18.08.2019, 20:09
Weder ein ‚Ja‘ noch ein ‚Nein‘ hätte ihn in diesem Augenblick wirklich überrascht. Wenn er eines bei dieser Unterhaltung gelernt hatte, dann, dass Shanayas Familie offenbar alles zuzutrauen war, was irgendwie in die sozialinkompetente Schiene passte. Der Lockenkopf presste die Lippen etwas fester aufeinander, bedachte die Kiste, die er nach oben hievte und musste sich unweigerlich glücklich schätzen, wie gut er es familiär eigentlich getroffen hatte. Dass die Dunkelhaarige schwieg, nahm der Lockenkopf nicht wirklich als negativ war, nicht als Zögern, was sie ihm erzählen konnte und was nicht. Das Thema, was sie hier unten unter Deck gefunden hatten, war alles andere als ein angenehmes oder leichtes – für Shanaya weniger als für ihn. Für ihn war es in erster Linie eher ungewohnt, die farblosen, rauen Pfeiler hinter der sonst so aufgedrehten Fassade zu erblicken, mit denen er noch nicht so recht umzugehen wusste. Shanaya war niemand, der gerne über ihre Probleme sprach – so viel Einschätzungsvermögen besaß er dann doch. Doch das bedeutete noch lange nicht, dass es ihr gut tat, es in sich zu verschließen, als würde es nicht existieren. Irgendwann fand sie schließlich doch die Worte für eine Antwort. Von der Seite her warf ihr der Musiker einen nichtssagenden Blick zu und schwieg nun seinerseits für einen Moment.
„Es sind nicht alle Familien so.“, verließ es schließlich seine Lippen, obwohl er keinerlei Grund hatte, für irgendetwas Rechenschaft abzulegen.
Und doch ahnte er, dass bei Shanaya nicht mehr als eine leere Floskel ankommen würde. Sie kannte es nicht anders, hatte womöglich nie erlebt, was es bedeutete, Rückhalt zu haben – egal, wie schwer die Zeiten waren.
„Manchmal muss man sie sich nur einfach selbst aussuchen.“ Die Fortsetzung nahm seinem ersten Satz ein wenig die Schwere und auch das Lächeln auf den Zügen des Älteren wurde zuversichtlicher, vielsagender. Für ihn hatte Familie nicht zwanghaft etwas mit Blutsverwandtschaft zu tun. Familie war das, was man gerne um sich hatte. Die Menschen, auf die man sich verlassen konnte. „Und was den Ehemann betrifft, fürchte ich, dass es vermutlich eher andersherum gelaufen wäre.“
Der Ernst wich ein wenig aus seinen Zügen, als er Shanaya kurz freundschaftlich und aufmunternd anrempelte und schließlich ein kleineres Fass neben ihr vom Boden auflas. Dabei musste er nicht einmal wissen, um wen es sich bei dem Vorschlag der Herrschaften Árashi gehandelt hätte.