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Burn the bole, burn the sail
Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Feb 2016
#1
Burn the bole, burn the sail
bespielt von    Liam Casey   Skadi Nordskov
20.05.1822
Burn the bole, burn the sail
Feel the thunder start to call.

Abend des 20. Mai 1822
Liam Casey & Skadi Nordskov


Schwer atmend stand Skadi über die Waschschüssel gebeugt und verkeilte die Finger um das helle Porzellan. Tropfen für Tropfen perlte über die braun gebrannte Haut. Am Kinn hinab. Durch dichtes dunkles Haar, das in den letzten Wochen wieder um etliche Zentimeter gewachsen war. Über entblößte Schultern hinab über die schwarzen Male und Bilder auf ihrem Rücken. Schwaches Licht umhüllte ihre Gestalt und flackerte bei jedem Windhauch, der durch die Fenster wehte. Erst unter einem schweren Seufzen begann sich die Nordskov zu regen und mit der Rechten nach dem Lappen im Wasser zu greifen, den sie unter einem lauten Plätschern an die Oberfläche zog und mit beiden Händen auswrang. Nur schwach zeichneten sich die feinen Schnitte und beginnenden Flecken im Zwielicht auf ihrem Brustkorb und an ihren Seiten ab. Versteckten sich kurzweilig unter dem feuchten Lappen, den sie mit vorsichtigen Bewegungen über ihren Körper gleiten ließ. Der letzte Kampf hatte sie weitaus schlimmer getroffen, als beabsichtigt, wenngleich das Preisgeld jeden Hieb und jedes Knirschen ihrer Knochen wert gewesen war.
Allmählich fiel es ihm einfacher, die Feder mit der Linken zu führen, selbst wenn er fast täglich versuchte, seine Rechte wieder so zu gebrauchen, wie es vor der Schussverletzung möglich gewesen war. Doch sein Griff saß nicht fest, ihm fehlte die Kraft in den Fingern, die Feder derart präzise zu halten, um filigrane Linien über das Pergament zu ziehen. Und sie fühlten sich noch immer dumpf und taub an. Nicht mehr so schlimm wie anfangs, aber zwischen den Fingerkuppen fühlte sich noch immer alles fremd an. Letztlich hatte er seine Malsachen zusammengepackt und war aus dem Innenhof in die Richtung ihrer Quartiere verschwunden. Seine Hand lag bereits auf dem Türknauf, als er die Geräusche aus dem Inneren des Zimmers vernahm und innehielt. Das Treiben im Inneren des Zimmers erinnerte ihn wieder daran, zu klopfen. Das tat er immer, seit sie hier waren und er sich das Zimmer mit Talin und Skadi teilte – immer jedenfalls, wenn er daran dachte oder – wie jetzt – daran erinnert wurde. „Alles gut?“, schob er seinem Klopfen nach, um dem Insassen bewusst zu machen, wer vor der Tür stand. Die Geräusche von innen klangen nicht nach dem, was man hinter den verschlossenen Türen hier sonst zu hören bekam – sonst hätte er sich stillschweigend und mit einem munteren Lächeln in den Mundwinkeln davon gemacht.
Die Geräusche verstummten jäh. Wie versteinert hielt Skadi in ihrer Bewegung inne und ließ die dunklen Augen über die Schulter zur Tür hinüber gleiten. Wer auch immer jetzt im Korridor stand, kam zu einem eher ungünstigen Zeitpunkt. Nicht, dass sie etwas zu verbergen hätte, doch sie fühlte sich noch immer zu aufgewühlt und dumpf, als dass sie jetzt ein ausgiebiges Gespräch vertrug. Mit einem schweren Seufzen nahm sie Liams Stimme war, wenn auch gedämpft. Ließ mit gespreizten Fingern den Lappen geräuschvoll ins Becken zurück fallen und beobachtete abwesend die kleinen Wellen im klaren Wasser. „Ja.“ Raunte sie laut und streckte sich nach einem der Baumwolltücher neben sich.
