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If I Had a Heart
Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Apr 2016
#20
Ertappt zuckte sie mit den Schultern, sah dann aber weiterhin geradeaus. Vollkommen darauf konzentriert zu ihrem Ziel zu gelangen. Die Menschen, die um sie herumwuselten, beachtete sie schon gar nicht mehr. Umso mehr war sie sich aber ihrer Begleitung bewusst. Talin stieß ein kleines Schnauben aus. Menschlich...machte es sie menschlich, sich bei dem Anblick zu übergeben? Ja, vermutlich. Aber eigentlich waren es nur die Erinnerungen, die sie in solchen Momenten verfolgten. Vermutlich war sie einfach abgebrüht genug, kastrierte Männer zu sehen, aber vor den Erinnerungen an ihre Vergangenheit schreckte sie zurück. Das war es, was sie menschlich machte. Doch sie sagte Skadi nichts davon, sondern starrte gerade aus, bis eine weitere Frage kam.
Verwunderte, wandte sie der anderen Frau das Gesicht zu, auf dem sich ein leichtes, schwaches Lächeln abbildete. „Du kannst Fragen stellen. Ich weiß es ehrlich nicht. Vielleicht weil ich sehr...überzeugend bin? Vielleicht weil ich so viel Charme versprühe und aussehe, als müsse man mich beschützen, damit ich das, was ich mir in den Kopf gesetzt habe, auch erreiche? Vielleicht weil es mir egal ist, wer mir folgt?“ Sie zuckte ehrlich verwirrt mit den Schultern, nahm sogar die Hände mit hoch, um ihrer Verwirrung Ausdruck zu verleihen, während sie um eine Ecke bog. „Sag du mir, 'Kaladar', warum bist du meinem Bruder gefolgt?
Was auch immer es war, das Talin derart verächtlich schnauben ließ, sie kehrte es kaum nach außen auf ihre Züge. Ganz gleich wie intensiv die Dunkelhaarige sie auch beobachtete, wirkte die junge Frau wie ein Fähnchen im Wind. Flatterte mal zur einen, dann zur anderen Seite und war auf jede erdenkliche Art und Weise unberechenbar. Doch ihre Antwort ließ die dunklen Augenbrauen schlagartig zusammenfahren, ehe sich eine fast schon tadelnd zurück gen Haaransatz hob. Zu gern hätte sie die Leichtigkeit ihrer ersten Worte in ihrem Gespräch erhalten wollen, doch DAS was darauf folgte, konnte sie nicht stehen lassen. Ganz gleich wie bewusst ihr war, das Talin sicherlich selbst wusste, was sie ihr mit einem tiefen, nachdrücklichen Tonfall entgegnete. “Das ist eine verdammt leichtsinnige Einstellung Talin. Und leider auch eine, die dir schneller das Leben kosten könnte, als es dein Bruder verhindern kann.“ Und Skadi war es in dem Moment so ziemlich egal, dass sie sich ja über all die Jahre auch gut selbst hatte beschützen können. Es macht schließlich etwas aus, wen man mit sich herum schleppte. Vor allem, wenn er Probleme mit sich brachte, denen man nicht mehr ausweichen oder sich aus ihnen heraus halten konnte. Ganz gleich wie egal sie einem auch waren. “ Gesetz dem Fall, dass du jederzeit jeden zurück lassen würdest… es gibt Dinge, aus denen du dich dann nicht mehr heraushalten kannst. Und darauf solltest du besser vorbereitet sein, statt dich leichtfertig darauf zu verlassen, dass der Fall nie eintritt.“
