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Land of all
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Feb 2016
#2
Als Farmer war Greo erfahren im Umgang mit Vieh. Als Seemann war er erfahren im Angeln. Als Naturmensch aus einem Land voller Ungetüme war er erfahren darin diverse Fallen zu stellen, vorsichtig zu beobachten und auf kleine Zeichen zu achten. Aber er nie mit Schusswaffen gejagt und interessiert beobachtete er die Abläufe und versuchte sich einzuprägen, worauf Skadi achtete. Wo sie das wohl gelernt hatte?
Ruhig und gefasst, aber mit einem kleinen Flirren im Kehlkopf, verfolgte er sie, setzte seine Füße sorgsam auf und versuchte nirgends anzuecken. Irgendwann merkte er, dass er den Atem anhielt, als sie das Ziel genauer ins Visier nahm. Es musste jahrelange Übung kosten, um den richtigen Moment abzupassen, der die tödliche Spitze schließlich das zielsicher treffen ließ. Anerkennend zog er die Brauen hoch, schürzte die Lippen und wartete den dumpfen Laut ab, als die Beute zu Boden ging. Stöbernd wagte er sich nun an Skadis Seite und lief leise zu dem Ort, wo er das Opfer der Jagd vermutete.

„Hut ab.“, meinte er immer noch mit gedämpfter Stimme, „Kurz und schmerzlos, wenn man so will.“

Zweifelsohne war sie in der Lage die Geschichte auch schmerzhafter für ihr Zielobjekt zu gestalten. Aber das hatte dann vermutlich eher Kriegsstrategie und weniger mit Jagd für Nahrung zu tun. Zumindest hoffte er, dass sie niemand war, der ein Tier lang quälte.

„Wie lange hat es gedauert, das zu erlernen?“
Skadi blieb wie angewurzelt an ihrem Fleck und rührte sich nicht. Hörte in die Stille hinein, als erwartete sie eine Kettenreaktion sondergleichen. Doch außer der Dunkelheit antwortete ihr nichts. Erst als Greo sich hinter ihr zu regen begann, ließen die langen Arme den Bogen hinab gleiten. Entspannten sich unter dem dunklen Timbre seiner Stimme, die erst neben ihr aufkam und dann voraus eilte. Mit langsamen Schritten folgte sie dem hoch gewachsenen Mann und schob sich sorgsam den Bogen zurück auf den Oberkörper. Für heute beließ sie es bei diesem einmaligen Schuss und würde sich erst wieder mit Pfeil und Bogen in den Wald schleichen, wenn sie die Gegend ausreichend erkundete hatte. Außerhalb Trithêns kannte sie die raue Natur nicht. Niemand konnte ihr sagen, ob es da nicht noch Wesen gab, die ihr das Stopfen der Mäuler mehr als nur übel nahmen. Irgendwie ärgerte sie sich auch, dass sie einfach ihrem Automatismus gefolgt war, anstatt ruhig abzuwarten, bis die Luft rein genug war.
Ein kurzer Seitenblick galt Greos Silhouette, die sie im Augenwinkel ausmachen konnte, kaum dass sie aufgeholt hatte. Folgte ihm schweigend, ehe sie tief Luft holte und nickte.
“Ich jage Tiere zum Überleben…“
Ganz anders verhielt es sich mit Schwerverbrechern, die unumstößliche Tabus brachen. Bei denen genoss sie es regelrecht. Konnte das eiskalte Lächeln in ihren Mundwinkeln zucken spüren, während sie zum Rächer der Schwachen wurde.

“…nicht aus Vergnügen.“
Mit ausgestrecktem Arm schob Skadi wieder einmal einen Ast zur Seite und suchte mit gesenktem Kopf den Waldboden nach dem schweren Vogelkörper ab. Sie war immer noch gespannt, was sie dort niedergestreckt hatte. Hatte bereits einige wilde Vermutungen, die sie vorab jedoch allesamt für sich behielt.

“Ich habe als kleines Mädchen meine Ausbildung angefangen.“, sprach sie leise flüsternd  fort und sah dann über die Schulter zu Greo hinauf.