Er nahm die Antwort gleichzeitig als Erlaubnis, das Zimmer zu betreten. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt breit, erkannte Skadi nicht nur anhand der dunklen Zeichnungen auf ihrem Rücken und ließ den Blick kurz durchs Zimmer schweifen. Sie war allein. Talin schien noch unterwegs zu sein. Leise ließ er das Holz hinter sich wieder zufallen. Fahles Licht fiel zwischen den Vorhängen hindurch in den Raum und umrissen die entblößte Gestalt Skadis, die sich seitlich nach einem der Tücher reckte. „Lass dich nicht stören.“ Man hörte ihm an, dass es ihm wirklich fernlag, ihr Bad zu unterbrechen. Auch, wenn es vermutlich einfacher gewesen wäre, das Angebot der hauseigenen Badeanstalt zu nutzen. Andererseits war es dafür vermutlich bereits zu spät am Tag und das Treiben hinter den Mauern des Hurenhauses schon zu sehr im Gange, als dass er es sich angenehm vorstellen konnte. Als Frau jedenfalls. Liam lehnte die kleine Leinwand gegen die Mauer neben dem Schlafplatz in der Ecke, den er sich ausgesucht hatte, legte Feder und Tinte davor und machte schließlich einen gewollt beiläufigen Schlenker in ihre Richtung. Sanft strich er mit den Händen über ihre freien Schultern, bis sie an den Oberarmen zum Stehen kamen und beugte sich vor, um ihr einen flüchtigen Kuss in den seitlichen Nacken zu hauchen. „Es liegt mir fern, dich von irgendetwas abzuhalten.“ Das war gelogen. Halb zumindest, jetzt, wo sie scheinbar zumindest mit kurzer Zweisamkeit gesegnet schienen.
Knarzend gaben die Scharniere in ihrem Rücken nach und hinterließen ein dumpfes Pochen in ihrer Seite. Jetzt war es wohl zu spät, um einen dezenten Nachsatz anzuhängen und ihren neuen Gast aus den vier Wänden dieses Zimmers fern zu halten. Denn Liam schlüpfte bereits durch den Türspalt wie ein Wiesel und entlud klappernd irgendwas auf dem Fußboden, das sie mit einem Blick in den Spiegel vor sich nicht wirklich erkennen konnte. Sie unterdrückte ein Seufzen. Fädelte bereits das eine Ende des Tuchs hinter ihrem Rücken entlang, um den hellen Stoff mit ausgestreckten Armen um ihren Brustkorb zu schnüren, als Liam hörbar näher trat und seine Finger auf ihren Schultern niederließ. Ein ungewohntes Prickeln durchfuhr ihren Körper und legte sich als bitterer Geschmack auf ihre Zunge. „Ich merk schon.“, war das einzige, das sie darauf trocken erwiderte und den Kopf leicht zu Seite drehte, um ihn aus den Augenwinkeln zu mustern. Er war eindeutig zum falschen Zeitpunkt hier. An einem der anderen Tage, hätte sie ein kleines Schäferstündchen durchaus in Erwägung gezogen. Um sich den Frust auf andere Weise von der Seele zu arbeiten. Doch jetzt glaubte sie nicht einmal, dass sie auch nur irgendeine seiner Berührungen genießen konnte.
Den Kopf noch immer gesenkt blinzelte er zu ihren feinen Zügen hinauf und versuchte, in ihrem Blick mehr zu sehen, als das, was sie ihm offensichtlich zu verstehen gab. Offensichtlich genug, dass selbst Liam merkte, dass irgendetwas nicht stimmte. Was es allerdings war – es gab viele Möglichkeiten und kaum Anhaltspunkte darauf, was davon zutraf. Dennoch blieb das Lächeln auf seinen Zügen sanft, als er sich langsam wieder aufrichtete – sich augenscheinlich mit ihrer Stimmung abfindend. „… Enrique?“, riet er schließlich ins Blaue hinein und wollte somit ihre Redebereitschaft testen. Seine Augen suchten dabei der Einfachheit halber den Blick ihres Spiegelbildes, während seine Hände noch immer sanft auf ihren Schultern ruhten. Sein innerliches Seufzen blieb dabei ungehört.