Tief holte die Dunkelhaarige Luft und ließ die braunen Augen voraus gleiten. “Was tust du also, wenn du in das Kreuzfeuer einer Fehde gerätst, entführt wirst oder dich dein Mitglied von Anfang an nur für seine eigenen Pläne missbraucht hat und verrät? Sicher. Du wirst im Nachgang ziemlich deutlich machen, wie viel zu davon hälst. Aber das setzt voraus, dass du noch am Leben bist.“ Das hier war keine Schwarzmalerei, wie es auf den Lockenkopf vielleicht wirken musste. Sondern absolute Realität, die Skadi mehr als nur einmal begegnet war. In der Marine gab es Dinge. In ihrem Dorf hatte es Dinge gegeben. “Und um deine Frage gleich zu beantworten… ich hatte eine Rechnung zu begleichen und bin allein wegen Enrique auf eurem Schiff. Nicht mehr und nicht weniger. Lucien und ich sind… quitt… wobei es keinen Grund gab, überhaupt irgendetwas ausgleichen zu müssen. Er war nicht meinetwegen da und ich hatte nie ein Interesse daran, ihn und die anderen anders zu behandeln als jeden sonst. Du erntest was du säst.“ Ein kurzer Blick aus den Augenwinkeln. Dann seufzte die Jägerin erneut und spürte ein mattes Lächeln in ihren Mundwinkeln. “Moralpredigt beendet…” Und fast als wollte sie es damit endgültig besiegeln, nahm sie einen tiefen Schluck aus der Rumfalsche. Kniff eines der dunklen Augen zusammen und schluckte den brennenden Alkohol hinab.
Talin zuckte fast ein wenig zurück, vor der Strenge in Skadis Stimme. Hätte sie gewusst, dass sie eine Moralpredigt mit ihren Worten lostreten würde, dann hätte sie es vielleicht anders formuliert. Und obwohl sie schweigend all die Worte hinnahm, so konnte sie es immer noch nicht ändern: Wer ihr folgte, das war ihr egal. Natürlich hatten sie alle ihre eigenen Fehden, Rachefeldzüge und unerledigte Dinge. Und ja, in all das konnte Talin durchaus mit reingezogen werden, nur um dann am Ende zu sterben. Sie konnte auch ohne all diese Kleinigkeiten draufgehen, konnte auch in so einen Krieg eindringen, ohne jemanden davon zu kennen und dabei – wer hät’s gedacht – sterben. Das alles hätte sie Skadi sagen können, aber sie wollte keine Diskussion vom Zaun brechen. Es hätte nur die Stimmung ruiniert, die die ehemalige Marinesoldatin gleichzeitig versuchte zu retten. Statt also etwas zu sagen, hob Talin mit einem kleinen Lächeln beide Hände, als wolle sie sich ergeben. Sie ließ sie erst sinken, als die andere Frau schließlich ihre Frage beantwortete, was Talin gleich wieder grinsen ließ. Es belustigte sie, dass Skadi gar nicht wegen ihres Bruders mit auf die Spinx gekommen war. Das würde Lucien sich das Herz brechen. Erst als sie um die nächste Ecke bog, ergriff sie dann schließlich das Wort. „Das heißt also, du bist nur wegen des Leutnants auf der Sphinx. Und wenn er gehen will? Was hält dich sonst auf einem Schiff voller Piraten?“ Und auch wenn sie vor dem anderen Thema kapituliert hatte, so konnte sie es nicht ganz auf sich beruhen lassen. Dafür war sie dann doch zu neugierig – so lange es nicht um sie ging. „Wenn du über Fehden und Kriege und Verrat sprichst, sprichst du aus Erfahrung? Deine Stimme klingt so ernst, als würdest du mir ins Fleisch schneiden.“ Sie zitterte gespielt verängstigt.
