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Kapitel 6 - Mondlose Nacht
Crewmitglied der Sphinx
für 545 Gold gesucht
dabei seit May 2019
#88
Schlagartig richtete der Hüne die blau-grünen Augen zur Seite und musterte das braungebrannte Gesicht Luciens. Konnte kaum anders als belustigt zu schnauben und eine der dichten, hellen Augenbrauen hinaufschnellen zu lassen, als der Jüngere die ersten Worte seit Jahren an ihn richtete.  Dieses Ding war eigentlich nicht vielmehr als ein Zahnstocher, wenn sie beide ehrlich waren, und kaum dazu in der Lage auf größere Distanz sonderlich viel Schaden anzurichten. Doch er musste gestehen, dass Lucien Recht behielt: es war besser als jedes Buch. Wenngleich ein kaum so brauchbarer Meinungsverstärker wie die Pistole, die der Betrunkene aus seinem Gürtel friemelte und Ceall damit ein mehr als nur ungutes Gefühl in den Magen pflanzte. Schusswaffen waren unter Alkoholeinfluss noch unberechenbarer als ihre Besitzer.
 
“Was mich betrifft, muss ich dich enttäuschen.“, entgegnete der Hüne und wandte den Blick prüfend zu de Guzmán herum.  
 
Ein tiefes Seufzen entwich seiner Kehle und senkte den beschleunigten Herzschlag unangenehm in seine Eingeweide hinab. Diese Situation war gefährlich und verfahren – beides Dinge, die er so gut es ging vermied. Wo kein Kläger, da kein Richter. Und Ceallagh zog es vor lieber unter dem Radar zu bleiben, um möglichen Verfolgern zu entkommen. Verfolger, die seit Monaten nach ihm suchten und in ihrer Verzweiflung allmählich zu sehr grenzwertigen Mitteln griffen. Was wohl einer der vielen Gründe war, weshalb er überhaupt eine Waffe bei sich trug. Doch wäre er bereits so paranoid diese Angelegenheit, in die er ungewollt hineingeraten war, darauf zurückzuführen? Mitnichten. Ceallagh kannte seine Familie gut genug, um das mit ziemlicher Sicherheit ausschließen zu können.  Und sie hätten auch keinesfalls auf ihn geschossen, um ihn in die Finger zu bekommen. Tot war er ihnen zu gar nichts mehr nütze. Egal wie sehr sie ihn auch hassten.
Doch was sich dem Blondschopf nun eröffnete, als der erste Kugelhagel verstummt war und Luciens Frage wie eine weiße Flagge durch den Raum flatterte, schob den Ausdruck puren Entsetzens auf seine Züge. Zerstörung der Morgenwind? Also doch. Er hatte darauf sein weniges Hab und Gut verwetten können, dass das seltsame Magengefühl bei dieser Nachricht vor wenigen Tagen nicht unbegründet gewesen war. Doch, was ihn nun noch mehr erstaunte war die Tatsache, dass es nicht Lucien war, der hier das Ziel des Kreuzfeuers werden sollte. Sondern jener Knilch, der sich Halt suchend an einem der Tischbeine festklammerte und mit entschlossenem Blick über die Tischkannte späte. Er würde doch jetzt nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, den ersten Schuss zu setzen oder? Mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte Ceallagh den Dunkelhaarigen und presste die Kiefer fest aufeinander. Hoffte dass ihn sein aufflammendes Temperament nicht übermannen würde und sah dabei zu, wie sich das dunkle Braun in tiefes Schwarz verfärbte. Noch bevor er überhaupt die Chance bekam, mit dem Oberkörper voraus zu schnellen und die Hand auf seine Brust zu pressen, erhob sich de Guzmán mit gezücktem Messer von seinem Platz und ließ es unter einem tiefen Grollen auf die Angreifer los. Dieser Vollidiot! Impulskontrolle war wohl absolut nicht sein Ding, oder? Mit einem entnervten Seufzen und kehligem Brummen wandte sich der Blondschopf schlagartig zu Lucien herum. Suchte irgendein Anzeichen eines Plans in seinem Blick und klatschte de Guzmán rügend die flache Hand gegen die Wange, kaum dass dieser mit voller Wucht zwischen sie gefallen war.
 
“Idiot, bist du lebensmüde?”
 