Augenblicklich schnellten ihre Augenbrauen hinauf und machten ziemlich deutlich, was sie von seiner Annahme hielt. Nämlich gar nichts. Wieso musste immer alles Enriques Verschulden sein? Sie existierte auch noch ohne ihn - fast schon zwangsläufig, wie ihr vor ein paar Wochen bereits klar geworden war. Ein Seufzen verließ ihre Lippen, als sie den Blick auf den Lappen in der Schüssel gleiten ließ und ihn mit der Linken aus der Schüssel zog. „Ja... der absolute Liebestöter.“, entfloh es zynischen ihren Lippen, während sie die Oberarme eng an ihren Körper drückte, um mit beiden Händen den Lappen auszuwringen und das Baumwolltuch auf ihrem Oberkörper zu fixieren.
Ihre Reaktion hätte beides bedeuten können - Schuld wie Unschuld, denn Liam wusste, wie ungern sich Skadi diese Schwäche eingestand. Vermutlich war ihr nicht bewusst, wie oft sie in seinem Beisein über ihn schimpfte, aber das war für die Beziehung der beiden vermutlich auch gesünder. Und auch, dass sie jetzt derart gereizt reagierte, konnte zweierlei bedeuten. Ihm sollte es egal sein, solange sie ihren Frust in sich hineinfressen wollte. „Einer von wenigen, die dich derart reizen jedenfalls.“, antwortete er ihrem Spiegelbild ruhig, ohne sich von ihrem Sarkasmus abschrecken zu lassen. Seine Lippen verzogen sich zu einem knappen, vielsagenden Ausdruck, ehe er die Finger von ihr löste.
Was auch immer Liam glaubte zu wissen, Skadi hielt es nicht für notwendig ihn zu korrigieren. Legte stattdessen gezwungen ruhig den Lappen auf den hellen Rand der Waschschüssel und wandte sich, mit einer Hand am oberen Knotenpunkt ihrer primitiven ‚Bekleidung‘, herum und starrte wortlos in die braunen Augen. Immer wieder durchzog ein Schmerz und Druck ihre Seite. Spannte sich über die müden Arme und Beine, bis Skadi sich einem tiefen Atemzug hingeben musste, um den Schmerz nicht auf ihre Miene wandern zu lassen. Wenn er auf Streit aus war, konnte er sich gleich vom Acker machen. Sie wollte es sich eigentlich nur ungern mit ihm verscherzen und war nicht derart gut gelaunt, um alles durch dumme Scherze wieder gerade zu biegen. „Du hast gezeichnet?“ Ihr Blick war an ihm vorbei auf die Leinwand gefallen, die neben seinem Schlafplatz an der Wand lehnte.
Er verstand ihren Blick als ein eindeutiges ‚Wir reden nicht darüber‘ und akzeptierte es. Ob er richtig lag oder nicht – Sie ließ ihn sich in seiner Vermutung eigentlich recht sicher fühlen. Er wollte sie wissen lassen, dass sie ihm nichts vor machen brauchte, er sich aber nicht mehr als nötig in ihre Angelegenheiten einmischen würde. Er ließ sich auch vom Drängen ihres Blickes nicht einschüchtern, entgegnete ihn, bis er sich mit einem gedehnten Atemzug von ihr abwandte und die wenigen Schritte bis zum Fenster überbrückte. Von hier aus konnte man das Treiben im Innenhof gut beobachten. Ohne einer bestimmten Gestalt mit dem Blick zu folgen überlegte er, wohin es ihn als nächstes trieb. Wenn Skadi mit ihrer Laune alleine bleiben wollte, würde er ihr nicht im Weg stehen wollen. „Hm?“, fragte er und sah auf, als die Dunkelhaarige versuchte, die Wogen wieder etwas zu glätten. Er folgte ihrem Blick zur Wand und zog eine unzufriedene Grimasse. „Es wird wieder besser. Mit der Linken meine ich. Ist halt ewig her. Als Kind war ich mit links talentierter als mit der anderen Hand.“