“… war eine sehr harte Schule. Aber von nichts kommt nichts.“
Beinahe andächtig wagte er es die Finger auszustrecken und über das Gefieder des erlegten Vogels zu streichen. Es war von dunklem Anthrazit, an manchen Stellen schwarz und stellte sich im Nacken zu einem bauschigen, dramatischen Schopf auf. Der Kopf des Vogels war beinahe kahl und er hatte einen langen, dünnen, rötlichen Schnabel. Schön war er nicht. Aber er war etwa von der Größe eines stattlichen Huhns und versprach eine gute Mahlzeit. Die Statur erinnerte Greo an exotische, große und heilige Vögel aus fernen Landen. Dort war es verboten, sie zu jagen. Ob sie damit hier einen Fauxpas begannen hatten?
Aufmerksam lauschte er in die Dämmerung, konnte aber keine direkten Beobachter ausmachen. Also wandte er sich mit angestrengtem Blick wieder dem Vogel zu und versuchte sich einzuprägen, wie sie ihn getroffen hatte – was bei den dunklen Federn in der Finsternis nicht einfach war.
Während er das Tier an den Füßen vom Boden hob und den Pfeil vorsichtig entfernte, nickte er. Es war in Ordnung ein Lebewesen als Nahrung zu erlegen, aber eine diebische Freude daran konnte Greo auch nicht empfinden.

„Harte Schule?“, fragte er abwesend und hielt die Beute in die Höhe. Dann reichte er ihr den Pfeil. „Widrige Bedingungen und strenge Lehrmeister?“
Eine Hand breit blieb sie hinter ihm stehen, den Blick schweigend auf seine Gestalt gerichtet, die dem Vogel sanft über das dunkle Gefieder strich. Irgendetwas an seiner Haltung, der Art wie er dem toten Tier begegnete und ebenso der darauffolgende, prüfende Blick auf seine Umgebung, kamen ihr vertraut vor. Als beobachtete sie nicht irgendeinen Fremden, von dem sie ebenso wenig wusste, wie er von ihr. Für einen kurzen Wimpernschlag hatte sie das Gesicht ihres Bruders vor Augen. Die dunklen, braunen Augenpaare, die aufmerksam durch das dichte Blattwerk lugten, ehe er mit Katzen gleichen Schritten voraus ging.
Skadi nickte knapp auf Greos Worte. Folgte seinen Bewegungen aus wachsamen Iriden und musterte ein weiteres Mal den Vogel, dessen Körper Kopf über von den langen Fingern des Älteren hinab hing. Blieb abzuwarten ob das zugegeben eher dämonisch aussehende Tier überhaupt genießbar war. Allerdings war das weder Greos noch ihr eigenes Problem. Damit würde sich Rayon befassen müssen.
“Strenge Lehrmeister und große Verantwortung.“, korrigierte die Dunkelhaarige den Hünen daraufhin leise und nahm den Pfeil mit ausgestreckten Fingern entgegen. Verstaute ihn kurzerhand wieder in ihrem Köcher und richtete ihre Augen eine Weile schweigend auf die hoch gewachsene Silhouette.
“… aber ich glaube, dass ich da wohl nicht die Einzige bin.“ Fast konnte man den Hauch eines Lächelns in ihrer Stimme vernehmen. Ein aufrichtiges, wissendes Lächeln, das nur schwer in ihren Mundwinkeln haften blieb.
Tief einatmend kam der schmale Körper wieder in Bewegung. Schlich bemüht lautlos an Greos Seite und signalisierte ihm unmissverständlich, dass sie ihren Spaziergang durch das Unterholz fortsetzen würde.
Da er bisher lediglich das Schlachten von Vieh auf dem Hof gewohnt war und es auf der Farm üblich war Geflügel direkt vor Ort zu verarbeiten, war er nicht ganz sicher, wie er mit dem Vogel verfahren sollte. Er ließ ihn schlicht etwas ausbluten, befestigte ein Band um die Läufe und schwang ihn sich möglichst sanft über die Schulter. Er wollte nicht mehr Geräusche als nötig verursachen.
