10.03.2020, 12:04
So viel Sympathie…
Tarón schluckte das Seufzen, das seine Kehle emporsteigen wollte, herunter, als er erneut mit dem Misstrauen des dunkelhaarigen Typen konfrontiert wurde, in dessen Gesicht ein Mix aus Emotionen zu kochen schien – auch wenn dieser sich bemühte so wenig wie möglich davon nach außen dringen zu lassen.
‚Was bin ich froh, wenn wir von dieser scheiß Insel weg sind…‘
Wie sich rückblickend wohl ohne jeden Zweifel feststellen ließ, war es eine Schnapsidee gewesen hier Zuflucht zu suchen – eine Schnapsidee überhaupt ins freie Herzogtum zurück zu kehren. Was hatte er gehofft zu finden? Hier gab es nichts, als die Reste von verbrannten Brücken und ausgehöhlter Ruinen für ihn.
„Und doch zieht uns das Herz dann heimwärts…“
Murmelte er leise zu sich selbst, ehe er mit einem ironischen Lächeln und einem Kopfnicken die Hände hob, sich in die Richtung ihres Aufbruches umwandte und diese dann – gut sichtbar für den Dunkelhaarigen hinter dem Rücken verschränkte. So wie der drauf war, wollte Tarón nichts riskieren. Die Instabilität kroch ihm aktuell aus allen Poren und war ein toxisches Gift, das den Falken den Kopf kosten konnte, wenn seine neue Bekanntschaft irgendwas in den falschen Hals bekäme. Genau genommen schien der Kerl nur auf einen Grund zu warten ihn im Hafenbecken versenken zu dürfen.
Nach wie vor: er konnte es ihm nicht einmal verübeln. Immer noch hätte Tarón sie verraten können, dies eine letzte tückische Falle sein. Zudem war er verletzt, besorgt und müde. Er hoffte nur, dass sich der Typ etwas entspannte, wenn er einsehen musste, dass der Falke es tatsächlich nur gut meinte – wenn natürlich auch vor allem mit sich selbst, denn dies war mitnichten ein Akt der Menschenliebe.
Zumindest schien der Rest der Gruppe etwas weniger feindselig gestimmt. Ein Lichtblick.
‚Nur noch zum Schiff und hoffen, dass beim Durchzählen nicht noch Lücken klaffen…‘
Wenn sie noch einmal zurückmussten, konnte es hässlich werden und das bisher erspielte in einem einzigen Moment zu Rauch und Blut gerinnen.
Dass der Typ fehlte, der sich einen Überblick verschaffen wollte, fehlte, war in diesem Fall gut – er kümmerte sich bereits darum zu sehen, ob es noch jemanden herauszuboxen galt. Tarón respektierte, dass er sich allein und umgehend daran gemacht hatte. Ein mutiger Mann – und offenbar ein fähiger. Blieb zu hoffen, dass er auch das Glück auf seiner Seite hatte.
Seine Sinne erneut auf die Umgebung ausrichtend, um im Zweifel eine Gefahr entdecken zu können, begleitete Tarón seine neuen „Freunde“ in Richtung Schiff und sammelte mit einem kurzen leisen Pfiff die Echse auf dem Weg ein, die sich folgsam außerhalb jeder Sicht gehalten hatte. Das Gefühl von Calwahs kühlen Schuppen an seiner Haut entlockte Tarón ein echtes Lächeln, als sich die Echse an ihren angestammten Platz auf seiner Schulter begab und zur Begrüßung an ihn schmiegte.
„Guter Junge.“
Raunte er dem Schuppentier leise zu, ehe seine Aufmerksamkeit wieder in die Nacht glitt.
[Bei Lucien, Enrique und Talin | Auf dem Weg zum Schiff]