Dieser Blick zwischen ihnen knisterte vor Anspannung. Hätte Skadi sie als Außenstehende beobachtet, hätte sie wohl ein amüsiertes Schnauben über diesen Kindergarten verloren. Doch so folgte sie seiner Silhouette, als er sich abwandte und zum Fenster hinüber lief. Wenigstens schenkte er ihr genug Raum, um tief durchatmen zu können. Guter Junge. Sie nickte mit einem knappen Brummen auf seine Worte. Ging dazu über,das auf dem Kopf stehende ‚Meisterwerk‘ zu mustern, das aus dieser Perspektive nicht wirklich viel hergab, um schlussfolgern zu können, woran er sich versucht hatte. Dann löste sich der schmale Körper der Nordskov aus ihrer steinernen Haltung und zog den weichen Stoff des Tuchs nach vorn, um sich in vorsichtigen Bewegungen das Wasser vom Körper zu reiben. „Aber übertreib es nicht. Sonst kannst du die bald auch nicht mehr benutzen.“ Und sie wusste wovon sie sprach. Die Erinnerungen an ihre Zeit bei der Marine waren frisch genug.

Sein Blick war wieder nach draußen gewandert, bis er feststellte, das Skadi die unfertige Kritzelei noch immer musterte und scheinbar zu ergründen versuchte, was es darstellen sollte. „Das wird… ein Vogel.“, vereinfachte er ihr die Kunstkritik. „Eine Braunschwanz-Amazilie. Draußen war eine unterwegs.“ Nicht, dass es von Belang war, aber es half ihm, dieser angespannten Situation ein bisschen Normalität zurückzugeben. Ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Züge, als Skadi fortfuhr, doch diesbezüglich musste er sie wohl enttäuschen. „Vom Nichtstun wird es aber auch nicht -“ Liam hatte automatisch hinübergesehen, als sie ihre steinerne Haltung gelöst hatte. Und auch, wenn ihr seitliches Profil durchaus ansehnlich war wie immer, ruhte sein Blick vorerst auf ihrem Gesicht. So lange jedenfalls, bis ihm im Licht der Sonne dein größerer, bläulicher Fleck auf ihrer Haut auffiel, und ein weiterer nicht weit vom ersten entfernt. Besorgnis zeichnete sich in seinem Gesicht ab, als er die Fingerkuppen vom Fenstersims löste und sich abermals Skadi zuwandte, deren Körper bei genauerem Hinsehen nicht nur vereinzelte Hämatome aufwies, sondern förmlich davon übersät war. Größere, kleinere, aber alle frisch genug, um noch die unverkennbare bläuliche Farbe zu haben. „Scheiße, Skadi…“ Er hatte vorher mitten im Satz geendet, als es ihm aufgefallen war, machte nun zwei Schritte auf sie zu und musterte ihren Körper prüfend. „Was ist passiert? Hat dich jemand erkannt? Bist du überfallen worden?“
Es war kaum mehr aufzuhalten, dieses Augenrollen, das sie seinem Blick vorenthielt und zu ihren Sachen hinüber lief. Dass Liam mitten im Satz stockte entging ihr vollkommen. Wahrscheinlich weil sie hoffte, dass er vielleicht selbst darauf kam, dass er Blödsinn von sich gab. Doch sein plötzlicher Ausruf ließ den dunklen Schopf herum fahren, den sie gerade mit beiden Händen im Tuch zu trocknen versuchte. Tiefe Furchen zogen sich auf ihre Stirn. Die braunen Iriden auf die Gestalt des Lockenkopfes gerichtet, der erschüttert zu ihr hinüber sah und sich schlagartig in ihre Richtung bewegte. "Was?!" Ihr war schleierhaft was er da von sich gab. Womöglich weil sie unterbewusst wusste, worauf er hinaus wollte, aber nicht einsah, es ihm brühwarm aufzutischen. Er würde sie doch so oder so dafür verurteilen, auch wenn er sonst nie Anstalten machte, einer dieser Menschen zu sein, die andere in Schubladen steckten. „Ts. Mach dich nicht lächerlich. Mich überfällt niemand so leicht.“ Sie senkte die Hände, lehnte den Kopf zur Seite, um sich beherzt mit dem weichen Stoff über den Hals zu fahren.“
