10.09.2019, 02:23
Rúnar musste sich davon abhalten, das Gesicht zu verziehen, als der eine Kerl auf den Boden spuckte -- nur eine handbreit neben seine Stiefel -- und dann vor in die Gasse rannte. Rúnar hielt den Atem an um nicht offensichtlich aufzuatmen.
Perfekt. Hoffentlich machte Trevor mit.
Und hoffentlich machte der andere Kerl auch noch mit.
Am besten jetzt.
Aber er seufzte, zog dann gemächlich seinen Degen und folgte seinem Begleiter in die Gasse. Oder er wollte es zumindest. Er stoppte, als Rufe aus der Gasse tönten. Der andere Kerl drehte sich zu Rúnar um und Rúnar schlug entsetzt die Hand vor den Mund. "Oh, Scheiße." Das galt sowohl ihm selbst als auch der Farce gegenüber der beiden Fremden. "Die sind wohl nicht weit gekommen." Rúnar ging ein paar Schritte zurück, streckte dann bittend die Hände nach vorne und sagte: "Bitte helfen Sie mir, die haben mir alles abgenommen."
Der Kerl schüttelte den Kopf, sagte aber: "Ja, ja, wir helfen Ihnen ja. Wir wollen diese Piraten mehr als Sie Ihr Eigentum zurück wollen, das können Sie mir glauben."
Ja, mache ich und jetzt geh.
Der Kerl rannte Richtung Gasse, rief irgendwas, aber Rúnar hörte nicht mehr zu. Er würde gleich sehen, dass Trevor allein war und dass ein Haufen Klamotten bei ihm in der Gasse lagen und Rúnar konnte nicht riskieren, dabei zu sein, wenn er eins und eins zusammenzählte. Er rannte. Nicht allzu weit weg, nur zur nächsten dunklen Gasse.
Ein wuchtiger Schlag in seine Seite schlug ihm die Luft aus den Lungen. Es haute ihn aber nicht um -- er taumelte zur Seite, nahmen einen tiefen Atemzug.
"Hinterhältiger Piraten-Abschaum!", hörte er neben sich. "Dachtest du, du könntest--" Aber er hörte den Rest nicht, zu beschäftigt damit einem Degenstich auszuweichen. Nächster Stich -- Rúnar kickte gegen die Klinge, taumelte nochmal, aber er hörte ein metallisches Geräusch auf den Pflastersteinen.
"Bastard!", schrie der Kerl, ließ seinen Degen liegen und rammte Rúnar noch einmal. Aber Rúnar war vorbereitet und stemmte sich gegen den Typen, umgriff beide Handgelenke. Seine Sohlen rutschten einige Zentimeter über den Boden. Er war viel schmächtiger, viel schwächer als der Fremde. Er musste ein paar Schritte machen, sonst läge er gleich am Boden. Und noch ein paar Schritte, und noch ein paar Schritte, und er hörte plätscherndes Wasser.
Er nahm seine letzte Kraft zusammen und mit einem Aufschrei schwang er den Kerl zur Seite. Die Welt drehte sich, die Luft blieb wieder weg. Er spürte den Luftzug in seinem Nacken, die steinerne Kante an seinen Schulterblättern. Er rührte sich nicht, ließ die Augen geschlossen. Die Muskeln in seinen Armen und seine ganze linke Körperhälfte brannten. Und dann ließ der Typ ihn einfach liegen.
Gut. Gut. Er musste liegen bleiben, alles andere wäre sein Tod.
Ein Pfeifen und ein darauffolgender Knall ertönten -- noch eine Rakete.
Dann war kurz alles still.
Zu still.
Scheiße.
Rúnar stand wieder auf -- ohne unerträgliche Schmerzen, den Göttern sei Dank -- und rannte zurück zur Gasse, in der er Trevor, seine Harpune und seine Kleidung gelassen hatte. Davor lag der Degen den er dem Fremden eben aus der Hand gekickt hatte. Er hob den ihn auf.
Der Anblick in der Gasse war gut und schlecht: Der eine Kerl war tot, Trevor lebte noch -- aber gleich wahrscheinlich nicht mehr. Mit dem Rücken zu Rúnar stand der Fremde und er hatte Trevor so fest im Griff, dass Rúnar seine rechte Faust über seiner linken Schulter sah.
Rúnar stürzte auf den Kerl zu, packte die Rückseite seines Mantels und stieß ihn nach vorn. Er ächzte, lockerte seinen Griff um Trevors Hals und Rúnar zog ihn nach hinten, zur Seite, schnellte mit der Klinge des Degens auf das Gesicht des anderen zu -- eine Hand am Griff, die andere an der Klinge.
Refexartig packte der Kerl die Klinge und Rúnar drängte ihn nach hinten. "Nein, nein, nein!", rief der Fremde frustriert. Weiter nach hinten. Er konnte nichts tun oder er würde seine Finger verlieren. Weiter nach hinten. Oder wahlweise sein Gesicht.
Der Kerl schrie und hielt sich am Degen fest, als er über die Kante der Kaimauer nach hinten kippte. Rúnar schaffte es gerade noch rechtzeitig, den Degen selbst loszulassen. Er hielt seine blutende Hand von sich weg als er sich auf den Weg zurück in die Gasse machte. "Trevor!" rief und war ein wenig überrascht über die Besorgnis, die in seiner Stimme mitschwang.
Erst jetzt fiel ihm das Rattern auf und er fügte hinzu: "Was ist das für ein Geräusch?"
{ Mit Trevor und jetzt nur noch einem der Kopfgeldjäger in den Gassen | Kopfgeldjäger → Wasser }