06.04.2020, 22:16
Shanaya hatte nicht mit großen Widerworten oder dergleichen gerechnet und war trotzdem erleichtert, als Lucien offenbar ohne große Erklärungen verstand. Auf seine Worte und den sanften Druck seiner Hand hin nickte die junge Frau sachte, warf ihm noch einen dankbaren Blick zu. Schließlich folgte sie seinem sanften Zug, achtete dabei weiterhin auf die Männer, die hier herum hingen. Der ein oder andere warf ihnen einen Blick zu, widmete sich dann aber meist schnell wieder seinem Spiel, seinen Karten oder seinem Alkohol. So kamen sie ohne Unterbrechung zum Tresen, hinter dem der unglaublich freundliche Wirt... arbeitete. Lucien blieb stehen und Shanaya tat es ihm gleich, ließ dabei jedoch nicht seine Hand hoch und trat so nah zu ihm heran, dass ihr Körper seinen sachte berührte. Für den Moment hielt sie sich im Hintergrund, ließ den hellen Blick immer wieder zur Seite schweifen. Bis sie in einem Zimmer waren, musste sie sich vermutlich mit diesem Kribbeln im Nacken abfinden.
Ihr Captain hatte das Zimmer und das Essen bezahlt, sie wollte ihm später dafür etwas von zurück geben, und wollte sich gerade schon zum Gehen wenden, als Shanaya ihm mit einem kurzen Lächeln bedeutete, dass noch etwas fehlte. Nun griff ihre freie Hand in ihren Beutel, holte ihrerseits etwas Geld hervor und schob es dem Mann auf dem Tresen zu.
„Und eine verschlossene Flasche von dem da.“
Sie deutete mit einem Nicken auf ein Regal voller Flaschen, deren Inhalt sehr wahrscheinlich nicht aus reinem Wasser bestand. Zumindest ein wenig Alkohol würde sich darin sicher finden lassen. Der Wirt hob den grummeligen Blick, betrachtete jetzt die junge Frau mit skeptischer Miene, die diesen abwartend erwiderte. Einen Moment legten sich die Augen des Mannes auf Lucien, als wartete er darauf, dass der Mann die Situation aufklärte, stattdessen wandte er sich ohne auf eine Antwort zu warten ab, um in das Regal zu greifen und der Schwarzhaarigen eine der Flaschen zu reichen. Das Gold hatte er längst an sich gerissen, wartete auch nicht, ob die zwei noch etwas von ihm wollten, sondern widmete sich wieder seinem Krug und dem dreckigen Lappen. Sie wusste schon, wieso sie eine verschlossene Flasche haben wollte.
„Es wundert mich, dass du das vergessen hast.“
Ein vielsagender Blick galt Lucien, ein vorsichtiges Lächeln, ehe sie sich abwandte, direkt auf die Treppe zu steuerte. Lucien hatte den Schlüssel, den Weg kannten sie beide. So dauerte es nicht lang, bis sie noch einmal den Weg durch die Tische und die Treppe hinauf hinter sich gebracht hatten. Zum Glück für jeden der Anwesenden ohne großen Zwischenfall. Außer der einzelnen Blicke, die einem so hinterher geworfen wurden.
Als sie letzte Tür des Ganges erreicht hatten, schlüpften beide in das Zimmer, das so aussah, wie Shanaya erwartet hatte. Aber ihr war alles Recht und sie konnte sich mit allem zufrieden geben, solange ihr Körper sich ein wenig beruhigen konnte. Erst als beide das Zimmer betreten hatten und Lucien die Tür abgeschlossen hatte, ließ sie vorsichtig seine Hand los. Ein Tisch, ein Bett, ein Stuhl, ein kleines, dreckiges Fenster. Mit fast vorsichtigen Schritten trat Shanaya zu dem Tisch, stellte die Flasche ab und zog sich in einer fließenden Bewegung die Stiefel aus. Dann löste sie ihren Waffengürtel, legte ihn neben die Flasche auf den Tisch. Sie wollte einfach zurück zu dem, wie es immer gewesen war. Also ließ sie sich rücklings auf das Bett sinken, zog die Beine in einen Schneidersitz und richtete dann den Blick zu dem Dunkelhaarigen. Ihre Alternative wäre gewesen, sich an das Fenster zu stellen, die Straße zu beobachten. Und damit hätte sie vermutlich die ganze Nacht verbracht. Ihr Blick wurde sanft, als sie den Kopf etwas zur Seite neigte.
„Dir liegen doch sicher einige Fragen auf der Zunge, nicht wahr?“
Sie lächelte tapfer, stellte sich auf alles mögliche ein, was Lucien wohl einfallen konnte.