Für den Augenblick hatte er ausgeblendet, wie kurz ihre Lunte gerade war. Dass es damit zu tun haben konnte, kam ihm erst, als sie ihm statt einer Antwort eine patzige Ausrede vor die Füße warf, als wäre nichts dabei, dass sie aussah, als wäre sie frisch misshandelt worden. Auch, dass sie sich ihm zugewandt hatte, hatte den Eindruck nicht verbessert, denn auch auf ihren Flanken klafften dunkelblaue Flecken und frische Schnitte. Wenige Meter von ihr entfernt kam er zum Stehen. Sein Blick wanderte noch immer über ihren Körper, bis er wieder im tiefen Braun ihrer Augen angekommen war, die ihm trotzig entgegensahen. Er wusste nicht, weshalb es ihn derart aufwühlte, sie so zu sehen. Vermutlich lag es noch immer an ihrem kleinen Zwischenfall vor wenigen Wochen. „Was ist passiert?“, wiederholte er nachdrücklicher. Was er außerdem wusste, war, dass es ihn nur noch mehr fuchste, dass sie offenbar nicht sagen wollte, was passiert war. „Verdammt, Skadi! Du siehst aus, als wäre eine ganze Horde über dich hergefallen! Willst du mich eigentlich für dumm verkaufen?“
Ein Schnauben verließ ihre geweiteten Nasenflügel. Vollkommenes Unverständnis machte sich auf ihren Zügen breit und strafte Liam mit einem Blick, den er wohl nicht von ihr kannte. Was war eigentlich sein scheiß Problem?! Genervt schnalzend glitten die Augen von seinem Gesicht und streunten ziellos durch den Raum. Gefolgt von einem bitteren Auflachen, das sich irgendwie falsch aber notwendig anfühlte. „Klar... das ist mir ein inneres Bedürfnis. Der Lichtblick meines Tages. Bitte erspar mir diese Diskussion. Das führt zu absolut gar nichts.“ Hatte sie das gerade wirklich gesagt? War sie so wütend auf die ganze Welt, dass sie es ausgerechnet an ihm auslassen musste? Wozu ließ sie sich eigentlich derart vermöbeln, wenn es so gar nichts an ihrer Laune änderte. Des Geldes wegen definitiv nicht. So viel stand für sie fest.
Und wieder war es nicht mehr als eine bissige Bemerkung, die sie keinen Schritt weiterbrachte. Diesbezüglich hatte Skadi tatsächlich Recht – das hier führte zu absolut gar nichts und er war ihr offenbar nicht einmal die Mühe wert, sich irgendeine haarsträubende Ausrede einfallen zu lassen, um ihn abzuspeisen. Liam wusste nicht, ob er lieber offen ins Gesicht gelogen bekommen hätte. Lieber als das hier jedenfalls. Überhaupt war es ihm ein Rätsel, weshalb ihn Skadis offenkundlicher Zustand derart in Rage versetzte und mit Wut erfüllte; weshalb er sich so einfach von ihrer schlechten Laune mitreißen ließ und nicht einmal dann einfach den Mund halten konnte, wenn er sich gedanklich dazu zwingen wollte. Genervt presste er die Luft zwischen den Lippen hindurch und schüttelte verständnislos den Kopf. „Stimmt, aber deine billigen Ausflüchte sind allemal hilfreich.“, zischte er und verfluchte sich fast zeitgleich schon wieder dafür. „Aber freut mich, dass ich dir wenigstens den Tag erleuchten konnte. Nett, dass es nicht einmal eine Antwort auf eine so einfache Frage wert ist.“
Er begriff auch gar nichts oder? Wo war der Liam hin, der einfach Dinge wie diese hinnahm und wie selbstverständlich das Thema wechselte? Den hätte sie jetzt weitaus lieber in diesem Raum als das, was da mit wütendem Gesichtsausdruck vor ihr stand und die verbale Moralkeule schwang. Wenn er versuchte ihr ein schlechtes Gewissen einzureden, ging er diese Sache definitiv falsch an. „Gott, was ist eigentlich dein Problem? Mir geht es gut.“ Patzig und angefressen knüllte sie das Tuch in ihren Händen zusammen und bückte sich zu ihren Kleidungsstücken hinab. Zu den anderen, die nicht mit Speichel, Blut und Schweiß getränkt waren und auf einem Stuhl in der Ecke zum Trocknen hingen. „Wenn’s dir damit so viel besser geht... ich bin die Treppe runtergesegelt, weil ich zu faul war für die Essenstablets zweimal zu laufen. Und... glücklich?“ Wieso sie so vehement versuchte die Wahrheit über ihre abendliche Unternehmung zu vertuschen, ergründete Skadi nicht einmal, als sie die Finger um ihre Bluse schloss und das Tuch auf den Boden gleiten ließ.
