zu Skaði rüber, als sie ihn ansprach und er bemerkte, dass sie ihn eingehend ansah. Er warf ihr ein kurzes Lächeln zu (damit es nicht so unangenehm war). Dann zuckte er mit den Schultern. "Ist es manchmal, aber nur, weil ich manchmal nicht verstehe, was die Erwachsenen von uns wollen." Er legte etwas Spott in seine Stimme und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. "'Das verstehst du noch nicht, aber bald.'" Dann seufzte er und nickte. "Und ich bin der Älteste, ja. Hrafn und Hekla sind ein Jahr jünger als ich. Und Írunn ist--" Er rechnete kurz nach und kniff in seiner Konzentration kurz ein Auge zusammen. "--zwei Jahre jünger als Jón."
"Ganz ehrlich... manchmal glaube ich, dass sie selbst nicht wissen, was sie wollen."

Skadi sagte es, als wäre sie gefühlte 80 und voller Lebensweisheiten, die sie unter die Menschen bringen musste. Doch das verschmitzte Lächeln machte deutlich, dass in ihr nichts mehr steckte, als der Kopf einer trotzigen 10 Jährigen. Einem dieser "Wildfänge", die kaum zu bändigen waren und die mit harter Hand geführt werden mussten, wollte man sie ihrem angeborenen Trieb enteignen. Und der riet Skadi augenblicklich tiefer ins Unterholz zu starren und sich mit beiden Händen auf dem Hinterlauf der Stute abzustützen.

"Woah... hätte gar nicht gedacht, dass ihr doch noch nen richtigen Wald habt."
Rúnar weitete die Augen und nickte zustimmend. Jón sagte: "Da könntest du allerdings recht haben."

Er drehte sich kurz irritiert um, als sich Skaðis Arme von ihm lösten, aber dann musste er lächeln. "Ja, wir haben wirklich nicht viele Wälder hier." Lachte kurz auf. "Unsere Großmutter sagt immer: Meistens sieht man morgens schon, wer abends zum Essen kommt."

Rúnar hatte genau die Stimme im Kopf, mit der ihre Großmutter das immer sagte und lachte in sich hinein.
"Bei uns gibt es nicht anderes als dichte Wälder."

Und wenn man nicht aufpasste, konnte man sich schneller in ihnen verirren, als einem lieb war. Unter ihren Geschwistern war es fast schon zu einer Mutprobe geworden, mit einem kleinen Beutel Proviant in den Urwald zu verschwinden und Tage später mit reichlich Erfahrungen zurück zu kehren.

"Seid ihr oft hier?`"
"Woah, dann sieht man da ja nie was außer die Bäume um einen rum", sagte Jón, aber mit Ehrfurcht.

Rúnar stellte es sich auch faszinierend vor und er liebte es, sich solche Sachen auszumalen, wenn er Geschichten hörte oder las. Er liebte es, sich solche Bilder -- echte Bilder -- in Schulbüchern und Reiseberichten anzusehen. Aber er konnte sich nicht vorstellen, jemals aus dem Fenster zu schauen und dort was anderes zu sehen, als weites, hügeliges Grasland, Berge in der Ferne, Pferdeweiden, die ein oder andere Dampfsäule die von einer heißen Quelle ausging, das Meer und die Boote.

"Manchmal", sagte Jón. "Meistens reiten wir zu den Quellen. Wie lange bleibt ihr denn hier? Dann können wir dort vielleicht morgen hinreiten."

Rúnar kannte den Ton, der in Jóns Stimme mitschwang: Pläne schmieden, Abenteuer erleben. Und es hatte ihm auf der Zunge gelegen. Dass sie nicht so oft in den Wald ritten, weil es gefährlicher war. Sein Vater und Onkel Nói hatten nichts dagegen, wenn sie es taten, aber sie mussten sich regelmäßig anhören, wie aufmerksam sie bleiben mussten, im Gegensatz zu den anderen Reitwegen.

Sólfari hob den Kopf und spitzte die Ohren, sah Richtung Unterholz, was Nótt dazu veranlasste dasselbe zu tun. Er machte Anstalten kurz stehen zu bleiben, aber als Blær entspannt weiterlief, tat Sólfari es ihr nach.
"Zu den Quellen? Ist das sowas wie... ein Badesee?"

Unweit ihres Dorfes, ein paar Fußminuten in den Wald hinein gab es mehrere Becken dieser Art. Mit einem Wasserfall, der besser war, als jede Eimerdusche ihres Dorfes.

"Gibt's da auch Schlangen?"