„Vermutlich nicht.“, erwiderte er währenddessen schlicht auf Skadis Antwort und blickte sie mit klaren Augen an. Was sie sagte schien aufrichtig, aber ein wenig vage. Er konnte es ihr nicht verübeln. Sie kannten sich nicht und da rücke er schließlich auch nicht mit zu viel Infos raus. Was das wohl für eine Verantwortung war? Vielleicht die Versorgung der Familie. Das konnte er sich zumindest gut vorstellen. Ohne ein weiteres Wort nickte er und schloss sich zu einem weiteren Erkundungsgang, an. Zwischendurch raschelte es. Die Finsternis legte sich schwerer auf sie und drückte schier auf die Augen. Greo fragte sich für eine Sekunde, ob Skadi vielleicht einer Katze gleich im Dunkeln sehen konnte und verwarf den Gedanken wieder. Das war zu abstrus. Allerdings… wäre es für eine Jägerin wahrscheinlich praktisch gewesen. „Was jagst du am häufigsten?“, fragte er mit tiefer, gesenkter Stimme und spürte den Leib des Vogels zwischen seinen Schulterblättern herumwippen. Indirekt spielte er damit auf ihre Heimatinsel an. Was das wohl für eine war?
Es tat gut eine Weile schweigend durch das Unterholz zu laufen. Sich nur auf den Weg vor ihnen zu konzentrieren und den Geräuschen des Waldes unbedarft zu lauschen, die sich immer wieder hinter einem Busch erhoben und verschwanden. Greos Gesellschaft fühlte sich erstaunlich "normal" und angenehm an. Womöglich weil er nicht darauf erpicht war seinen Gegenüber mit Fragen zu löchern oder ihm seine eigene Geschichten aufzwingen. Skadi vermutete, dass er einer dieser Menschen war, der sehr gut mit sich allein zurecht kam. Der die Ruhe und Abgeschiedenheit durchaus genoss und sich nicht permanent mit dem Chaos einer Gruppe umgeben musste.
Erst als seine Stimme sich leise in ihrem Rücken erhob, wandten sich die dunklen Augenpaare von ihrer Umgebung ab und lugten über die schmale Schulter zurück. Offensichtlich hatte sie mit ihrem Fang, der leblos über seiner Schulter lag, seine Neugierde geweckt. "Du meinst vor der Zeit auf der Morgenwind?" Worauf sollte er sich auch sonst beziehen? Es war abstrus zu glauben, dass er das dritte Auge besaß und tief in ihre Seele hinein blicken konnte. Ihr ansah, dass sie in den letzten Jahren dazu übergegangen war, Menschen statt Tiere zu jagen. Nicht etwa, weil sie einen unstillbaren Blutdurst besaß, sondern es ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit entsprach. Und sie damit nicht nur ihre Familie rächte, sondern auch jene schützte, die sich nicht gegen die Masse und Kraft eines Mannes behaupten konnten.
"Hauptsächlich diverse Hirscharten und Böcke. Unter anderem auch Schweine, Riesenhörnchen und Hühnervögel."
Allmählich verlangsamte sie ihren Schritt und hielt auf einen dicken Baumstamm zu, der seltsam unter dem diffusen Licht unterhalb des Baumkrone schimmerte. "In absoluten Ausnahmefällen auch Affen und Schlangen." Vor allem letztere hatten nur dann zu ihren Mahlzeiten gehört, wenn sie wochenlang für Trainingszwecke im Wald unterwegs gewesen waren und nicht zu den Rindern und Ziegen zurückkehren konnte, die im Dorf gehalten wurden.
"Ihr habt eure Tiere wohl eher gezüchtet als gejagt oder?" Mit einem letzten Blick auf Greos kantige Züge verließ ein mattes Schmunzeln ihre Lippen. Ihr war die Schafsschere an seiner Hüfte nicht entgangen, als sie ihn das erste Mal aus der Entfernung beobachtet hatte. Es war also nahe liegend, dass er irgendwo groß geworden sein könnte, wo es nicht notwendig gewesen war mit Pfeil und Bogen durch das Unterholz zu hetzen. Und dass er mit Tieren umzugehen wusste - ob tot oder lebendigt – hatte er sowohl bereits auf der Sphinx, als auch mit dem seltsamen Vogel über seiner Schulter bewiesen.
