09.07.2019, 11:11
Ausnahmsweise verkniff er sich das Schmunzeln über ihren wenig begeisterten Gesichtsausdruck. Die Farbe ihrer Haut verstärkte seine Sorge und ganz allmählich war dem Dunkelhaarigen nicht mehr nach Lachen zumute. Also tat er, was er angekündigt hatte und als Shanaya sich durch die Fensteröffnung gezogen und ein dumpfes Geräusch auf der anderen Seite ihm verkündet hatte, dass sie dort sicher auf dem Boden angekommen war, machte er sich daran, ihr zu folgen.
Das Fenster befand sich etwa auf halber Höhe. Gerade so weit oben, dass man sich allein hinauf ziehen konnte, aber es einiges an Kraft kostete. Unter hörbarer Anstrengung zog Lucien sich durch das Fenster, ließ sich neben der Schwarzhaarigen vorsichtig zu Boden gleiten und hielt in dem Moment lauschend inne, da seine Stiefel den Boden berührten. Nichts. Nichts regte sich, weder draußen, noch drinnen. Für's erste sollten sie unentdeckt bleiben.
So leise wie möglich zog der 21-Jährige das Fenster wieder zu, dieses Mal gänzlich, und verriegelte es von dieser Seite aus. Dann ließ er den Blick durch das dunkle Lagerhaus schweifen.
Durch eine Reihe Oberlichter fiel Mondlicht in den Raum, erhellte ihn gerade weit genug, um die Umrisse von Kisten und Säcken zu erkennen, die gruppenweise überall verteilt standen. An der Wand zu ihrer Rechten reichte ein gewaltiges Regal mit Fässern bis hinauf zu einer schmalen Galerie. An der Wand links zog sich die Treppe entlang, die dort hinauf führte. Vielleicht in eine Art Bürobereich, der der Verwaltung diente.
Zuletzt kehrte seine Aufmerksamkeit zu Shanaya zurück, musterte sie genau.
„Ich vermute, sie haben erst mal andere Probleme, als uns zu folgen. Du hast ihn ordentlich an der Schulter erwischt...“
Ein unleugbar beeindrucktes Lächeln huschte über seinen Lippen. Doch es wandelte sich schnell in etwas sanfteres, wärmeres. Langsam trat Lucien näher, legte die Hand an ihre Wange und in die tiefgrünen Augen trat ein Ausdruck von Unruhe. Sorge.
„Du bist blass.“, stellte er fest, etwas leiser als gerade eben noch. Fuhr ihr dabei sanft mit dem Daumen über die Wange. „Setz dich, bevor du mir umfällst.“
Der Platz, an dem sie gerade standen, war so gut wie jeder andere. Und falls jemand durch den Haupteingang kam, bot ihnen das Fenster immerhin noch einen Fluchtweg. Auch wenn er sich nicht sicher war, wie lange die Schwarzhaarige überhaupt noch würde laufen können. Wahrscheinlich nicht bis zum Schiff. Nicht heute Nacht.
„Ich helfe dir mit der Korsage, in Ordnung? Und dann sehe ich mich kurz um, ob ich etwas finde, womit wir die Wunde verbinden können.“