23.04.2020, 09:24
Beschwingt sauste der kleine Lederbeutel durch die Luft. Die Sonnenstrahlen ließen die dunkelbraune Hülle für einen Moment etwas heller erscheinen, als er den höchsten Punkt seines Fluges erreichte. Einen Augenblick später sauste er bereits wieder gen Erde, doch soweit kam er nicht. Eine Hand fing ihn geschickt auf und schickte ihn augenblicklich wieder nach oben, was dazu führte, dass die Münzen im inneren des Beutels fröhlich klimperten. Es war ein Geräusch, das Farley nur zu gern hörte – und das er sich nach einer doch recht erfolgreichen Arbeitsschicht seiner Meinung nach durchaus auch verdient hatte. Seit sie Mîluí angelaufen hatten, hatte er jeden Tag damit verbracht Geld für die Begleichung seiner Schuld zu... nun, zu besorgen. Und mittlerweile fehlte ihm nicht mehr viel, um die Crew dafür auslösen zu können, ihn weder in die Luft gesprengt zu haben noch ihn absaufen zu lassen. Da er immer noch keine Lust verspürt hatte, bei irgendwelchen Reparaturen am Schiff zu helfen, war ihm das wie die sinnvollste Möglichkeit vorgekommen, seinen Teil beizutragen. Er war zwar ein kleiner Gauner. Aber ehrlos war er durchaus nicht, auch wenn das mancher sicherlich annehmen könnte.
Nach getaner Arbeit hatte Farley sich entschlossen, nicht direkt den Weg zurück zum Schiff anzutreten. Aspen, mit dem er nicht nur aus nostalgischen Kindheitserinnerungsgründen viel Zeit verbrachte, kam gut ohne ihn zurecht. Und ab und zu genoss der junge Dieb, der es gewohnt war allein zu arbeiten, die Ruhe vor dem trubeligen Geschehen an Bord der Sphinx. Also hatte er kurz entschlossen den Weg Richtung Wald angetreten und tatsächlich freute er sich sehr über die Abwechslung, festen Boden unter den Füßen zu haben und dem Trubel der Stadt zu entkommen. Die Ruhe, die nur durch das Zwitschern der Vögel und das gelegentliche Rauschen der Blätter unterbrochen wurde, war durchaus erholsam und da er sich unbeobachtet fühlte, hatte Farley auch keine Probleme den Lohn seiner Arbeit vergnügt wie ein kleiner Junge in die Luft zu schmeißen und wieder aufzufangen – und dabei hin und wieder ein kleines Liedchen zu pfeifen.
Dass sein Spiel so abrupt enden würde, damit hatte er freilich nicht gerechnet. Und auch nicht damit, wie dieses Ende zustande kam. Er hatte gerade den Rand einer Lichtung erreicht, als es plötzlich neben ihm surrte und nicht einmal einen Wimpernschlag später flog etwas nur hauchdünn an seinem Gesicht vorbei. Der Braunhaarige hatte nicht einmal Zeit seinen Kopf zurückzuziehen. Das tat er gefühlte Sekunden später, während er abrupt stehen blieb. Es brauchte einen Augenblick, bis er sich aus seiner kurzen Schockstarre lösen konnte und sich umsehen konnte. Schnell fanden seine Augen, die vor Schreck noch geweitet waren, das Reh, das hinter ihm zusammengebrochen war und in dessen Körper nun ein Pfeil steckte. Als er sich in die andere Richtung wandte, aus der das tödliche Geschoss gekommen sein musste, erblickte er schließlich die Frau, die nur wenige Meter von ihm entfernt stand und wohl ebenso geschockt wie er war – mit dem Unterschied, dass sie einen Bogen in der Hand hielt. Der Geldbeutel war klirrend zu Boden gefallen, doch Farley machte noch keine Anstalten ihn auf aufzuheben. Als er sich wieder etwas gefangen hatte, fuhr er sich halb verlegen, halb erleichtert mit der Hand durch die Haare und schüttelte schließlich den Kopf.
„Mit dem Schuss hättest du ja fast uns beide erlegt.“
Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Kadavers.
„Aber die Geschichte dazu hätte bei den anderen sicherlich für einige Erheiterung gesorgt.“
Er schmunzelte, wirkte wahrscheinlich sogar etwas irre, weil er so sichtlich erleichtert war, dass Skadi ihn verfehlt hatte. Kein Wunder. Wenn sie ihn abgeschossen hätte... Da hätte er sich die ganze Mühe der letzten Tage und Wochen auch eigentlich sparen können.