Jedes ihrer Worte verhallte in abwartendem Schweigen. Skadi fragte sich ob Talin darauf schlichtweg nichts zu erwidern hatte, es ihr noch tiefgreifender egal war als die erste Reaktion glauben machte oder sie sich absichtlich mit ihrer Ansicht der Dinge zurück hielt. Zu gern hätte sie nachgehakt. Wäre nicht einmal in der Stimmung für eine ausschweifende und ernste Auseinandersetzung gewesen. Allein die Denkweise der Blonden interessierte sie - denn auch wenn der äußere Schein stets fröhlich und unbekümmert wirkte, so hatte Talin ihr vor wenigen Minuten deutlich bewiesen, dass da mehr in ihrer Persönlichkeit schlummerte. Dinge die weitaus interessanter waren. Die das Gefühl einer Gleichgesinnten weckten. Und es lag in Skadis Natur ihre Umgebung kennen zu wollen. Selbst wenn es utopisch war auf jedes kleinste Problem vorbereitet zu sein - das wusste sie natürlich.
Bei Talins Worten huschten die dunklen Augen zur Seite. Fokussierten sich auf das leuchtende Blau ihrer Seelenspiegel, ehe sich ihr Grinsen auf die Lippen der Nordskov übertrugen. Wieso wurde sie eigentlich nicht das Gefühl los, dass der Lockenkopf jede Minute nutze, um auch das letzte Geheimnis ihres Gesprächspartners zu lüften?
Diese Neugierde war irgendwie... süß und nervtötend zugleich. Demonstrativ drückte Skadi den halbleeren Korpus der Rumflasche in Talins Arme und streckte sich genüsslich. Womöglich war es dem Alkohol in ihrem Blut geschuldet, dass ihr die Frage der Jüngeren nichts ausmachte. Oder es lag an der Tatsache, dass sie in den letzten Wochen reichlich Zeit gehabt hatte sich damit zu beschäftigen.

“Wenn er geht, gehe ich mit ihm. Ich habe Schulden zu begleichen und ehrlich gesagt auch nichts Besseres zu tun.“

Skadi konnte sich nicht vorstellen ohne irgendein Ziel in den Tag hinein zu leben. Sie brauchte Aufgaben. Brauchte einen Fokus. Selbst wenn er nur darin bestand für das Überleben eines Menschen zu sorgen.

“Mmh... was wäre wenn mich die halbe Kompanie sucht, weil ich ihren Anführer abgemurkst habe?“

Gespielt ernst lehnte sich der dunkle Schopf dem Talins entgegen. Ließ ein paar Sekunden verstreichen, ehe das breite Grinsen zurückkehrte. Sie erwartete keinen Rückhalt von ihr oder den anderen, auch wenn es für sie den Großteil einer gut funktionierenden Gemeinschaft ausmachte. Doch das würde Zeit und gleichsam Mühe erfordern. Und ob jeder bereit war letzteres zu investieren würde sich erst zeigen.

“Nun... meine Rechnung war beglichen als ich auf euer Schiff kam. Und was die andere Sache betrifft.“

Mit einem tiefen Atemzug kehrte ihr Oberkörper auf seine Position zurück, während die Hände entspannt und locker in ihrem Rücken ruhten.

“Ich glaube nahezu jeder hat diese Erfahrung bereits gemacht. Vielleicht führte auch gerade das zu dem, was wir sind.“

Hatte sie gerade noch etwas hinzufügen wollen, ertönten Stimmen in einer der nächsten Seitenstraßen.