Wenn Greo nicht redete, waberten seine Gedanken unbestimmt von einem Ohr zum anderen. Dann kam er gerne mal vom Hölzchen aufs Stöckchen und landete schließlich nach dem Ursprungsthema bei sauren Gurken oder Holzlasuren. Um sich davor zu bewahren, konzentrierte er sich mehr als sonst auf seine Schritte und versuchte so was, wie eine Konversation aufrecht zu erhalten. Auf ihre Rückfrage hin gab er dennoch erst einmal nur ein einfaches Geräusch der Zustimmung von sich und schob vorsichtig ein paar Äste beiseite. Er konnte nicht ahnen, was ihr so im Kopf vorging und dass ihre Pfeilspitzen sich nicht nur auf die Herzen von Tieren, sondern auch auf die von Menschen richteten. Vermutlich war es besser, dass er das nicht wusste – seine doch eher pazifistische Natur hätte ordentlich den Nacken gesträubt.
„Riesenhörnchen?“, fragte er und runzelte die Stirn. Unter dem Begriff konnte er sich nichts vorstellen. Schlangen waren allerdings etwas, womit er wirklich etwas anfangen konnte und er genoss das Gefühl von Vertrautheit, das die Bilder der geschuppten Tiere in ihm auslösten. Er lächelte milde. „Weitestgehend, ja. Vor allem Schafe. Wir jagen eher, wenn irgendwas Ärger macht. Schlangen zum Beispiel. Krokodile. Spinnen in der Größe von Kindsköpfen, die irgendwo im Zimmer lauern.“, berichtete er, als sei das selbstverständlich. „Du bist rumgekommen.“, stellte er dann unvermittelt fest und strich mit den Fingern über die Borke des Baumstammes, bevor er sich hinüberschwang.
Skadi überlegte kurz wie sie ihm die Form des Tieres beschreiben sollte, ohne es mit anderen Nagern zu vergleichen, die ihm eventuell ebenso wenig ein Begriff waren. Seit ihrer Zeit bei der Marine war ihr klar geworden, dass ein Großteil der Flora und Fauna ihrer Heimat nirgendwo außerhalb Trithêns existierte. Und dass es ebenso vieles gab, was sie noch nicht kannte. Wie den Vogel über Greos Schulter und dessen dunkles Gefieder sie einen Moment musterte, als die den Kopf zurück wandte und sich im Gehen auf den Ballen drehte. “Du kannst sie dir wie riesige Ratten vorstellen. Mit weichem Fell und einem langen buschigen Schwanz.“ Das passte irgendwie noch am besten in das Bild, das sie für ihn zu malen begann und in einer kurzen Abschätzung der Größenverhältnisse die Hände vor den Körper hielt. Automatisch blieb sie stehen, um nicht blind über herausschauendes Wurzelwerk zu stolpern. Und erst als sie ihrerseits den Blick auf Greos Züge hob und ihm eine Gegenfrage stellte, wandte sie sich dem Baumstamm zu. Drückte sich in einer fließenden Bewegung ab und schwang den Körper auf die andere Seite.
“So groß wie Kindsköpfe?“
Sichtlich fasziniert war die Dunkelhaarige auf der anderen Seite stehen geblieben und blickte dem Hünen mit schief gelegtem Kopf entgegen. Sie selbst war einiges Getier in abnormalen Größen und Formen gewohnt - doch das wohl gefährlichste das sie kannte war klein und farbintensiv. Und Spinnen zählten nicht dazu. Genauso wenig Krokodile, mit denen auch sie die ein oder andere unliebsame Begegnung gemacht hatte. Lästige Biester. Seinen Kommentar allerdings ließ sie hörbar in der Dunkelheit schmunzeln. “Das meiste kenne ich eher aus der Heimat.“, gab sie leise flüsternd zu und ließ die Augen auf den Baumstamm zurück gleiten, dessen Glitzern irgendeine Assoziation bei ihr auslöste. Doch irgendwie konnte sie es nicht greifen. Spürte nur ein dumpfes Drücken in ihrer Magengegend. “Ich glaube die meisten Soldaten hätten Reiß aus genommen, wäre ihnen ein Jaguar vor die Füße gelaufen.“ Was die Lebenschance definitiv erhöht hätte, sofern sie zu dem Zeitpunkt überhaupt existent gewesen wäre. Fast schon beiläufig lief sie auf Greo zu, kaum dass dieser über den Baumstumpf hinwegsetzte und zum Stehen kam. Ging neben ihm wortlos in die Hocke, um die Fingerspitzen über die schimmernde Spur auf der Rinde zu führen. Stocherte mit zusammengezogenen Augenbrauen fieberhaft in ihren Erinnerungen und hielt dann Daumen und Zeigefinger in das sperrliche Licht über ihrem Kopf. Rieb die Fingerkuppen aneinander und spürte das plötzliche Kribbeln in ihrem Nacken. Irgendwas stimmte hier nicht.
