15.01.2020, 00:18
Dieser Laut aus seinem Mund klang wie eine adäquate Mischung aus nachempfundem Schmerz und absolutem Ekel. Wäre die Situation nicht so prekär, hätte Skadi es sich wohl kaum nehmen lassen, ihn damit aufzuziehen. Stattdessen kaute sie für einen Moment nachdenklich auf ihrer Unterlippe, während sie die Rumflasche verkorkte und dann ihre Kamillentinktur aus dem Lederbeutel an ihrer Hüfte zog. Einen Moment hielt sie inne, kaum dass die dunklen Augen das blasse Gesicht trafen und Rúnar wohl durchaus nett und hilfreich gemeinte Worte aussprach. Ausbrennen? Das wäre doch reichlich dumm, jetzt wo der leicht entzündliche Alkohol an ihrem Körper hinab perlte und sie zu seiner lebenden Fackel werden konnte.
“Das weiß ich selbst.“
Ihre Wortwahl hätte schroff geklungen, wenn ihr Tonfall nicht dermaßen entspannt und beiläufig geblieben wäre. Ehrlich gesagt hatte sie auch keine Lust sich auf eine Diskussionen einzulassen, ob ihr Körper eine Entzündung ab konnte oder nicht. Andernfalls wäre sie sonst dazu übergangen, sich ihre anerzogene „Unempfindlichkeit“ einzureden.
“Wie geht es deinem Arm?“
Noch immer stand sie vor ihm und hielt die kleine Flasche nun demonstrativ auf Höhe seiner Brust. Bevor sie noch ihr Oberteil für einen Verband opferte, den er dann doch nicht annahm, wartete sie auf irgendeine Reaktion. Um sich selbst konnte sie sich später immer noch kümmern, wenn sie endlich aus dem ersten Stock in Richtung Keller verschwunden waren.
“Das ist eine Kamillentinktur. Damit solltest du deine Wunde abtupfen, damit sich da nicht noch irgendwas festsetzen kann.“
Sie hatte ihrer Großmutter zu wenig zugehört, um genau zu wissen, WAS dieses ETWAS sein sollte. Doch spielte das in diesem Augenblick ohnehin keine Rolle. Bakterien konnten Dingstabumstas, Flüche oder schlechtes Karma sein. Es machte sie nicht weniger gefährlich. Und so wie der Schnitt im Halbschatten der Gasse ausgesehen hatte, würde es ohne Erstversorgung und Verband wohl zu einer hässlichen Narbe heranwachsen oder ihm – wenn es ganz dumm lief – den Arm kosten. Seine Entscheidung.
Dann regte sie sich, wandte sich wortlos herum und durchschritt den Türrahmen in einem Tempo, als wäre etwas in sie gefahren. Ein Geist. Ein Verrückter. Ein Gedanke. Federleicht übersprang Skadi einige der alten, knarzenden Stufen. Blickte mehr als einmal prüfend nach links und rechts, bevor sie hinab in den Keller stieg. Noch einmal wollte sie nicht zwischen diesen engen Wänden überrascht werden, die ihr kaum Handlungsspielraum boten.
“Wenn du irgendwas siehst, womit wir später Feuer machen können, dann stecks ein.“, raunte sie gedämpft an Rúnar, dessen Präsenz sie deutlich in ihrem Rücken spüren konnte. Sie selbst war dazu übergegangen nach Erreichen des Treppenabsatzes das Flaschen den Regalen zu ziehen und in einem Beutel zu verstauen, der verdächtig nach einem mit Blut verschmiertem Hemd aussah. Von den Männern fehlte jedoch jegliche Spur. Nicht ohne Grund.
“Ansonsten hilft uns das Werg nur noch zum Abdichten des Schiffes. Aber nicht als Lunte.“
[erst mit Rúnar im Obergeschoss eines Hauses in der Seitengasse, dann im Keller]