28.08.2019, 19:17
Natürlich hätte Skadi ihren Ausruf nicht gebraucht, um zu erkennen, wie tief Talin in der Tinte saß. Dennoch war es ein befriedigendes Gefühl gewesen, ihre Panik raus zu lassen. Half ihr in der momentanen Situation nur leider gar nicht weiter. Der Kerl vor ihr forderte ihre ganze Aufmerksamkeit zurück, als er mit seinem Degen mehr Kraft ausübte. Sie wich einen Schritt zurück, damit sie einen besseren Stand hatte, aber der Kerl kam ihr dennoch mit der Waffe näher. Ihren linken Arm hing nutzlos an der Seite herab, obwohl sie ihn zur Verstärkung ihres Griffes hatte nutzen wollen, was ihr mit einem scharfem Schmerz bestraft wurde. Deshalb brauchte sie auch ihre ganze Konzentration, um den Kerl abzuwehren. Ein wenig hätte sie darauf, dass die Kampfgeräusche um sie herum ihn ablenkten, aber er war vollkommen auf sie fixiert. Talin knirschte mit den Zähnen. Wäre es ihr vorher nicht schon bewusst gewesen, so hätte sie spätestens jetzt gewusste, dass die Kerle keine einfachen Dorfbewohner waren, die spontan nicht mehr nett zu ihren Geästen sein wollten. Viel zu organisiert, viel zu konzentriert und offensichtlich kampferprobt. Zu fragen, was sie von ihnen wollten, würde mit Sicherheit nichts bringen. Denn die Wahrscheinlichkeit eine Antwort zu bekommen, war gering und in ihrem alkoholbenebelten Kopf konnte sie sich auch denken, was sie wollten. Allerdings musste die Blonde ihn irgendwie hinhalten, hoffen das ihn das ein wenig ablenkte, sonst würde er sie ganz leicht besiegen, wenn nicht sogar töten.
„Was wollt ihr?“, fragte sie Zähne knirschend. „Wir haben kaum Geld und bringen vermutlich noch weniger ein.“
Sie wünschte, sie hätte ihm so etwas wie ein Bösewichtlachen entlockt, damit er ihr dann den großen Plan verriet. Stattdessen sah er sie aus hellen Augen einfach nur an, legte noch mehr Gewicht in seine Waffe, sodass Talin ihren Körper wieder ausbalancieren musste, wollte sie nicht von seinem Degen getroffen werden.
Sein Schweigen hielt an und das Mädchen traute sich nicht ihn noch einmal anzusprechen. Unterbrochen wurde die Stille nur von Kampfgeräuschen, die auch ihren Angreifer das erste Mal zu verunsichern schienen. Sein Blick huschte erst an Talin vorbei und starrte in die Gasse hinter ihr, bevor er versuchte zu erkennen, was hinter ihm selbst geschah. Die Blonde wollte instinktiv angreifen und seine Unaufmerksamkeit ausnutzen, aber sie wusste selbst, dass sie es nicht schaffen würde, ihn zu besiegen. Sie brauchte eine größere Ablenkung, brauchte Rückendeckung. Und als hätte jemand ihre Gedanken gelesen, verstummten die Geräusche hinter ihrem Gegner. Talin warf einen flüchtigen Blick hin und erkannte, dass es Skadi war, die die Auseinandersetzung überlebt hatte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Es dauerte endlose Sekunden, als die andere Frau den Kerl ansprach. Vollkommen überrascht – anscheinend hatte er fest mit dem Sieg seines Kumpels gerechnet – drehte er den Kopf in Richtung der Brünetten und schaute in einen Pistolenlauf. Völlig verwirrt minderte er den Druck, den er auf Talin ausübte, sodass sie mit einer Drehung seiner Waffe entkam, ihn dadurch leicht nach vorn stolpern ließ, und ihren Degen in seinen Hals stach. Es war nur ein Röcheln zu hören und sie erntete einen ungläubigen Blick.
Da sie ihren Arm nicht benutzen konnte, um die Waffe aus dem Sterbenden zu ziehen, drückte sie ihn zu Boden, stellte ihren Fuß auf seinen Oberschenkel und zog kräftig. Das schmatzende Geräusch, das dadurch entstand, ließ ihren Magen sich umdrehen. Der Zusatz, das ihr Arm pochte und Blut daran herabfloss, machte es nicht besser. Ohne ihre Waffe zu säubern, steckte sie den Degen wieder in die Schlaufe an ihrer Hüfte und sah dann zu Skadi auf. Auf sie sah ein bisschen grün um die Nasenspitze aus.
„Na das lief doch erstaunlich...“ Neben ihr ertönte noch einmal ein Röcheln und Gurgeln, gefolgt von einem Husten, dann war es still. Doch die Geräusche waren in dem Moment zu viel. Talin hechtete in die Seitengasse zurück und übergab sich an eine der Hauswände gelehnt.
[mit Skadi in einer Seitengasse]