10.09.2019, 17:05
In all der Zeit, seit er sich von Cornelis Leiche hatte zurückziehen müssen, hatte de Guzmán nicht über das Warum nachgedacht. Es gab auch keinen Grund für den Offizier das zu tun. Alles, was gezählt hatte war das wann und wie ihn zurückholen.
Jetzt aber, wo ihm diese Frage gestellt wurde, ließ sie ihn sprichwörtlich gegen eine Wand laufen. Enrique verpasste einen Schritt, stolperte und blieb stehen.
Tausende von Antworten lagen ihm auf der Zunge. Angefangen bei: "Geht dich nichts an" über "Tu einfach, was ich sage!", "Reden wir später drüber" und "Weil ich muss", bis hin zu: "Weil er sich wünscht, in Havets Armen zu ruhen" oder "Weil ich ihn nicht der Marine überlassen kann".
Trauer und Verzweiflung brandeten gegen ihn, hämmerten ihm die Maske für einen Moment vom Gesicht und brachten so viel Feuchtigkeit in seine Augen, dass er blinzeln musste. Sein Stimme zitterte, so wenig, dass er es selbst nicht mitbekam aber doch deutlich genug, um die Abgründe anzudeuten, die der Tod Feuerbarts in ihm hinterlassen hatte. Die Worte, die dann folgten waren keine bewusste Wahl, sondern brachen aus ihm hervor und stellten ihn bloß, wo er es vorgezogen hätte unnahbar zu sein:
"Weil ich es ihm versprochen habe. —"
Enrique schaffte es nicht sich zu Lucien umzudrehen, wollte es auch immer noch nicht. Am liebsten wäre er weit fortgerannt. Das aber war keine Option. Er schloss die Augen und wandte den Kopf Richtung Brandung. Heiserkeit befiel ihn, mischte sich mit der unterschwelligeen Wut in seinen Sätzen.
"— Weil ich meinem Bruder geschworen habe, das ich ihn nach Hause bringen werde. Zu Havet. Seiner Göttin. Seiner über alles geliebten See. Ich—"
Er schluckte schwer, suchte nach Worten, bewegte die Hände unruhig, ehe er sie, hinter seinem Rücken, wie gewohnt, ineinander legte. Mühsam fing er an, die Mauern um sich wieder hochziehen. Er durfte jetzt nicht schwach werden, um keinen Preis!
"Ich habe keine Wahl. Ich kann ihn nicht der Marine überlassen, auf das sie sonstwas mit ihm anstellen und ihn herabwürdigen. Nicht wenn ich mir nicht mindestens einen Funken meiner Selbstachtung bewahren will. Mein Wort und meine Familie ist alles was mir noch geblieben ist."
Ein Moment lang herrschte Schweigen. Zu aufgewühlt war der Dunkelhäutige. Dann, als Lucien schon davon ausgehen musste, dass der Ältere nicht weiterreden würde, auch weil Enrique sich anschickte weitergehen zu wollen, huschten doch noch ein paar geflüstert Worte über dessen spröde Lippen.
"Und— und es ist das letzte was ich für ihn tun kann ..."