04.03.2020, 20:52
Das Blut rauschte durch ihren Körper, noch viel schneller, als sie zu Boden fiel. Die Gefahr sich bei einem Sturz etwas zu brechen, kam ihr gar nicht in den Sinn. Ihr ganzes Sein war auf den Mann unter ihr ausgerichtet, der sie entdeckt hatte und wie früher die Arme ausbreitete, um sie aufzufangen. Für einen kurzen Moment stand er auf einer Wiese, Äste knackten um sie herum, als sie immer tiefer in seine Arme sprang. Eine Erinnerungen an ihre gemeinsame Kindheit, fast wie ein ganzes Leben entfernt.
Im nächsten Moment landete sie in seinen Armen. Der Schwung, mit dem sie ihn traf, drohte sie beide umzuwerfen, obwohl Lucien ihn relativ gut ausglich. Aber es brauchte noch jemand anderen, den Talin vorher gar nicht erst wahrgenommen hatte. Und der auch schon wieder aus ihrem Gedächtnis verschwand, als sie die Arme um den Hals ihres Bruders warf und ihn an sich drückte, um ganz sicher zu gehen, dass er real war und nicht nur eine Einbildung. Für einen kurzen Moment setzte ihr Herzschlag aus, nur um dann doppelt so schnell weiter zuschlagen, als sie ihr Gesicht an seine Halsbeuge drückte und seinen Geruch tief in sich einzog. Die Unruhe, von der sie vorher nicht einmal gewusst hatte, dass sie seit dem Schuss in der Taverne da war, verschwand, mit jeder Sekunde, die verging.
Als er sich von ihr löste, ließ sie es widerwillig geschehen und schmiegte ihr Gesicht in seine Berührung. Erst jetzt nahm sie ihre Umgebung wieder ein wenig mehr wahr. Farley war ihr nach unten gefolgt. Ob er gesprungen war, wusste sie nicht. Der Mann, der ihren Bruder gestützt hatte, war nicht mehr zu sehen und auch sonst waren irgendwie nur noch Enrique bei ihnen. Waren es nicht vorher mehr gewesen? War das denn eigentlich wichtig? Suchend ließ sie ihren Blick über Lucien streifen, während sie auf seine Frage, ob jemand bei ihr wäre, nur auf Farley deutete.
„Nur eine kleine Verletzung an der Schulter. Ich werds überleben.“ Sie runzelte die Stirn, als sie ihn genauer ansah. „Aber du bist verletzt.“ Ihr Blick verdüsterte sich, wurde von ruhigem Wasser, zu einer stürmischen See. Wer immer das gewesen war, sie wollte ihn am liebsten sofort dafür bestrafen. Hatte ihr Bruder denn nicht schon genug durchgemacht? Enrique war es, der sie von weiteren mörderischen Gedanken ablenkte. Widerstrebend sah sie in seine Richtung, musterte auch ihn kurz nach Verletzungen. Anscheinend hatte es sie alle in der Taverne ziemlich erwischt.
„Wir werden nicht mehr verfolgt. Die anderen...wir wurden getrennt. Liam, Shanaya, Trevor und Skadi. Und zwei mir unbekannte Personen. Ich kann dir nicht einmal genau erklären, was uns getrennt hat. Es waren mindestens 8 Kanonen auf Rädern. Sie haben auf uns geschossen, da mussten wir in verschiedene Richtungen flüchten.“
Sie schwieg, als sie bemerkte, was sie da eigentlich sagte. Es klang fast schon ein wenig zu absurd, nicht wahr? Vor weiterem Herumgestammle rettete sie schließlich jemand, der neu auf sie zukam. Talin spannte sich in Luciens Armen an und machte sich bereit, sich vor ihn zu stellen, aber da sowohl ihr Bruder als auch Enrique entspannt blieben, unterdrückte sie etwaige überstürzte Handlungen. Und daran tat sie auch gut, denn er lieferte ihnen einen kurzen und knappen Bericht über die Lage. Die Blonde musterte ihn kurz, bevor sie sich den anderen drei Männern zuwandte.
„Die wütende Frau klingt nach Shanaya. Und selbst wenn nicht, dann sind sowohl sie, als auch Skadi in der Nähe des Schiffes. Wenn alles sicher ist, sollten wir hingehen. Farley, du solltest vorgehen und 'die wütende Frau' beruhigen, dass wer auch immer da ist, zu uns gehört.“ Fragend sah sie ihren großen Bruder an, ob das soweit stimmte, was sie da gerade erzählte.
[in den Seitengassen | bei Lucien, Enrique und Farley | später wieder Tarón]