Sein Hirn verknotete sich ein wenig bei der Vorstellung, die sie mit ihrer Erklärung zu Riesenhörnchen zeichnete und er gab ein grunzendes Geräusch von sich, was so was wie ein unterdrücktes Lachen war. Ratten waren ihm durchaus ein Begriff und ihre Beschreibung klang putzig, doch nur, weil etwas nett aussah, war es das nicht unbedingt. Das wiederum wäre eine treffende Beschreibung für alles Lebende auf seiner Heimatinsel Elanora gewesen. Die Menschen eingeschlossen. Ihre Rückfrage quittierte er mit einem Schulterzucken „Ja, Kindsköpfe. Groß halt. Und angriffslustig.“ Seine Mimik verzog sich etwas. Kindsköpfe und „angriffslustig“ in einen Zusammenhang zu setzen war zu merkwürdig. Also schwieg er zu diesem Thema lieber wieder.
Er folgte Skadis Bewegungen mit dem Blick und überlegte, ob er noch eine Frage zu ihrer Heimat stellen sollte oder was ein Jaguar war – aber ihre Reaktion auf den Baumstamm erstickte dieses Bedürfnis im Keim. Er würde sich das für später aufheben müssen. Plötzlich wieder für die Umgebung sensibilisiert, sah er sich alarmiert um und sank sehr vorsichtig ebenfalls in eine Hockposition. Ohne die Umrisse um sich aus den Augen zu lassen, fragte er gedämpft: „Was ist los? Spürst du was?“
Sie hörte das leise Rascheln seiner Hosenbeine, hielt ihren Blick allerdings weiterhin skeptisch auf das schimmernde Sekret an ihren Fingerkuppen gerichtet. Es war erstaunlich wie aufmerksam er ihre Reaktion wahrnahm und sich augenblicklich darauf einzustellen verstand. Eine wirklich angenehme Abenteuergesellschaft, wenn man davon ausgehen musste auf nahezu alles vorbereitet zu sein. Mit einem tiefen Atemzug wandte sie langsam den dunklen Schopf in seine Richtung, ließ die Augen an seinem Profil vorbei in die dunklen Schatten des Waldes huschen und sprach so leise und deutlich wie nur irgend möglich. “Das ist Blut, Greo.“
Etliche Herzschläge verharrte sie in ihrer Position. Lauschte den Geräuschen des Waldes und wartete auf ein Rascheln, Knacken oder Schnauben. Doch nichts davon mischte sich in die ruhige Kulisse um sie herum. “Sogar noch ziemlich frisches.“ Allerdings konnte sie kaum sagen, ob es ein Tier oder ein Mensch gewesen war und warum und wie lange das Blut bereits an der Rinde klebte. Die Blutmenge war zu gering und die Nacht unter dem dichten Blattwerk zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen. Skadi konnte nur hoffen, dass es kein Raubtier war. Andernfalls konnte sie nur noch beten ein Zusammentreffen ohne komplizierte oder schwerwiegende Verletzungen zu überleben. “Wir sollten vorsichtig sein, wenn wir weitergehen.“ Eine Maßnahme, die sie womöglich nicht einmal in Worte fassen musste. Der Ältere erschien ihr clever genug, um zu selbigem Entschluss gekommen zu sein. Doch lieber ging sie auf Nummer sicher, ehe sie sich wenige Augenblicke  später wieder aufrichtete und mit einem Pfeil in der Hand voraus ging. Lieber bildete sie die schützende Vorhut als den Hünen in eine gefährliche Situation zu manövrieren.