Nicht, dass die Nordskov sonderlich erpicht darauf war, einer über den Weg zu laufen. Doch wenn sie mit ihren Geschwistern im Wald unterwegs war, grenzte es schon fast an die Macht der Unmöglichkeit, wenn sie keinem dieser Reptilien begegnete.
Dass Sólfari aufhorchte bemerkte sie nur am Rande. Kannte sich allgemein mit Pferden zu wenig aus, um seiner deutlichen Körpersprache mehr Beachtung zu schenken.
Jón nickte. "Ja, kann man so sagen. Aber eher wie so einzelne kleinere. Und die sind von Natur aus heiß. Aber es gibt keine Schlangen. Das einzige gefährliche hier--" Jón brach ab als etwas im Unterholz raschelte und Sólfari nochmal die Ohren spitzte und dann zur Seite tänzelte. "Schhh, ruhig, Sólfari", sagte er.

Rúnars Herz schlug ein bisschen schneller als zuvor.
Jón brach ab. Und der letzte Gedanke, der durch Skadis Kopf schwirrte, war, was es in einem so kalten Land wohl für gefährliche Raubtiere gab, die weitaus gefährlicher waren als jede Schlange und jeder Giftfrosch. Ruckartig schnellte ihr Blick zur Seite. Direkt ins Unterholz aus dem das Rascheln gekommen war und den Hengst augenblicklich nervös gemacht hatte. Wie von selbst zog sich ihr Bein hinter Jón über den Rücken der Stute, die kurz zur Seite trippelte. Landete mit einem einzigen Sprung im hohen Schnee und ging wie in einem Reflex in die Hocke.

"Ihr bleibt hier. Ich schau nach."
Skaði stieg von Blær ab, bevor Jón die Stute anhalten konnte, aber sie war dabei graziöser als man erwarten würde. Rúnar und Jón sahen sie beide stumm an, als sie sich in den Schnee hockte, wie ein Tier auf der Lauer. Die Jungen sahen sich gegenseitig an, dann wieder Skaði, dann wieder sich. Jóns Mund stand offen und Rúnar zuckte die Schultern.

"Was machst du da?", flüsterte Jón.
Ruckartig hob sich die flache Hand der Jüngeren in die Höhe, damit Jón die Klappe hielt und nicht noch die Geräusche übertönte, die aus dem dichten Buschwerke an ihre Ohren drangen. Sie war schließlich unbewaffnete und hatte keine großen Möglichkeiten, um sich gegen ein wildes Tier zu verteidigen, dass ihr an die Kehle springen wollte, während er sie zutextete. Mit einem Seitenblick suchte sie im hellen Weiß der Schneedecke nach einem massiven Umriss. Einem Stein, der gut in ihrer Hand lag und mit ausreichend Kraft für einen Gegenschlag ausreichen würde.
Erst als sie die ersten Baumwurzeln erreichte vergruben sich die behandschuhten Finger in der weißen Kälte. Genau in jenem Moment als tiefes Knurren das Pfeifen in den Baumwipfeln durchschnitt. Nur langsam schälte sich eine feine Nase aus dem Unterholz. Und feuerrotes Fell.
Nótt bemerkte das Tier vor Rúnar. Sie zuckte kurz zusammen und Rúnar griff die Zügel fester, aber das war schon alles. Trotzdem hatte Nótt dem Fuchs einen Schrecken eingejagt und das Chaos begann. Er flitzte an Skaði vorbei, eine Schneewolke hinter sich herziehend, über den Pfad, zwischen Sólfaris Beinen hindurch. Sólfari quiekte, machte einen Satz bei dem alle vier Beine vom Boden abhoben -- das brachte Nótt so sehr aus der Ruhe, dass Rúnar Schwierigkeiten hatte, sie daran zu hindern ihm unterm Hintern wegzurennen.

"Sólfari!" hörte Rúnar seinen Cousin schreien und nach ein paar hektischen Schritten, ließ Nótt sich wieder auf Rúnar ein. Er drehte sie um und sah noch Sólfaris flatternden Schweif hinter der Kurve verschwinden.

"Scheiße!" Jón klatschte beide Hände gegen die Stirn.
Wollte sich Skadi gerade noch nach dem Schwanz des Tieres Strecken, um es in seinem Lauf ruckartig zurück zu ziehen, stob der Schnee schmerzhaft eisig ins Gesicht. Fluchend presste die junge Nordskov die Zähne zusammen. Dem Vieh hinterher zu hetzen war angesichts der aufgebrachten Pferde kaum mehr möglich. Und sie wollte definitiv nicht unter ihren Hufen zertreten werden, wenn sie sich unter dem Bauch der Stute auf die andere Seite des Weges wagte. Ohnehin erschien ihr der Gedanke nebensächlich als Sólfari total panisch voraus pretschte und nur einen Herzschlag nichts weiter als sein heller Schweif über dem Hügel aufragte.
Skadis Körper reagierte noch ehe ihr Kopf zu einem klaren Gedanken fähig war. So schnell sie konnte rannte sie dem Pferd hinterher. Hörte Jóns Rufe in ihrem Nacken. Das Schnauben und Wiehern der anderen beiden Tiere und stopfte noch im Laufe den Stein in ihre Jackentasche.
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RE: Shall I compare thee to a summer's day? - von Skadi Nordskov - 24.07.2020, 18:25

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