Das Gesicht der anderen Frau überbrückte sehr schnell den Abstand zwischen ihnen beiden. Hatte Talin gerade noch ihr Bedauern darüber ausdrücken wollen, dass Skadi gehen würde, wenn auch Enrique ginge, nahm der Gesichtsausdruck von ihr Talin gefangen. Ruckartig huschte ihr Blick von ihren Augen, zu ihrem Mund, verharrte da einen Augenblick, bis sie wieder nach oben sah. Offensichtlich machte sich der Alkohol langsam doch bemerkbar. Wenn die Blonde nicht mehr ganz so aufnahmefähig für Worte, dafür aber für Nähe war. Krampfhaft zwang sie ihren Geist wieder zurück auf das Gesagte. „Selbst wenn dich die ganze Marine sucht, könnte es mir nicht mehr egal sein. Du bist in meiner Crew und gehörst damit zu den wenigen Menschen die mir wichtig sind. Also sind deine Probleme, meine Probleme, so einfach.“ Und sie glaubte auch nicht, dass Skadi jemanden einfach nur so umbrachte. Auch wenn das vermutlich manchmal eine ziemliche Verlockung war. Aber bevor sie fragen konnte, was es mit diesem Toten auf sich hatte, richtete sich die Brünette auch schon wieder auf. Die Anspannung, die Talin befallen hatte, ließ ein wenig nach und sie nickte auf Skadis Worte hin. Was hätte sie auf ihre letzten Worte auch noch sagen können. Selbst wenn ein Stimmengewirr in der Nähe nicht ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Sie klammerte sich an die Rumflasche, als sie hinter der nächsten Ecke eine Menschentraube sahen, die sich um etwas auf dem Boden versammelt hatten und wild durcheinander redeten. Talin erkannte trotz des Alkohols recht schnell, dass sie das Ziel erreicht hatten. Und obwohl sie bewusst hierher gegangen war, spürte sie, wie die Übelkeit zurückkehrte. Und die Mauern einbrachen, die ihre Vergangenheit zurückhielten. „Juan...“ Sie drehte sich ruckartig von der Menschentraube weg und sah in die entgegengesetzte Richtung, während sie den Drang unterdrückte wegzulaufen.
Menschen, die ihr wichtig waren. Diese Worten rauschten ungebremst gegen Skadis Stirn und hinterließen ein heftiges Ziehen, das einem Kopfschmerz in nichts nach stand. Irgendetwas wehrte sich in ihr gegen diese Vorstellung. Jemand, für den sie wichtig und von Bedeutung war. Die Dunkelhaarige war viel zu angetrunken, um sich diesem Chaos zu hinzugeben und länger als eine Sekunde über die Tragweite dessen nachzudenken. Das war Talins Angelegenheit. Sie würde sich definitiv weder dazu herablassen, das mit ihr auszudiskutieren, noch sich davon einlullen zu lassen. In den letzten Jahren ihres Lebens war ihr mehr als einmal gezeigt worden, dass Worte nur leere Hüllen waren, mit denen sich der ein oder andere mehr schmückte als der Rest. Für die Nordskov zählte am Ende des Tages nicht mehr als was getan und nicht was versprochen wurde. Sie lächelte somit nur etwas zynisch und wandte die Aufmerksamkeit auf die Szenerie, die sich vor ihnen in der Seitengasse aus den Schatten schälte. Für einen Moment gefror ihre Miene zu einem ausdrucklosen Zug. Jeder Tropfen Alkohol in ihrem Blut presste sich mit enormem Druck nach außen. DAS dort war ihr Werk. Und sie erkannte die Gestalt, die lebendig aber verstümmelt auf dem Boden hockte und kaum ansprechbar war. Ein Glück für sie, wie Skadi in Anbetracht der Menschenmenge feststellte. Andernfalls hätte diese Situation hässlich für sie enden können.
Ruckartig huschten die dunklen Augen zur Seite, als sich Talin murmelnd abwandte. Irgendetwas am Blick der Jüngeren gefiel ihr ganz und gar nicht. Kannte sie den Kerl dort etwa? Mit zusammengezogenen Augenbrauen, machte der Körper der Nordskov eine halbe Drehung und senkte die flache Hand auf Talins Bauch, um sie davon abzuhalten panisch davon zu laufen.
„Hey… alles okay?“
Ihre Stimme schwappte sanft und fürsorglich gegen Talins blonde Locken.
Hektisch glitt Talins Blick hin und her, suchte einen Fluchtweg aus den Bildern heraus, die sowieso nur in ihrem Kopf waren. Sie spürte, wie sich eine Panikattacke in ihr breit machen wollte, als sie auf einmal etwas Warmes an ihrem Bauch spürte. Blut. Er war hier. Er hatte sie wieder getreten, wieder auf ihren Bauch eingestochen, bis das Blut aus ihrem Bauch und zwischen ihren Beinen hinunter lief. Bis sie das Kind verlor.
