08.04.2020, 20:55
Einige Momente verlor Shanaya sich in ihren Gedanken, sah nicht einmal wirklich den Boden. Luciens Stimme holte sie nicht zurück aus dieser kleinen Trance. Nicht sofort zumindest. Zwischen all den Dingen, die ihr durch den Kopf gingen, hielt sich auch die Frage, was der Dunkelhaarige wohl noch wissen wollen würde. Es gab wohl in diesem Moment Nichts, was sie ihm nicht erzählt hätte, so schwer es ihr auch fiel.
Als seine Stimme dann schließlich eine weitere Frage formte, hob die junge Frau langsam den Kopf. Tja. Wieso hatte sie ihn nicht getötet? Das war eine gute Frage. Innerlich sank sie unter dem Blick ihres Captains ein wenig zusammen, konnte ihn nach wie vor nicht deuten, wandte den Blick jedoch erst ab, als er eine weitere stellte. Sie wich seinem Blick aus, wuschte sich noch einmal über die feuchten Augen. Das waren Fragen, auf die die Antwort absolut nicht schwer war. Trotzdem zögerte sie einen Moment, schloss dann die blauen Augen.
„Ich habe es versucht. Unzählige Male. Etwa ein Jahr bevor ich auf die Sphinx gekommen bin, war ich freiwillig einige Monate auf seinem Schiff. Zum einen um zu sehen, ob das Leben als Piratin das Richtige für mich ist. Kein anderes Schiff hätte mich aufgenommen und...“ Sie lachte leise, ein freudloses, müdes Lachen. „Ich wusste, dass ich durch Bláyron einen Schutz haben würde, der mir auf anderen Schiffen fehlen würde. Er hätte nicht zugelassen, dass irgendjemand mir etwas antut, bevor er mit mir fertig ist. Ich kann nicht zählen, wie oft ich in dieser Zeit versucht habe, ihn zu töten. Es hat nie geklappt... vielleicht weil ich zu unkontrolliert war, vielleicht weil er jeden Moment genau damit gerechnet hat. Er hat es mich jedes Mal spüren lassen. So oft, wie ich versucht habe, ihn zu töten, wäre ich selbst beinahe gestorben.“
Mit einem tiefen Atemzug versuchte Shanaya erneut sich zu beruhigen, ihre Stimme zitterte unter diesen Erinnerungen.
„Als ich zurück auf Yvenes war hat sich daran Nichts geändert, außer, dass er da noch Mardoc an seiner Seite hatte. Es macht viel mehr Spaß, jemand Schwächeren zu zweit fast umzubringen. Ich könnte noch so stark sein, allein gegen die Beiden...“
Nur kurz legten sich die blauen Augen auf Lucien, während sie diesen Satz offen ließ. Das war eine Tatsache. War seine zweite Frage damit auch beantwortet? Sie wusste es nicht. Ihr Blick glitt zurück auf den Boden.
„Ich wäre ihm gewachsen, aber... er ist der einzige Mensch, bei dem ich jegliche Kontrolle verliere. Bisher habe ich noch keinen Weg heraus gefunden.“