11.08.2019, 18:08
Letzten Endes wich sie seinem Blick doch wieder aus und Lucien konnte nur raten, weshalb ihr dieses Mal die Kraft dazu fehlte, ihn direkt anzusehen. Sie nickte, doch ob sie ihm wirklich glaubte, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Vertraute sie wirklich so sehr auf die Fähigkeiten ihres Bruders, sie zu finden und zurück zu holen? Sodass sie die Hoffnung aufgab, jemand könnte ihn davon abhalten? Oder fehlte ihr nur das Vertrauen in die Aufrichtigkeit des Dunkelhaarigen? Wenn es so war, konnte er ihr das nicht einmal übel nehmen. Sie kannten einander nicht lange genug. Und Vertrauen war nichts, was einer von ihnen leichtfertig verschenkte. Loyalität, ja. Aber Vertrauen?
Lucien hielt sie nicht zurück, als die Schwarzhaarige sich aus seiner Berührung löste und Anstalten machte, die nächste Stufe zu erklimmen, stieß nur leise die Luft aus und schwieg über diese Entscheidung. Doch auf halber Strecke überlegte sie es sich anders, brachte ihn dazu, erneut inne zu halten, als er schon halb dazu ansetzte, weiter zu gehen. Für ein, zwei Herzschläge erschien ein fragender Ausdruck in den tiefgrünen Augen. Dann kam sie plötzlich zu ihm zurück, zögerte nur kurz... bevor sie sich an ihn lehnte und ihn küsste.
Keinen Moment lang hatte er damit gerechnet. Nicht, nachdem sie ihm wortlos ausgewichen war. Doch einen Sekundenbruchteil später überwand er dieses Gefühl, wurde weich. Er schloss die Augen, erwiderte den Kuss unendlich sanft und hob die Hand wieder, die gerade noch an ihrer Wange gelegen hatte. Viel zärtlicher, als man es von ihm gewohnt war, vergrub er die Finger in ihrem dunklen Haar, während er den anderen Arm um ihre Taille legte und sie vorsichtig an sich zog. Sein Herz schlug schneller, trug milde Wärme durch seine Adern. Nicht so gierig wie damals an diesem Bergsee, sondern ruhiger, weniger fordernd. Was er empfand, war nicht weniger als ehrliche Zuneigung. Und keine Sekunde lang dachte er darüber nach, was für Konsequenzen das haben konnte. Nicht in diesem Augenblick.
Endlose Sekunden später löste Lucien den Kuss langsam, ließ die Schwarzhaarige aber nicht los. Seine Finger glitten sanft durch ihr Haar und die tiefgrünen Augen suchten ihren Blick. Auf seinen Lippen lag ein kleines Lächeln.
„Ein einfaches 'Danke' hätte es wahrscheinlich auch getan...“
Noch einmal strichen seine Finger durch ihr Haar, schoben eine verirrte Strähne hinter ihr Ohr. Und da sie jetzt wahrscheinlich weich genug geklopft war, um keinen Widerstand mehr zu leisten, griff er ohne Vorwarnung unter ihre Beine und hob sie kurzerhand auf seine Arme.
„Und jetzt wird es Zeit, dass du dich hinlegst.“