27.03.2020, 14:05
Die Zeit verstrich, es fühlte sich an wie endlos lange, eiskalte Stunden. Shanayas Körper reagierte nicht auf ihre Umwelt, sie nahm kaum ein Geräusch war, nicht wie viel Zeit vergangen war, seitdem ihr Bruder sie hier zurück gelassen hatte. Der Drang, sich zu verstecken, schien übermannend und doch regte sie sich nicht, schlang nur ihre Arme noch ein wenig fester um ihren Körper. Niemand kam vorbei, Bláyron kam jedoch auch nicht zurück. Das war ihre erste Befürchtung gewesen, dass er wartete, sie sich in Sicherheit wiegen ließ und dann zurück kam. Aber es blieb still und vielleicht war er wirklich einfach verschwunden. Shanaya hoffte es.
Weitere Zeit verging, in der die junge Frau sich nicht bewegte, die Tränen auf ihren Wangen trockneten nicht. Und dann waren da Schritte, die ohrenbetäubend laut an den Wanden wieder hallten, die ihr Herz schneller antrieben. Sie musste an ihren Degen kommen, sie musste sich wehren können. Egal, wie bewaffnet er zurück kommen würde. Auch wenn er weitere Männer mit sich brachte. Sie musste gegen jeden einzelnen bestehen, wenn sie hier heraus kommen wollte. Die blauen Augen huschten zu ihrem Degen, der in ihrer Nähe auf dem Boden lag. Aber sie konnte sich nicht bewegen, ihr zitternder Körper gehorchte nicht. Trotzdem verließ kein Laut ihre Lippen, als hätte sie Hoffnung, nicht bemerkt zu werden. Eine Stimme drang durch die Dunkelheit, aber weder erkannte sie sie in diesem Moment, noch verstand sie, was sie sagte. Zumindest oberflächlich, nur in ihrem Innersten regte sich ein kleiner Funke, der sie hoffen ließ. Trotzdem kämpfte sie verzweifelt gegen die Ketten an, die ihren Körper fest im Griff hatten. Sie lösten sich auch nicht, als eine Silhouette vor ihr auftauchte, ihr so nah kam, dass sie aus einem ersten Reflex beinahe zurück gewichen wäre. Dann spürte sie die sanfte Berührung an ihrer Wange, das warme Gefühl, dass das Gefühl der Erkennung aus ihrem Inneren heraus kitzelte. Kaum zwei Herzschläge vergingen nach dieser Berührung, ehe die Schwarzhaarige den Kopf hoch riss, Lucien aus verwirrten, blauen Augen entgegen blickte. Mit der aufglimmenden Glut der unbändigen Freude kam jedoch auch die Kälte der Angst, die die Hand fest um sie schloss. Er war hier. Lucien war... wenn Bláyron noch in der Nähe war...
Zum ersten Mal regte sich der Körper der Dunkelhaarigen, ihr inneres Chaos für einen Herzschlag vergessend rutschte sie das kleine Stück vor, bis sie Luciens Körper nah genug war, um die Hände in sein Hemd zu graben, um sich an ihn zu lehnen. Vielleicht konnte er ihr helfen, dass ihr Körper nicht mehr unkontrolliert zitterte, dass sie sich beruhigen konnte.
„... Geh... bitte...“ Ihre Stimme war brüchig, hatte Nichts von der Sicherheit, die sonst darin mitschwang. Aber alles an ihr strafte diese Worte Lügen. Sie wollte nicht, dass er ging. Auch wenn er in Gefahr war, sie wollte nicht von seiner Seite weichen. „Er darf dich hier nicht sehen.“
Ihre zittrigen Hände krallten sich mit diesen Worten nur noch fester in den Stoff seines Hemdes, während ihr Kopf langsam gegen seine Brust sank. Sie schloss die blauen Augen, hoffte, so vergessen zu können, in was für einer Situation sie sich befand. Dass sie sich einfach auf die Sphinx denken konnte, fern von dieser lähmenden Kälte, die sie fest im Griff hielt.
„Bitte...“