Hätte sie ihm diese Frage nicht bloß rein rhetorisch vor die Füße gespuckt, wäre ihm vermutlich aufgefallen, dass er keine Antwort darauf hatte. Stattdessen aber konzentrierte er sich nicht auf das, was er nicht beantworten konnte, sondern auf das, was sie nicht beantworten wollte. Mit einem enttäuschten, ungläubigen Laut kommentierte er ihre Beteuerung. Wie oft hatte er das schon gehört. Und wie oft war mehr als offensichtlich gewesen, dass es nicht mehr als eine Floskel war; eine andere Art um einem zu sagen, dass man an einem Gespräch kein Interesse hatte. Und so oft, wie Skadi ihm gegenüber diese Floskel bereits zurückgenommen hatte – dieses Mal würde sie es nicht tun. Das hatte sie mehr als deutlich gemacht. Doch obwohl sie sich so trotzig aufführte, machte sie es ihm nicht einfach, wütend auf sie zu sein. Sein Blick folgte ihrer Gestalt, als sie sich nach ihren Kleidern bückte. Ihre Selbstverständlichkeit wirkte unter den jetzigen Umständen mehr als provokant. Mit einem tiefen Atemzug zwang er sich, die Augen zu schließen und das Kinn zu heben, öffnete sie wieder und starrte zwangsweise auf die rötlich befleckten Stoffstücke, die er in der Ecke des Zimmers vorher nicht bemerkt hatte. Zum Glück lenkte die Nordskov seine Aufmerksamkeit wieder zurück auf sich und beantwortete ihm damit gleich eine weitere Frage, deren Antwort er nur wenige Augenblicke zuvor noch anders eingeschätzt hatte – es war nicht angenehmer, offen ins Gesicht gelogen zu bekommen. Gut, dass sie auch das geklärt hatten. „Ja, unheimlich. Danke.“, gab er bitter zurück. Er glaubte ihr nicht, das war kein Geheimnis. Das es sie nicht kümmerte, allerdings ebenso wenig. „Weißt du was, Skadi. Vergiss es.“
Es ging ihm so viel andere durch den Kopf. Er wollte ihr seinen Missmut darüber an den Kopf werfen, dass er wenigstens nach dem dritten Anlauf eine halbherzige Lüge wert war; dass sie sich benahm wie ein trotziges Kind, ohne dass er auch nur ansatzweise einen Grund dafür sah; dass er weder Enrique noch sonst jemand war, den sie anlügen musste, um ihre Ruhe zu haben. „Vergiss es einfach.“ Abermals bemerkte er, dass sein Blick schon wieder zu ihrem blanken Körper zurückgewandert war, ohne dass er es bewusst bemerkt hatte. Abermals also zwang er sich, woanders hinzusehen, während er sich ganz automatisch in Richtung Tür bewegte. „Tut mir leid, dass ich mir Sorgen um dich gemacht habe.“ Diese Worte kamen ihm fast zeitgleich mit der Erkenntnis über die Lippen, während er ihr einen letzten flüchtigen Blick zuwarf und mit einem „Passiert mir nicht wieder.“ durch die Tür verschwand.
