07.01.2020, 12:57
Mit Enriques Antwort schien das Gespräch im ersten Moment beendet. Der Leutnant hätte jetzt einfach gehen können und Lucien hätte keine Anstalten gemacht, ihn aufzuhalten. Aber er tat es nicht und dieser kleine Umstand entlockte dem Jüngeren ein unergründliches Lächeln. Er schwieg also, hakte nicht weiter nach, was Enrique nun hier hielt oder eben nicht. Sondern ließ ihm ein paar Augenblicke Zeit, sich selbst von dem zu überzeugen, was er eigentlich wollte.
Schließlich rang er sich doch zu einer Fortsetzung des Gesprächs durch und in die grünen Augen trat ein Anflug milder Belustigung.
„Gut, dann bestehe ich darauf. Halte dich an deinem Tee fest. Solange es dich nicht stört, wenn ich derweil weiter trinke.“
Er hatte nicht vor, Enrique abzufüllen. Er würde ihn auch zu nichts zwingen. Seinetwegen konnte der Ältere den Becher festhalten, bis er dabei einschlief. Oder trinken, bewusst oder aus Langeweile. Wie auch immer. Der junge Captain selbst entkorkte den Portwein in seiner Hand mit den Zähnen, goss sich seinen Becher wieder voll und bückte sich schließlich, um die Flasche zwischen seinen Füßen auf das Deck zu stellen.
Gerade in diesem Augenblick schien der Mann neben ihm sein Gleichgewicht zu verlieren, lenkte Luciens aufwallende Wachsamkeit damit wieder auf seinen Gesprächspartner. Er richtete sich auf, den Blick von der Seite her auf Enrique ruhend, und wartete, bis der sich wieder gefasst hatte. Mit bereits vertrauter Sicherheit die Unterarme auf die Reling stützte, als wäre nichts passiert. Lucien hätte den Ausrutscher auf den Seegang schieben können, doch die ungewohnt fehlende Distanz, die der Ältere normalerweise wahrte, ließ ihn tatsächlich daran zweifeln.
Und wieder ging der Dunkelhaarige darauf nicht weiter ein, ließ Schweigen einkehren. Nur ein paar Sekunden lang, in denen er den Becher an die Lippen hob und einen großen Schluck davon trank. Dann setzte er ab, richtete den Blick auf das Beiboot, unmittelbar gegenüber.
„Du wirkst, als bräuchtest du jemanden zum Reden.“ So direkt er seine Vermutung auch äußerte, so frei war sie von jeder Form von Druck. Enrique konnte mit diesem indirekten Vorschlag nun anstellen, was immer er wollte.