05.02.2020, 09:41
Shanaya versuchte mit allen Mitteln, mit aller verbleibenden Kraft, die sie noch hatte, die Ruhe und Konzentration zu behalten, die ihr sonst nie schwer gefallen war. Es war deutlich leichter, wenn man sich nur um sich selbst sorgen musste, wenn niemand sonst da war, der einem durch den Kopf ging. In diesem Moment war es die Sorge um ihren Freund, der bewusstlos – einen anderen Gedanken ließ sie nach wie vor nicht zu – da lag. Das Gefühl, das sie mehr und mehr beschlich, fühlte sich an wie die bleierne Schwere einer blutenden Wunde. Und trotzdem konnte sie nicht aus ihrer Haut, konnte nicht vergessen, dass der Mann vor ihr kniete. Ihm musste ihre Aufmerksamkeit gehören, wenn sie nicht auch noch Greos Schicksal erleiden wollte.
Der Dunkelhaarige bewegte den Kopf, blickte zu der kleinen Gruppe hinüber und bat sie schließlich darum, einfach zu zustechen, es für ihn erträglicher zu machen. Shanayas Lächeln wurde noch ein wenig kälter, womit sie den Kopf etwas zur Seite neigte, den Degen dabei weiter fest umschlossen hielt.
„Ich spiele lieber mit meiner Beute, alles andere wäre viel zu einfach.“
Nur aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, was Trevor schon wieder für Hampeleien vollbrachte, was dem dunkelhaarigen vor ihr noch etwas Zeit gab, auf ihre Frage zu antworten. Er wollte ihren Namen erfahren, damit er wusste, mit wem er hier ein Spielchen spielte? Aber so wie der Dunkelhaarige unterbrochen wurde, so gefror Shanaya mit einem Mal das Blut in den Adern. Greo lebte, seine Stimme drang deutlich zu ihr durch – auch wenn sie nicht verstand, was er von sich gab. Allein die Tatsache, dass er nicht verloren war, nahm der jungen Frau eine tonnenschwere Last von den Schultern. Durchatmen war ihr dennoch nicht möglich. Nur einen kurzen Blick gewährte sie sich in die Richtung ihres Freundes, der ihr Herz so schmerzhaft schlagen ließ, dass sie beinahe froh war, den Dunkelhaarigen vor sich knien zu haben. Sie wusste nicht, was sie für Greo tun sollte, wie sie ihm helfen konnte. Ihre Hand schloss sich fester um den Knauf des Degens, so sehr, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden. Aber so konnte sie das leichte Zittern unterdrücken.
Was der Fremde sagte, verlockte die Schwarzhaarige beinahe dazu, ihm die ganze Sache wirklich zu erleichtern. Einige Herzschläge lang fasste sie den Gedanken, ihn von seinem schrecklichen Leiden zu erlösen, es brauchte einige, ruhige Atemzüge, um diesen Gedanken wieder zu verwerfen. Solange er sich ruhig verhielt, sollte er ruhig Schwachsinn vor sich hin reden. Gregory versicherte ihr, was sie nur halb wahrnahm, dass er sich um Greo kümmerte. Sie hörte seine Versuche, ihren Freund zu beruhigen und fragte sich still, ob dem Riesen das helfen würde.
Trevor kam endlich zu ihnen hinüber, begann sofort, den Fremden zu fesseln. Shanaya unterdrückte ein Seufzen, dass sie sich in diesem Moment mit Trevor zufrieden geben musste, bei dem sie sich nicht sicher war, ob nun der Alkohol aus ihm sprach oder nicht. Vielleicht war es ja das Beste, einfach nicht auf seinen Unsinn einzugehen. Die junge Frau beobachtete also nur still, wie Trevor den Fremden mehr schlecht als recht fesselte und schließlich sicher gehen wollte, dass er nicht viel länger leben würde. Wieder unterdrückte Shanaya ein Seufzen, ließ den Degen nun etwas sinken und trat einen Schritt zurück. Die Waffe behielt sie jedoch in der Hand, nur zur Sicherheit. Auf die Worte des betrunkenen Chaoten ging sie nicht ein.
„Trevor, schaffst du es, ohne viel Aufsehen zu erregen zum Hafen zu gehen? Sieh nach, ob du jemanden von uns findest. Bring sie zum Schiff. Wenn du nur Fremde in der Nähe findest, komm sofort zurück und berichte uns.“
Es war die einzige Idee, die ihr wenigstens etwas sinnvoll erschien. Sie würde Trevor nicht allein mit dem Fremden lassen, außerdem wollte sie lieber in Greos Nähe bleiben. Elian schien auch nicht ganz bei sich zu sein und Gregory, auch wenn sie ihm nicht unbedingt viel zutraute, sollte sich um den verletzten Dunkelhaarigen kümmern. Ihr blieb also nur zu hoffen, dass Trevor wenigstens einen Hauch vom Ernst der Situation verstand. Genauso wie sie hoffte, dass Greo bewusst wurde, dass er außer Gefahr war.
[Auf der Sphinx | Zairym & Trevor | Nah bei Gregory, Elian & Greo]