Es waren nicht seine Worte die unangenehm ihren Rücken hinauf krabbelten, wie kleine Spinnen. Allein der Unterton in seiner Stimme brachte ihr Blut zum Kochen und verschärfte den Ausdruck ihrer dunklen Augen, die kontrolliert in die Schatten hinter sich richtete. Sie wollte ihn gerade weder sehen noch hören. Hasste die Art wie er mit ihr sprach. Hasste es, dass es ihr so wenig egal schien, wie wütend er auf sie war und sie sich nicht wie üblich in ein Schneckenhaus zurückziehen konnte. Eines, das so klein und eng war, dass nur Platz für sie war. Für niemanden sonst. Sollte er doch abhauen und seinen Frust an wem anderes auslassen. Sie hatte nicht gewollt, dass er reinkam, sie bedrängte und dann noch einen auf großen Bruder machte. Geh einfach. Grollte es in ihrem Inneren, kam jedoch nicht über die vollen Lippen. Angestrengt konzentrierte sich die Nordskov darauf den weichen Leinenstoff der Bluse über ihren Oberkörper zu ziehen. Das Stechen in ihrer Seite unter kontrollierten Atemzügen zu beherrschen und Liam wortwörtlich die kalte Schulter zu zeigen. Nichts was sie sagte, machte diese Situation besser. Höchst wahrscheinlich verschlimmerte sie es damit nur noch. Brachte ihn obendrein noch dazu, länger hier zu bleiben und sich über die Tatsache zu beschweren, dass sie ihm eben nicht alles erzählte. Er war nicht ihr Partner. Nicht ihr Priester, bei dem sie Buße tun musste. Es konnte ihm doch scheiß egal sein, wieso sie so geschunden aussah
Ruckartig fiel die Tür ins Schloss und presste das Herz der Jägerin unangenehm gegen ihr Brustbein. Die dunkle Leinenhose ruhte bereits auf ihren Hüftknochen, als sie mitten in der Bewegung innehielt und brummte. Sie hatte genug. Warum scherten sie sich nicht einfach alle zum Teufel? Mit einem tiefen Grollen griff sie nach einem der Bücher an Talins Schlafplatz und pfefferte es voller Wut gegen die Tür. Unterdrückte dabei unter größter Anstrengung einen Aufschrei. Verdammte Scheiße! Sie hatte niemanden darum gebeten sich um sie Sorgen zu machen. Was wollten diese Leute eigentlich andauernd von ihr? Talin, Liam, Enrique. Sie war doch kein Sozialfall, kein bescheuertes Projekt, dem man sich annahm, weil man irgendwelche schlechten Gewissen überkompensieren wollte. Hatten sie denn keine eigenen Probleme?! Wutentbrannt knöpfte sich die Nordskov Hose und Bluse zu. Zog sich die Schuhe über, die neben dem Waschplatz standen, und stampfte in Richtung Zimmertür. Für einen Moment huscht ihr Blick aus dem Augenwinkel auf das Bild, das sie mit seiner Reinheit und Unvollkommenheit verhöhnte. Am liebsten hätte sie ihren Fuß darin versenkt. Zerstört, was da als kleiner Keim zu wachsen begann. Doch ihre Finger umschlossen bereits den Knauf der Tür, den sie schwungvoll zu sich heran zog, um mit wenigen Schritten die Schwelle zu überschreiten. Das Holz ließ sie beim Verlassen des Schlafgemachs geräuschvoll zuknallen. Sollte ruhig jeder wissen, dass sie ihre Ruhe haben wollte. Vielleicht ersparte es ihr ja noch so eine beschissene Begegnung, bevor sie die Straße erreicht hatte, um sich ihren Frust von der Seele zu laufen.
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Burn the bole, burn the sail - von Liam Casey - 23.06.2020, 18:35

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