Immer wieder zeichnete sich der mahlende Unterkiefer auf seinen Zügen ab. Die grün-blauen Augen wütend auf Enrique gerichtete, dessen angetrunkener Zustand unweigerlich Schuld daran trug, dass er jegliche Kontrolle verlor. Und dann erhob sich erneuter Lärm über ihren Köpfen. Wenig später ein vorbei hechtender Sylas, dessen Weg durch eines der Fenster nach draußen führte und Ceall mit irritiert zusammengezogen Augenbrauen aufrappeln ließ. War der Kerl mit der großen Schnauze jetzt wirklich getürmt? Was war denn das für ein Weichei? Ganz offensichtlich hatte er sich für sein eigenes Leben entschieden, statt sich für seine Kameraden aufzuopfern. Damit hatte sich wohl die eigentliche Frage geklärte, welche Verbindung er zu seinem kleinen Bruder im Herzen besaß. Nämlich gar keine. Offensichtlich war er nur ein Mitreisender gewesen, der Lucien und seine Leute für einen kurzen Ausflug gebrauchen konnte, sich kurzweilig aufspielte, als wäre er der bekannteste Schurke der Welt und sich verkrümelte, wenn er seine Treue und Manneskraft unter Beweis stellen musste. Ein abfälliges Ts entfloh Ceallaghs Kehle, ehe er sich in der Hocke ein letztes Mal zu Lucien herum wandte und dann ruckartig zur Seite hechtete. Ein Schuss verfehlte knapp seine Schulter und fuhr wie eine Nadel scharf über die Haut. Krachte geräuschvoll in den Holzstuhl in seinem Rücken und zog die hellen Augen kurzweilig auf sich, ehe der Hüne keine Möglichkeit mehr sah, sich aus dieser Situation auf seine übliche Weise heraus zu reden. Einen Augenblick später rannte er bereits seinem Angreifer entgegen, der immer noch hinter dem sicheren Tisch stehen geblieben war und seine kostbare Zeit vergeudete, die Pistole nachzuladen. Rammte ihn mit der unverletzten Schulter zu Boden und nutzte den kurzen Moment der Verwirrung, um den Dolch tief in seiner Kehle zu versenken.  Urplötzlich ertönte lautstarkes Kampfgeschrei im Raum. Ließ den hellen Blick hinauf schnellen und den hoch gewachsenen Körper wie von selbst zur Seite rollen, ehe die schillernde Schneidkante eines Schwertes seinen Kopf traf. Er war eindeutig zu groß für eine Konfrontation diesen Ausmaßes. Lief herum wie eine übergroße Zielscheibe, deren lange Arme hilflos durch die Gegend zappelten und sich gegen keine Waffe der Welt zur Wehr setzen konnten. Mit einem tiefen Brummen rappelte sich Ceallagh auf und musterte den massigen Leib schräg neben sich. Vergeudete nicht die wenige Zeit, die ihm noch für eine adäquate Reaktion blieb und schnellte mit zusammengeballter Faust voraus, um sie dem Fremden gezielt gegen die Niere zu schlagen. Nur knapp entging er beim darauf folgenden Handgemenge der Schwertklinge, die immer wieder nach seinem Kopf schnappte. Spürte den harten Knauf auf seinem Rücken und seiner Schulter und schaffte es mit letzter Mühe den Kerl bewusstlos zu schlagen, ehe dieser seinen frisch gezogenen Dolch tief in seiner Seite versenken konnte. Schwer atmend spürte Ceallagh das schwere Gewicht des Mannes auf seiner Brust. Packte das unter dem Wams hervortretende Leinenhemd und hievte den Körper  kraftvoll zur Seite. Ein weiterer Knall erfüllte die Luft und durchbrach das Klirren der Säbel und das stetig anschwellende Gebrüll. Wieder richtete sich der Lauf einer Pistole auf den jungen Hayes, dessen blau-grüne Augen einen Bruchteil zu spät hinter der Silhouette des Bewusstlosen hervor lugten. Denn dieses Mal verfehlte die Kugel ihr Ziel keineswegs. Bohrte sich unter einem Aufschrei tief in seine bereits verletzte Schulter.

[ In der Kneipe | erst hinter dem Tisch bei Lucien und Enrique | dann mitten in der feindlichen Front ]
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