20.01.2020, 13:57
Wieder deutete Lucien ein Nicken an, allerdings ohne sofort zu seinem Gegenüber zurück zu sehen. Sein Blick lag nach wie vor auf dem mit Wachtuch bedeckten Boot, ohne es wirklich wahrzunehmen. So gelassen er auch wirkte – seine gesamte Aufmerksamkeit lag auf der Gestalt neben sich. Er lauschte auf dessen Atemzüge, dessen schwermütiges, tonloses Seufzen, das er von sich gab, wenn seine Gedanken in Resignation umzuschlagen schienen. Das Rascheln seiner Kleidung, wenn er sich bewegte und den Blick herum wandte.
„Stimmt.“ Er tat Enrique den Gefallen, ihm erneut zu widersprechen. „Aber das ist schließlich auch nichts, was einen Mann länger beschäftigt, nicht wahr? So ist das mit dem Guten und dem Schlechten. Das eine lebt in der Gegenwart. Das andere greift jederzeit nach uns. Es kommt aus der Vergangenheit und verfolgt uns in die Zukunft.“
Unwillkürlich streiften seine Gedanken die Erinnerung an die Renaissance, an die gewaltige Galeere, deren Auftauchen am Horizont er jederzeit erwartete. Bilder, die ihn nachts verfolgten und die den schweren Wein zu seinen Füßen allmählich zu seinem ständigen Begleiter machten.
Doch als Enrique ihn wieder ansprach, schob er die Vergangenheit dorthin zurück, wo sie hingehörte und wandte den Kopf herum, um den Älteren direkt anzusehen. Ein leises Schnauben verließ seine Kehle und in die tiefgrünen Augen trat der Schalk.
„Wer sagt, dass ich Probleme hätte?“, konterte er amüsiert. „Hier war nur von deinen die Rede!“ Er ließ den Arm mit dem leeren Becher ein Stück sinken, beobachtete während dessen, wie Enriques Blick zum Wasser zurückkehrte, bevor er leichthin weiter sprach. „Mein Vater ist tot und meine Mutter hat sich in meine Erziehung nie eingemischt. Von meiner Seite her... stünde einer Freundschaft also nichts im Wege. Wie steht es mit dir?“