Panisch schnappte Talin nach Luft, die sie so dringend brauchte. Damit kehrte auch der rationale Teil von ihr wieder, der bemerkte, dass die Wärme konstant an einem Ort blieb und nicht einfach an ihr hinab lief. Sie fokussierte ihren Blick und erkannte, dass eine Hand auf ihrem Bauch lag. Als sie den Blick den Arm nach oben wandern ließ, erkannte sie verschwommen Skadi, die neben ihr stand. Sie wusste nicht, ob die andere Frau sich Sorgen machte oder nicht. Sie wusste nur, dass sie gerade viel zu viel von sich verriet. Ob alles in Ordnung war? Bei allen Welten, nein! Für einen Moment war sie wieder 14 Jahre alt gewesen, verheiratet mit einem Mann, den sie hasste und der sie immer wieder spüren ließ, wie sehr er sie hasste. Doch sie schwieg, atmete nur gegen die Panik an, als langsam die schwarzen Punkte vor ihren Augen wieder verschwanden. Nur konnte sie ihr Verhalten nicht so leicht ungeschehen machen.
Talin kaute auf ihrer Unterlippe herum, während sie überlegte, wie ehrlich sie sein konnte. „Ich...“ Ihre Stimme klang raus, als ob sie mehrere Minuten geschrien hätte. „Der Mann dort. Ihm wurde der Schwanz abgeschnitten. Ich habe einmal jemandem etwas ähnliches angetan. Es sind...keine schönen Erinnerungen.“ Dann schloss sie wieder den Mund, weigerte sich, in die andere Richtung zu gucken, legte ihre Hand auf die von Skadi, um deren Wärme und Halt nicht zu verlieren.
Die blauen Augen, die sonst nur so vor Stolz und Lebenslust strotzten, wirkten mit einem Schlag gehetzt und panisch. Ein Gefühl von Übelkeit schob sich ihre Kehle hinauf. Das hier war nicht der Anblick einer jungen Frau, die kein Blut und keine verstümmelte Genitalien sehen konnte. Scheiße. Instinktiv trat Skadi noch einen Schritt näher an Talin heran, als sich diese zu ihr herum wandte und unsicher auf der Unterlippe kaute. Aufmerksam ruhten die dunklen Augen auf dem blassen Gesicht der Dravean. Senkten sich erst in einem schwachen Seufzen, als sie ihre Worte fast lautlos in die Nacht entlassen hatte und ihre Finger ihren Handrücken umklammert hielten, als wäre sie eine Rettungsleine. “Wollen wir gehen?“ Eigentlich war es mehr eine rhetorische Frage. Denn mehr als eine Minute gäbe sie ihr nicht, um das Für und Wider abzuwägen. Talin konnte an diesem Abend anderes gebrauchen, als an ihre Vergangenheit erinnert zu werden. Dem stand Skadi in nichts nach.
Mit wilder Entschlossenheit versuchte sie die Mauer wieder aufzubauen, die die Erinnerungen in Schach hielten. Mit Entschlossenheit und Wut. Sie wollte nicht dieses schwache Mädchen sein, dass sich von schlechten Erinnerungen beeinflussen ließ. Das hatte sie sich damals versprochen, als sie Kelekuna mit mehr Wut als Essen im Bauch verlassen hatte. Und doch kratzten diese Bilder an ihrem Hirn, als wollten sie sie Wahnsinnig machen. Skadis Nähe, die sie ihr so bereitwillig schenkte, half ihr dabei sich auf die anderen Gefühle zu konzentrieren, die ihre Mauer stärken würden. Langsam, viel zu langsam richtete sich diese wieder auf.