Konzentriert sprang sein Blick von ihrem linken zum rechten Auge, während er ihrer Diagnose lauschte. Er fuhr sich mit der Zunge im geschlossenen Mund über die Zähne und überlegte kurz. Die erste Frage, die ihm durch den Kopf ging, beantwortete sie ad hoc. Wenn es relativ frisch war, konnte das betroffene Lebewesen ja eigentlich nicht zu weit sein. Und der Jäger – falls es sich nicht irgendwo anderweitig verletzt hatte – auch. Andererseits kannte er die Wesen hier nicht und er wusste schon, was für ein Tempo und welche Kraft sie an den Tag legten. Unwillkürlich schaute er prüfend zum Boden, als ob er eine Lache ausfindig machen konnte, aber das war zwecklos. Auf ihre Worte hin entschloss er sich nun doch dazu seine Schere zum Schafscheren zu ziehen. Die Klingen waren lang und sehr spitz, die Schneideflächen stets geschärft. Sie waren nicht als Waffen vorgesehen, aber Greo wusste, dass sie genauso gut wie Messer verwendbar waren. Ohne Einspruch zu erheben schloss er sich ihr an. Sie war die Jägerin, sie würde auf ganz andere Zeichen achten als er, der gerade mal Erfahrung in der Treibjagd auf Füchse oder schreckbares Geflügel hatte. Und er rechnete nicht damit einem Tier zu begegnen, dass wie in seiner Heimat war. Leicht geduckt folgte er ihr, diesmal aus Sicherheitsgründen etwas dichter, aber immer noch mit genug Abstand, dass sie sich nicht bei einem plötzlichen Angriff allzu sehr in die Quere kommen würden. Lautlos hob er den Arm und deutete über ihre rechte Schulter hinweg schräg ins Gebüsch. Hatte ihm das Lichtspiel einen Streicht gespielt, oder war das Flackern die Bewegung von etwas gewesen?
Greo bewaffnete sich. Skadi bemerkte es nur beiläufig, während sie versucht lautlos an ihm vorbei schlich und die Vorhut bildete. Letztlich war es sein eigenes Pech, wenn er sich nicht ausreichend um seine Sicherheit kümmerte – wenngleich sie ihm zu Hilfe kam, sollte die Situation ungewollt brenzlig werden oder gar ausarten. Sie waren auf fremdem Grund und Boden und hatten mit allem zu rechnen. Ob es die Nordskov also irgendwie erleichterte, dass er diese Angelegenheit ernst nahm? Zumindest sprach es in ihren Augen für einen wachen und logischen Verstand, dem sie durchaus etwas Positives abgewinnen konnte – war er ihrem schließlich nicht unähnlich. Für weitere Überlegungen war letztlich keine Konzentration mehr übrig und der Gedanke daran ebenso schnell verpufft wie ihr intensiver Blickkontakt.
Schweigend und mit angespannten Muskeln schlichen die beiden somit durchs Unterholz. Machten kaum einen Laut in der tiefschwarzen Nacht, die sich sonderbar drückend ausbreitete und als eisiger Nebel über den Boden glitt. Skadi hielt abrupt inne, als sie Greos Hand in ihrem Augenwinkel bemerkte. Wandte den verengten Blick aus dunkelbraunen Augen auf die gezeigte Richtung und lehnte sich schon fast automatisch zur Seite. Spürte die Wärme seines Armes an ihrem Gesicht während sie darunter hinab tauchte und ihm wortlos zwei Finger in die Luft hielt. Der Bogen lag nach wie vor einsatzbereit in ihrer Hand. Der Pfeil sicher daran gelehnt und mit einem Finger am Zentrum fixiert.
Doch was sich Skadi mit jedem weiteren Schritt eröffnete, ließ sie die dichten, dunklen Brauen zusammenfahren. Erst war es ein einnehmendes Knistern, das sich unter ihre Schritte mischte, aber weder von ihr selbst, noch von Greo zu stammen schien. Und erst als sie den Busch erreichte und durch die vereinzelten Zweige hindurch spähen konnte, erkannte sie das leichte Flackern, das dem Hünen aufgefallen sein musste. Ein Lagerfeuer. Darum vereinzelte Silhouetten, deren verschwommene Umrisse stetig das blasse Licht unterbrachen.