Skadis Frage traf Talin unvorbereitet. Natürlich wäre es sinnvoll von dem Ort zu verschwinden, aber ihre Beine weigerten sich auch nur einen Schritt zu tun. Lustig, wo sie gerade noch so weit wegrennen wollte. Die Blonde schüttelte erst den Kopf und wollte Skadi ihre Lage erklären, als ihr ein ziemlich unzusammenhängender Gedanke durch den Kopf schoss. Es gab eine Möglichkeit, sie aus dieser Starre zu befreien. Sie hatte sie früher schon öfter angewandt. Ruckartig stieß sie die vorher angehaltene Luft aus und trat noch einen Schritt näher an Skadi heran, bevor sie deren Hand los ließ und beide Arme um ihren Hals schlang. „Nur einen Moment...“ Wahrscheinlich sah es für Zuschauer so aus, als wollte sie die Brünette nur umarmen, stattdessen presste sie aber – etwas ruppig – ihre Lippen, auf die der anderen.
Talin wandte sich herum, löste sich aus dem Griff ihrer Hand, nur um beide Arme kraftvoll in ihrem Nacken zu verschränken. Etwas perplex musterten die dunklen Augen der Nordskov das sonnengeküsste Gesicht der jungen Dravean, die irgendetwas murmelte und dessen Mimik einen alarmierenden Ausdruck annahm. Dann spürte sie die schmalen Lippen auf den eigenen. Bemerkte schlagartig das leichte Kratzen in ihrer Kehle, während ihr Körper damit zu kämpfen hatte trotz des massiven Alkoholgehalts in ihrem Blut und dem plötzlichen Gewicht der Jüngeren an ihrem Hals, nicht voraus zu kippen. Die Schulter des Fremden, der sie in jenem Moment passierte und mehr als unsanft gegen Skadis Oberkörper stieß, brachte sie noch zusätzlich ins Straucheln. Als wäre diese Szenerie nicht schon absonderlich genug. Schützend fuhren die langen Finger der Nordskov über Talins Hüfte in ihren Rücken. Zogen sie fest an sich, um sie beim drauf folgenden Ausfallschritt zur Seite nicht mutwillig über den Haufen zu rennen. Unweigerlich intensivierte sie dadurch den anhaltenden Kuss. Schmeckte die Überreste des starken Rums auf ihren Lippen, kaum dass sie sich von der Jüngeren löste und mit der Zunge über die Unterlippe fuhr.
“Nicht, dass ich das hier nicht gern fortführen würde…“ Der Blick aus dunklen Augen huschte für eine Sekunde dem Fremden hinterher, dem sie nur zu gern ein finsteres Brummen geschenkt hätte, wäre seine Gestalt nicht so massiv, sie selbst zu betrunken und die Szene, an der er zum stillen Teilnehmer wurde, nicht ihr Verschulden.
“Aber mir wäre ein anderer Standort lieber.“
Wieso sich jetzt ein sanftes und vielsagendes Schmunzeln in ihren Mundwinkeln stob, wusste die Nordskov selbst nicht wirklich. Sie fand Talins Reaktion auf dieses Ereignis und ihr hereinbrechendes Trauma vergangener Tage mehr als ungewöhnlich. Doch offensichtlich war sie zu betrunken, um den Ernst der Sache zu bewahren. Oder war sich vielleicht auch im Klaren, dass DAS nicht ihre Baustelle war. Die Dravean war alt genug. Und sie selbst definitiv kein Kind von Traurigkeit.
Die Wärme einer anderen Person ließ sie innerlich wieder ein wenig zur Ruhe kommen. Als der Kuss unerwartet intensiver wurde, fuhren ihre Mauern gegen alles, was sie bis eben in Panik versetzt hatte, wieder hoch. Das Zittern ihres Körper ließ nach und sie spürte, wie auch der Nebel verschwand und die Klarheit zurückkehrte. Dafür gewann der Alkohol die Oberhand, der ihr einflüstern wollte, dass sie ganz dringend den Kuss weiter fortführen sollte. Das sie diese Bekanntschaft weiter in angenehmere Richtungen treiben sollte. Doch Skadi beendete den Moment ebenso schnell, wie Talin ihn hervor gerufen hatte. Schade. Sie wünschte es wäre anders, aber sie verstand nur zu gut, was Skadi meinte. Hier war ganz eindeutig kein guter Platz für irgendwelche Spiele. Und auch wenn der Alkohol ihr etwas anderes einflüsterte, war es auch nicht die richtige Zeit. Das sie sich gerade die Blöße ihrer Schwäche gegeben hatte, war dabei nicht einmal das schlimmste für sie. Die Blonde erwiderte Skadis Schmunzeln wieder mehr sie selbst, als noch Augenblicke davor, bevor sie leicht, aber bestimmt den Kopf schüttelte. Was würde es bringen, die andere jetzt anzulügen?
Ein anderer Standort würde auch nur heißen, dass ich dich benutze, um mir selbst zu helfen.“ Sie sah kurz zu der Menschenmenge hin, weit gefasster diesmal. Dann griff sie nach Skadis Hand und zog sie fort. „Ich bin ganz sicher nicht abgeneigt mehr von dir kennen zu lernen, aber nicht jetzt, nicht heute. Der Kuss...du musstest mich erden, damit ich wieder zu mir finden konnte. Danke.
Sie verstand weder woher der eine, noch der andere Sinneswandel gekommen war. Fühlte sich irgendwie für einen Moment derart überfahren, dass sie schweigend zu Talin hinab sah und vom zuvor aufgelegten Grinsen nichts mehr als ein Hauch auf ihren Zügen zurück blieb. Verstand einer diese Frau. Eines konnte und musste sie ihr allerdings zu Gute halten, während sie sich folgsam von ihr mitziehen ließ: sie war ehrlich.
Skadi schüttelte schmunzelnd den Kopf. Biss sich auf die betrunkene Zunge, die bereits mit der nächsten Erwiderung aufwartete und schluckte. Solange sie von hier verschwanden und der Kerl nicht auch noch wach wurde und sie erkannte, war ihr nahezu alles Recht. Ob von Talin für irgendwelche therapeutischen Selbsthilfemaßnahmen benutzt zu werden oder sich in großer Manier zu betrinken - es war ihr schlichtweg gleich.
Erst nach zwei weiteren Kreuzungen wandte Skadi den Blick von ihrer Umgebung auf Talin und beschleunigte ihre Schritte. Lief auf selber Höhe zur Jüngeren und spürte noch immer das Schmunzeln von vorhin auf ihren Lippen. “Was machen wir jetzt?“
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If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 23.04.2019, 21:27
RE: If I Had a Heart - von Talin Dravean - 04.05.2019, 15:14
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 07.05.2019, 12:23
RE: If I Had a Heart - von Talin Dravean - 19.05.2019, 23:21
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 19.05.2019, 23:21
RE: If I Had a Heart - von Talin Dravean - 19.05.2019, 23:22
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 19.05.2019, 23:22
RE: If I Had a Heart - von Talin Dravean - 19.05.2019, 23:23
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 19.05.2019, 23:23
RE: If I Had a Heart - von Talin Dravean - 19.05.2019, 23:23
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 19.05.2019, 23:24
RE: If I Had a Heart - von Talin Dravean - 19.05.2019, 23:24
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 19.05.2019, 23:25
RE: If I Had a Heart - von Talin Dravean - 19.05.2019, 23:25
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 19.05.2019, 23:26
RE: If I Had a Heart - von Talin Dravean - 19.05.2019, 23:26
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 19.05.2019, 23:26
RE: If I Had a Heart - von Talin Dravean - 22.08.2019, 12:27
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 31.08.2019, 22:55
RE: If I Had a Heart - von Skadi Nordskov - 30.04.2020, 17:47

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