Nur an der Stimmfarbe vermutete die Nordskov, dass es Männer waren. Erkannte in geduckter Haltung drei von ihnen direkt am Feuer und vermutete einen vierten irgendwo weit hinter der kleinen Gruppe im Gebüsch. Immer wieder wandten sich die Blicke in jene Richtung herum und verzerrten das Gespräch, das über die weite Distanz kaum zu vernehmen war. Skadi selbst war nicht sonderlich erpicht darauf den Fremden näher zu kommen. Alles in ihr schrie danach das Weite zu suchen, solange sie die Möglichkeit dazu hatte. Wie es um Greo bestellt war, ergründete sie mit einem intensiven Blick über ihre Schulter. Versuchte das kantige Gesicht des Älteren im Dunkeln zu erkennen und bedeutete ihm mit einem lautlosen Kopfschütteln, dass ihr diese Situation definitiv nicht behagte.
Er wusste nicht einzuschätzen, ob sie wirklich furchtlos war, oder das nur gut verbarg. Obwohl er selbst niemand war, der es gerne auf gefährliche Situationen anlegte, zollte er ihr Respekt dafür, dass sie die Initiative ergriff und vorausging. Aktivität ist gut, dachte Greo, Passivität ist gefährlich. Sie konnten noch nicht ahnen, worauf sie sich zubewegten. Es war riskant. Aber vielleicht würden sie herausfinden, was das Blut auf dem Stamm hinterlassen hatte.
Greo neigte leicht das Kinn, als sie ihm mit zwei Fingern ein Zeichen gab und spürte eine Gänsehaut über seine Arme aufflammen. Da war also wirklich etwas gewesen. Behutsam duckte er sich und versteinerte zu einem Felsen. Lediglich sein Blinzeln verriet, dass er keine Statue war, während er ihr erst einmal nachsah, wie sie sich anpirschte. Weiche, behutsame Bewegungen.
Erst wagte er keine Regung. Er fürchtete in einem unbedachten Moment auf etwas zu treten, was sie verraten würde. Minutiös begann er sich voranzuschieben und etwas zu der Frau aufzuschließen, bis er etwas ein, zwei Meter hinter ihr erneut verweilt und an ihr vorbei einen schmalen Streifen Szene entdeckte. Viel war es nicht, was er sah. Und als sich Skadi umwandte, konnte er außer einem sanften Schein um ihren Schopf nicht viel von ihrer Mimik sehen, die in tiefe Schatten getaucht war. Aber ihr Kopfschütteln sagte ihm genug. Er presste die Kiefer aufeinander, die Augen geweitet, die Nasenflügel bebend. Eine Gruppe fremder Männer irgendwo im Nirgendwo musste nicht direkt eine tödliche Katastrophe bedeuten. Aber das letzte Mal, dass er offenherzig auf Fremde zugetreten war, hatte er nicht in guter Erinnerung. Er nickte zaghaft und zog sich unauffällig zurück: langsam und vorsichtig. Jeder Krümel am Boden schien sich in seine Fußsohlen zu drücken, jeder Halm kitzelte ihn nicht nur, sondern kratzte ihn scharf an der Haut. Alle seine Sinne liefen auf Hochtouren.
Einer der Männer am Feuer war aufgestanden und rief etwas zu der Person, die sich irgendwo entfernt befinden musste. Jemand lachte und es raschelte. Greo befürchtete hinter dem Feuer den Kopf eines Hundes aufmerksam in die Höhe schnellen zu sehen und hoffte sehr, dass das nur eine Täuschung war. Lautlos formten seine Lippen das Wort: Hund. Die Haut um Gesicht und Ohren kribbelte ihm.
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Nachrichten in diesem Thema
Land of all - von Skadi Nordskov - 23.05.2019, 22:49
RE: Land of all - von Greo - 13.08.2019, 16:13
RE: Land of all - von Skadi Nordskov - 22.09.2019, 17:42
RE: Land of all - von Greo - 12.01.2020, 14:43

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